Die US-Parteien sollten den Streit um die Anhebung des Schuldendeckels nicht überspannen – ein Zahlungsausfall des Landes wäre verheerend für die Weltwirtschaft. Zudem würde es die Dominanz des US-Dollars im globalen Handel endgültig untergraben.

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Im Frühjahr 2023 kommt die Weltwirtschaft nur sehr schleppend voran. Der Westen wird rund 15 Monate nach Beginn des Ukrainekriegs von anhaltend hoher Teuerung gebremst, es gibt kaum Wachstum. In Asien erholt sich China schleppender von den Folgen der Corona-Pandemie als erwartet. Gleichzeitig sind derzeit kaum Impulse in Sicht, die der globalen Konjunktur mehr Schwung verleihen könnten.

Allerdings hängen Risikofaktoren wie der US-Schuldenstreit oder die anhaltende Krise der amerikanischen Regionalbanken über der weiteren Entwicklung. Der scheidende Weltbank-Präsident David Malpass warnte folglich vor einer längeren Flaute der globalen Wirtschaft. Das weltweite Wachstum werde in diesem Jahr wohl unter zwei Prozent liegen, sagte er am Rande eines Treffens der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industrienationen am Wochenende.

Länger wenig Wachstum

Ihm bereiten die hohen Schulden des Westens Sorgen, da deren Rückzahlung zu "einer längeren Periode mit langsamen Wachstum" führe. Zum Streit in den USA über eine Anhebung der Schuldenobergrenze merkte der Weltbank-Präsident an, dass ein Zahlungsausfall der USA die Probleme der ohnehin mauen Weltkonjunktur noch verstärken könnte. "Es liegt auf der Hand, dass eine Notlage der größten Volkswirtschaft der Welt für alle negativ wäre", sagte Malpass, der Anfang nächsten Monats von Ex-Mastercard-Chef Ajay Banga an der Spitze der Weltbank abgelöst wird.

Für das Treffen der Regierungschefs beim G7-Gipfel im japanischen Hiroshima am nächsten Wochenende macht US-Präsident Joe Biden seine Teilnahme von der Entwicklung im Schuldenstreit abhängig. Einigen sich Demokraten und Republikaner nicht auf eine Anhebung des Schuldenplafonds, der mittlerweile erreicht ist, geht dem Land nach derzeitigem Stand im Juni, spätestens jedoch im Juli das Geld aus, und es kann seine Schulden nicht mehr bedienen – was "absolut verheerende" Folgen hätte, betonte der britische Finanzminister Jeremy Hunt.

US-Dollar im Visier

Gleichzeitig sägen neuerlich einige Schwellenländer an der Dominanz des US-Dollars im Welthandel. "Jede Nacht frage ich mich, warum alle Länder ihren Handel in Dollar abwickeln müssen", sagte unlängst Brasiliens Präsident Lula da Silva bei einem Treffen der New Development Bank, gewissermaßen Chinas Antwort auf die Weltbank.

Dazu passen die mahnenden Worte der US-Investorenlegende Warren Bufffett: "Wenn die Leute einmal das Vertrauen in den Dollar verlieren, dann ist es schwer zu sagen, wie man sich davon wieder erholen kann." Ähnliches befürchtet US-Starökonom Nouriel Roubini: "Der Dollar wird an Bedeutung als Reservewährung verlieren, und zwar umso schneller, je weiter der kalte Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China eskaliert", sagte er dem "Handelsblatt". Der Dollar werde nicht in Würde altern, prophezeit er.

Stagflation in USA

Bisher wurde das innenpolitische Ringen um die Anhebung US-Schuldengrenze zwar stets knapp vor einer Eskalation beigelegt, diesmal wirken die Fronten zwischen den Parteien aber besonders verhärtet, zudem trifft es das Land in einer fragilen wirtschaftlichen Lage. Das ohnedies verhaltene US-Wachstum, im ersten Quartal waren es 1,6 Prozent auf Jahressicht, wird durch einen schwächeren Konsum, aber auch eine nachlassende Kreditvergabe wegen der Probleme bei den US-Regionalbanken gebremst.

IHS-Ökonom Klaus Weyerstraß erwartet für die nächsten Quartale sogar leicht negatives Wachstum, also eine "technische Rezession". Sein Befund für die US-Wirtschaft lautet daher: Sie steckt in einer Stagflation, wie die Kombination aus keinem oder geringem Wachstum und hoher Inflation bezeichnet wird. Ähnliches gilt ihm zufolge für die Eurozone, für die Weyerstraß ebenfalls ein "eher durchwachsenes Jahr" sieht. Zu etwas mehr Schwung könne es später im Jahr kommen, wenn die Lohnsteigerungen die Inflationsraten wieder übersteigen, sich also die negative Reallohnentwicklung wieder ins Positive umkehre.

Lieferketten verbessern

Gleichzeitig erholt sich zwar China von den Folgen der Corona-Pandemie, aber längst nicht so dynamisch wie erwartet. Weyerstraß sieht dahinter strukturelle Probleme, etwa die hohe Verschuldung der Regionen. Zudem bremsen ihm zufolge die anhaltenden Probleme im Immobiliensektor das Wachstum. Inflationsproblem gibt es im Reich der Mitte keines, sie lag im April bloß bei 0,1 Prozent auf Jahressicht.

Eigentlich wollten die G7 beim Treffen in Hiroshima vor allem die weltweiten Lieferketten widerstandsfähiger machen. Derzeit werde mit interessierten Schwellen- und Entwicklungsländern an Kooperationen gearbeitet, mit im Boot seien auch die Weltbank und andere internationale Organisationen. Inoffiziell wird es aber auch darum gehen, den Einfluss im Welthandel – samt der Dominanz des US-Dollars, zu bewahren. Denn laut Daten der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) werden aber nur zwei Prozent des Welthandels in dem derzeit stabilen Yuan abgewickelt, aber 42 Prozent in Dollar, dessen Kaufkraft gemessen an der US-Inflation um jährlich fünf Prozent sinkt. (Alexander Hahn, 15.5.2023)