Im ersten Wiener Bezirk gibt es die höchsten Mieten des Landes, selbst die eigentlich gedeckelten Richtwertmieten liegen mit dem erlaubten Lagezuschlag dort schon länger über dem Marktniveau.

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Zehn Jahre lang hatte der Online-"Mietenrechner" der Stadt Wien gute Dienste geleistet, mit ihm konnten Mieterinnen und Mieter von Altbauwohnungen eine schnelle Einschätzung bekommen, ob sie zu viel Miete bezahlten oder nicht. Rund um den letzten Jahreswechsel herum war er dann aber plötzlich offline – gemeinsam mit dem ebenfalls angebotenen Lagezuschlagsrechner. Die Stadt hatte sich, wie berichtet, durch eine Normenkontrolle des Lagezuschlags beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhofft, dass in das leidige Thema Lagezuschlag ordentlich Bewegung kommt. Doch das war nicht der Fall, die Verfassungsklage wurde abgewiesen.

16,02 Euro als City-Zuschlag

In der Zwischenzeit wurden die Mietrichtwerte angepasst, und jetzt sind auch die beiden Rechner der Stadt Wien wieder online. Und sie haben es buchstäblich in sich: Für den ersten Bezirk weist der Lagezuschlagsrechner bereits einen Lagezuschlag von 16,02 Euro aus. Das ist fast das Zweieinhalbfache des aktuellen Wiener Richtwerts (6,67 Euro). Die Hauptmiete aus Richtwert und Lagezuschlag, noch ohne weitere Zuschläge gerechnet, ergibt damit also bei einem unbefristeten Mietvertrag bereits 22,69 Euro und liegt somit in vielen Fällen wohl schon über der Marktmiete.

Auch rund um den ersten Bezirk ist der Lagezuschlag, den der "amtliche" Rechner ausspuckt, recht hoch: 6,78 Euro sind es westlich der Innenstadt in Ring-Nähe, beispielsweise in der Lange Gasse im achten Bezirk; in Lagen in der Nähe des Gürtels weist der Rechner oft 5,30 Euro aus.

Keine Lagezuschlagskarte mehr

Früher wurden die einzelnen Lagezuschlagslagen schön übersichtlich in einer sogenannten Lagezuschlagskarte dargestellt, doch darauf verzichtet die Stadt seit der vorletzten Richtwerterhöhung. Und sie dürfte auch nicht wieder kommen.

In dieser Karte wurden auch die Grundkostenanteile genannt, die zur Berechnung des jeweiligen Lagezuschlags herangezogen wurden. Denn der Lagezuschlag wird bekanntermaßen anhand der aktuellen Grundstückspreise ermittelt, die Formel steht im Mietrechtsgesetz (siehe auch "Wissen"). Da die Grundstückspreise in den vergangenen zehn Jahren teilweise enorm gestiegen sind und sich die Berechnungsmethode bisher nicht geändert hat, hat sich das auf die Lagezuschläge enorm ausgewirkt.

In der letzten, 2019 veröffentlichten Karte wurde für die Innenstadt ein Grundkostenanteil von rund 4.000 Euro je Quadratmeter Nutzfläche ausgewiesen, auf dieser Basis kam ein Lagezuschlag von 12,21 Euro heraus. Rechnet man dies mit dem neuen Lagezuschlag von 16,02 Euro sozusagen rückwärts nach, kommt ein Grundkostenanteil von knapp 5.200 Euro für die City heraus.

Lagezuschlag treibt Mieten ...

Wie sehr der Lagezuschlag die Mieten in den vergangenen Jahren nach oben getrieben hat, erkennt man an folgenden Zahlen: Am 1. April 2012, also vor etwas mehr als elf Jahren, lag er in den Gegenden knapp außerhalb des ersten Bezirks noch bei 1,93 Euro. Zusammen mit dem damals gültigen Wiener Richtwert von 5,16 Euro machte die Hauptmiete ohne weitere Zuschläge 7,09 Euro aus. Nun, Mitte Mai 2023, liegt diese Basismiete dort aber schon bei 13,45 Euro – also bei fast dem Doppelten.

Nur etwas weniger dramatisch verlief die Entwicklung in den Gegenden am Gürtel, wo jetzt die erwähnten 5,30 Euro an Lagezuschlag möglich sind. Im April 2012 lag der Lagezuschlag dort noch bei 1,43 Euro. Die Netto-Hauptmiete ohne weitere Zuschläge stieg dort also von 6,59 auf 11,97 Euro bei einem unbefristeten Vertrag (bei einer Befristung müssen 25 Prozent abgezogen werden).

... müsste nun aber bald wieder sinken

Klarerweise muss hier angeführt werden, dass der Lagezuschlag nicht automatisch in all diesen Lagen gilt. Es sei vielmehr stets im Einzelfall zu prüfen, "ob die Lage (Wohnumgebung) der Liegenschaft, auf der sich eine Wohnung befindet, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens besser als die durchschnittliche Lage (Wohnumgebung) ist". Wie mehrmals berichtet, ist um die Anwendbarkeit des Lagezuschlags ein regelrechter Kampf ausgebrochen, es gibt seit einigen Jahren zahlreiche Verfahren vor Gericht, und "das letzte Wort hat dabei immer der OGH", wie auch eine Richterin am Bezirksgericht Josefstadt kürzlich sagte.

Die gute Nachricht ganz zum Schluss: Weil die Zinshauspreise in ganz Wien zuletzt doch recht stark gesunken sind, dürfte sich dies recht bald auch wieder auf den Lagezuschlag auswirken. Der müsste dann eigentlich also wieder zurückgehen. Man wird sehen. (Martin Putschögl, 17.5.2023)