Das Volksstimmefest im Prater im Jahr 2021.

Die Veranstalter des Festes wurden über die Anschlagspläne nicht informiert.

Ein geplanter Anschlag auf das Wiener Volksstimmefest, auf dem jährlich tausende Menschen, auch zahlreiche Familien mit Kindern, im Prater feiern, sorgt weiter für Aufregung. Die Pläne zu einem Anschlag auf das KPÖ-nahe Fest wurden – wie berichtet – erst im Zuge der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2022 durch das Innenministerium bekannt.

Der im Jahr 2022 verurteilte und in Haft befindliche Mann hatte den Identitären Geld gespendet und neben Suchtmitteln und NS-Devotionalien auch Waffen und das Material für einen Bombenbau sowie gerahmte Bilder des Massenmörders Anders Breivik, und weiterer rechtsradikaler Terroristen wie des Briefbombers Franz Fuchs und der NSU-Frau Beate Zschäpe bei sich zu Hause.

Hausdurchsuchung Wochen vor geplantem Anschlag

Der Anschlag war für September 2021 geplant, erst im Juli 2021 fanden Hausdurchsuchungen bei dem Mann statt, der auch Fanartikel der Identitären Bewegung hortete. Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz war schon im Vorjahr durch den Europol-Bericht "European Union – Terrorism Situation and Trend Report 2022" alarmiert gewesen, weil in diesem von einem verhinderten Anschlag auf ein linkes Fest zu lesen war. Sie brachte daher im September 2022 eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ein, in der sie Aufklärung über die Ermittlungsergebnisse forderte.

Die Antworten des Innenministeriums dazu sind mehr als wortkarg. Zumindest die erwähnten Fundstücke sowie eine "handschriftliche Skizze mit maßstabsgetreuen Bauanleitungen für Rohrbomben und weitere für die Vorbereitung einer rechtsterroristischen Straftat notwendige Mittel" werden in der Beantwortung angeführt.

Von Antworten Abstand genommen

Auf die Frage, ob der 78-Jährige mit den Identitären oder anderen Rechtsextremisten vernetzt war, deren Veranstaltungen besuchte oder mit ihnen sonst wie im Austausch stand, heißt es in der Anfragebeantwortung Karners: "Aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes auf Datenschutz, der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit bzw. um allfällige Ermittlungsergebnisse nicht zu konterkarieren, muss von einer Beantwortung der Fragen Abstand genommen werden."

Der Mann hatte auch Feindeslisten geführt, doch die Veranstalter und Mitwirkende des Festes wurden in keiner Weise über die bestehende Gefahr informiert. Schatz forderte am Mittwoch nun auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf, Stellung zu dem zu beziehen: "Nehammer war zu diesem Zeitpunkt noch Innenminister. Es fiel unter seine Zuständigkeit, die KPÖ über den geplanten Terroranschlag auf das Volksstimmefest zu informieren und mit ihr Schutzmaßnahmen zu planen. Warum ist das nicht passiert? Handelt es sich wirklich um einen Einzeltäter, oder bilden die ständigen Waffenfunde bei Rechtsextremen ein terroristisches Netzwerk ab? Was haben Sie unternommen, nachdem klar war, dass Rechtsextreme mittlerweile konkrete Anschläge planen, Herr Nehammer?"

DSN: Betreffende Person befand sich in U-Haft

Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat sich am Mittwoch dafür gerechtfertigt, warum sie die KPÖ nicht über den Anschlagsplan informiert hat. Die als Alleingänger handelnde Person sei sofort inhaftiert worden und habe daher keine Gefahr mehr dargestellt, hieß es in einer Stellungnahme an die Wochenzeitung "Falter", die auch der APA vorlag.

"Die Polizei tritt nicht an Zielgruppen heran, wenn die Informationsweitergabe keinen sicherheitspolizeilichen Mehrwert erkennen lässt und bloße Diskontinuitäten und Störungen des öffentlichen Lebens hervorrufen würde", wurde erklärt: "Es ist das erklärte Ziel von Staat und Gesellschaft, die disruptive Intention extremistischer Vorhaben, Pläne oder Taten im Sinne psychologischer Gewalt gegenüber der Gesellschaft zu negieren; dieses Dogma trifft umso mehr auf Nichtgefährdungen bzw. entschärfte Gefährdungslagen zu."

Die betreffende Person wurde vom DSN als "(auto)radikalisierter Einzeltäter" kategorisiert, sämtliche Ermittlungsergebnisse hätten diese Kategorisierung nicht negieren können. Der Mann sei nach einer Hausdurchsuchung umgehend am 19. Juli 2021 festgenommen worden und habe sich zur Zeit des damaligen Volksstimmefestes in Untersuchungshaft befunden. "Somit ging von dieser Person keine Gefahr mehr aus", wurde betont. Die Polizei habe zudem für präventiven Schutz durch erweiterte Schutzmaßnahmen für die Veranstaltung gesorgt, etwa durch verstärkte sicherheitspolizeiliche Maßnahmen wie uniformierte und zivil gekleidete Beamte vor Ort.

Für Schweiger wie auch Schatz ist aber die mögliche Gefahr von Mittätern nicht ausgeräumt, da nicht klar sei, wie stark der Mann in der rechtsextremen Szene vernetzt war. Und im Fall von Mittätern wäre die Gefahr nicht gebannt, nur weil der 78-Jährige in U-Haft sitzt.

KPÖ-Sprecher Schweiger: "Befremdlich"

Bundessprecher der KPÖ, Tobias Schweiger sagt: "Es ist mehr als befremdlich, dass die KPÖ nicht über die Ermittlungen informiert wurde. Das Volksstimmefest ist ein Fest für die ganze Familie, und die Sicherheit der zehntausenden Gäste liegt uns sehr am Herzen. Wir werden deshalb den Kontakt mit der Behörde suchen und Aufklärung einfordern", sagte Schweiger am Mittwoch dem STANDARD.

Schatz betont zudem im Gespräch mit dem STANDARD: "Der geplante Anschlag auf das Volksstimmefest ist der traurige Beleg für das, vor dem ich jetzt schon lange warne: Der Rechtsextremismus ist auf dem Vormarsch und wird wieder zu einer Bedrohung für Leib und Leben."

Schatz fordert nun außerdem "die schnellstmögliche Einberufung des Ständigen Unterausschusses für Innere Angelegenheiten und ein Ende der Brotkrumen-Taktik des Innenministeriums" und betont in einer Aussendung: "DSN-Generaldirektor Haijawi-Pirchner betont laufend, dass rechtsextremer Terror momentan die größte Bedrohung für die Sicherheit der Österreicher*innen ist. Der Innenminister muss uns endlich über die tatsächliche Lage informieren." Schatz weiter: "Das Zahlenmaterial, das das Innenministerium zu Rechtsextremismus liefert, ist notorisch schlecht und nicht nachvollziehbar. Anstatt ordentlich und ausführlich über die rechtsextreme Bedrohung informiert zu werden, müssen wir uns jeden Brotkrumen zusammensuchen, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Damit muss endlich Schluss sein!" (Colette M. Schmidt, red, APA, 17.5.2023)