Noch immer ist aus Geheimhaltungsgründen das Fotografieren im Großen Schwurgerichtssaal beim Amtsmissbrauchsprozess gegen vier erschienene Beamte untersagt.

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Wien – Die völlige Überlastung des heimischen Asyl- und Fremdenwesens im Zusammenhang mit den Fluchtbewegungen des Jahres 2015 ist am Donnerstag im BVT-Prozess im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien Thema. Es geht um den letzten der vier erschienenen Angeklagten: Er ist Beamter im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und soll 2015 seinen Mitangeklagten vom damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung geholfen haben. Dabei, einen syrischen Brigadegeneral, der mittlerweile unter dem Verdacht steht, in seiner Heimat Kriegsverbrechen begangen zu haben, nach Österreich zu bringen und ihm hier Asyl zu verschaffen.

Hintergrund war die geheimdienstliche "Operation White Milk". Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad soll den geflüchteten Brigadegeneral zunächst in Frankreich untergebracht haben, um ihn dort verhören zu können. Da die Zusammenarbeit mit den französischen Spionen aber offenbar nicht friktionsfrei ablief, vereinbarte der Mossad mit dem BVT eine Unterbringung und "Abschöpfung" des Soldaten in Österreich.

Frankreich war für Asyl zuständig

Aus Sicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sei das Asyl für den Syrer aber illegal und damit Amtsmissbrauch gewesen – da in Frankreich bereits ein Schutzverfahren lief. Die Angeklagten aus dem BVT sollen den Herrn aus dem BFA daher dazu gebracht haben zu tricksen.

Aus Sicht der Ankläger zeigt das eine Mail des Viertangeklagten, in der er vorschlägt, man könnte den Akt des Generals einfach zwei Monate "liegen lassen", da dann laut EU-Recht automatisch Österreich zuständig wäre. Der Viertangeklagte verteidigt sich dagegen, dass die Zweimonatsfrist überhaupt keine Rolle gespielt habe, man hätte den Fall jederzeit übernehmen können. Außerdem habe sein Vorgesetzter die Angelegenheit mit dem BVT besprochen und sein Okay gegeben, sieht er sich zu Unrecht auf der Anklagebank.

Keine Verständigungen innerhalb der EU

Wie chaotisch es damals in der Fremdenbehörde zuging, wird aus den Aussagen der verschiedenen Zeuginnen und Zeugen deutlich. Es fallen Begriffe wie "Sofortsichtung", man erfährt, dass die eigentlich vorgesehene Verständigung eines anderen EU-Staates, dass man seinen Asylfall übernimmt, von praktisch keinem Land durchgeführt wurde, und auch, dass es immer wieder Kontakt zwischen BVT und BFA gab. Auch in die andere Richtung: Das BFA fragte bei Verdachtsfällen beim BVT nach, ob gegen einen Antragsteller Terrorismusverdacht bestehe. Keiner der Zeugen kann sich acht Jahre später noch an den Fall des Generals erinnern, insgesamt scheint er nicht besonders herausstechend gewesen zu sein.

Jener Beamte, der den Akt laut Anklage "liegen lassen" sollte, sagt am Donnerstag, das Schriftstück sei überhaupt nie über seinen Schreibtisch gelaufen. Wo es dann gelegen ist, lässt sich aus dem "Case-File" des Generals nicht klar ablesen.

Am Freitag wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, 12.5.2023)