Die Nachfrage nach guten Verkaufspersonen habe die Digitalisierung nicht geschmälert – ganz im Gegenteil, wie Personalberatungen berichten.

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Ständig auf dem Sprung sein, das Flugzeug nach London für zwei Stunden Besprechung oder quasi im Auto wohnen, mit den Unterlagen und dem Produktprototyp im Kofferraum: Das typische Bild einer Vertrieblerin, eines Vertrieblers. Aber viel ist davon nicht mehr übrig. Sales bedeutet heute vor allem Telefonate, Akquise über Linkedin oder ein erstes Kennenlernen via Videocall. Die letzten Jahre haben den Vertrieb, aber auch die Beratungsbranche hauptsächlich in die Onlinewelt versetzt.

Die Nachfrage nach guten Verkaufspersonen habe die Digitalisierung aber nicht geschmälert – ganz im Gegenteil, wie Personalberatungen berichten. Denn die Marktbedingungen ändern sich derzeit immer wieder stark, und der Erfolg eines Unternehmens ist weiterhin auf den regelmäßigen Verkauf angewiesen, sagt die Prokuristin der Grazer Personalberatung Menschen im Vertrieb, Hanna Bachinger.

Zur Wettbewerbsfähigkeit gehöre aber heute auch die digitale Versiertheit dazu, nicht nur bei Onlinemeetings. Die meisten Unternehmen verwenden bereits Softwaretools, welche die Sales-Prozesse analysieren und zielgerichtet passende Abnehmerinnen und Abnehmer finden sollen. Software für das sogenannte Customer-Relationship-Management sammelt große Datensätze zu verschiedenen Informationen über die Kundschaft, welche für den Verkauf von Vorteil sein können: Interessen und Einstellungen zum Beispiel. Wichtig ist das digitale Optimieren, weil heute nicht mehr das Angebot zählt, schreiben die Experten von Menschen im Vertrieb in einem Blogartikel. Der Markt ist bereits von den meisten Produkten gesättigt, es seien somit ein idealer Service und die Kommunikation das Wichtigste im Verkauf.

Gemeinsam entlohnt

Neben einem charismatischen Auftreten und dem Interesse an dem Unternehmensprodukt zählen für erfolgreiche Sales auch die schnelle und richtige Lieferung sowie die Koordination mit dem Innendienst. Menschen im Vertrieb setzt deshalb auf eine neue Entlohnung, welche einige Firmen mit ihnen testen: Die typische Provision, die Sales-Mitarbeitende bei gelungenem Verkauf erhalten, sollen auch Mitarbeitende in der Logistik und im Innendienst erhalten.

"Am erfolgreichen Vertrieb haben mehrere Angestellte einen variablen Anteil, nicht nur die Person im Außendienst", sagt Bachinger. Ein Softwaretool soll berechnen, wer welchen Anteil am Verkauf hatte, und je nachdem werden dann Prämien ausgezahlt. Ziel sei es, einzelne Teams zu pushen und Motivation zu schaffen.

Begehrtes Tech-Wissen

Heiß begehrt sind Verkaufsfähigkeiten vor allem in technischen Gebieten, ist sich Markus Baldauf sicher. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Markus Baldauf Headhunting und Executive Search. Vor allem Werkstofftechnikerinnen, Mechatroniker und Elektrotechnikerinnen werden gesucht. "Gerade jemand, der oder die technische Erfahrung mitbringt und das ‚Sales-Gen‘ hat, hat den Jackpot", analysiert Baldauf. Und weil der Bedarf an Verkaufspersonal so groß ist, werden nicht mehr nur Erfahrene eingestellt.

Firmen nehmen auch vermehrt Berufseinsteiger, die nur das technische Wissen mitbringen. Technik ist auch in der Beratungsbranche ein Fokus, sagt Baldauf. Wegen des Booms an vernetzter Software, wie etwa in neuen Autos oder Smart-Home-Systemen, ist das Thema Sicherheit in der Beratung gerade gefragt. Auch die Verdienstmöglichkeiten sind überdurchschnittlich. Bis zu 7000 Euro brutto seien monatlich für eine etwas erfahrene Person möglich.

Schwindende Bereitschaft

Manche Unternehmen seien hingegen gerade vorsichtig, sagt Christian Klement, Geschäftsführer der Personalberatung epunkt mit Fokus auf Vertrieb und Recruitment. "Das lässt sich auch wirtschaftszyklisch betrachten: Geht es nach unten, sind meist eher Finance-Positionen gefragt, geht die Kurve dann wieder nach oben, sind Sales-Positionen wieder höher im Kurs", erklärt er. Dennoch herrsche aktuell auch im Bereich Sales und Consulting in vielen Unternehmen ein Mangel an Fachleuten: "Vor allem Spezialisten der älteren Generation verschwinden, und Firmen suchen verzweifelt nach Nachwuchs." Ausgenommen seien zum einen der Handel, der gerade kostenseitig auf die Bremse steige, und zum anderen der IT-Dienstleistungsbereich, weil es derzeit schwieriger sei, Projekte an Land zu ziehen, und weniger den Vertrieb investiert werde.

Die wirtschaftlich schwierige Situation trage laut dem Experten aber teilweise auch dazu bei, dass die Bereitschaft, neue Teammitglieder lange einzuarbeiten, schwinde: "Neue Mitarbeiter sollen im besten Fall direkt einsatzbereit sein, bereits Erfahrung am Markt und vielleicht sogar schon relevante Kundenbeziehungen haben."

Aber können die Firmen sich das leisten? Ganz allgemein könne man das nicht beantworten, sagt Klement. Aber er gibt den Unternehmen zu bedenken: "Wo es jetzt schon schwierig ist, geeignete Leute zu finden, wird es in den nächsten Jahren bestimmt nicht einfacher." Vor allem weil auch in diesen Berufen die Ansprüche der jungen Generationen an den Job steigen. (Anika Dang, Melanie Raidl, 12.5.2023)