Kürzlich entdeckte ich auf der Foodsharing-Plattform einen neu eingetragenen Betrieb, wo es "Bio-Orangenschalen in großen Mengen" abzuholen gab. Wahrscheinlich einer dieser Saftläden, in denen die Orangen wie auf Murmelbahnen durch die vollautomatischen Maschinen purzeln. Viel Saft, viel Abfall. Unvermeidbar? In den meisten Fällen, ja. Denn die große Mehrheit der Zitrusplantagen wird mit Pflanzenschutzmitteln besprüht, um Schädlinge und unerwünschtes Unkraut fernzuhalten.

Um das Zeug wieder loszuwerden, werden die Früchte nach der Ernte gewaschen. Dadurch verschwindet ein Teil der Pestizide (Rückstände sind dennoch enthalten, da die Stoffe oft tief in die Schale eindringen), allerdings auch die natürliche Schutzschicht der Schale. Also werden die Früchte erneut behandelt – mit oft synthetisch hergestellten Wachsen und Konservierungsmitteln, die man nicht essen will und soll. Sprich: Wer die Schale von Zitrusfrüchten verwenden will, sollte zu Bioware greifen, die weder vor noch nach der Ernte behandelt wird.

Orangenschalen sind noch für einiges zu gebrauchen.
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"Ungespritzt und ungewachst", so wie es sie bei jenem Foodsharing-Betrieb abzuholen gab. Ich trug mich in die Liste ein und kam zwei Tage später mit einem randvoll gefüllten Kübel ausgepresster Orangen zurück. Sicher: Das Problem der Lebensmittelverschwendung wird man mit dem Retten von Orangenschalen nicht lösen. Muss man auch nicht. Umdenken ist der erste Schritt. Zweimal nachdenken über die Fragen: Was ist Abfall? Und: Muss das wirklich weg?

Die ganze Orange im Kuchen

Außerdem: Es geht ums Prinzip. Der Baum hat so viel Energie in die Aufzucht seiner fruchtigen Schätze gesteckt. Warum also nicht alles bestmöglich nutzen? Nicht nur das Fruchtfleisch, auch die Schalen enthalten viele wertvolle Inhaltsstoffe: Vitamine, Mineralien, Aminosäuren. Noch dazu ganz andere Aromen – herb und leicht bitter –, die in der Küche für spannende Noten sorgen.

Einige Rezepte setzen daher gleich auf die Verwendung der ganzen Frucht: Ich habe mal in einem Café gearbeitet, wo sie im Ganzen gekocht, püriert und im Kuchen verbacken wurden. Zwei Orangen ungefähr zwei Stunden köcheln lassen, pürieren (anfangs habe ich Kerne und Faseriges noch entfernt, mittlerweile gebe ich sie so wie sie sind in den Mixbecher) und unter den Teig heben. Dieser besteht aus fünf Eiern, die man erst mit 200 Gramm Zucker aufschlägt und dann mit derselben Menge gemahlener Mandeln mischt.

In der Rezeptesammlung auf meinem Handy habe ich auch mal Folgendes notiert: "Ganze Orangen mit Safran kochen; Pürieren; mit Zitronensaft, Olivenöl, Essig abschmecken; als Dressing zu Fenchel-Salat (vielleicht mit Hähnchen?) verwenden". Ich weiß nicht mehr, von wem dieses Rezept stammt. An dieser Stelle aber: Danke an den oder die Erfinder:in, denn das Dressing schmeckt wirklich himmlisch.

Orangenkuchen, bei dem eine ganze Orange püriert im Teig für besondere Saftigkeit sorgt.
Foto: Petra Eder

Zurück aber zu den Schalen und meinem Kübel mit geretteten Orangen. Der Klassiker, um diese zu verwerten: Schale abreiben und trocknen lassen. Zugegebenermaßen etwas mühsam bei bereits ausgepressten Früchten. Doch wenn man das nächste Mal Kuchen backt, freut man sich über das griffbereite Naturaroma, das günstiger und besser als das abgepackte aus dem Supermarkt ist. Man kann sie auch, wie ausgekratzte Vanilleschoten, in ein Gläschen mit Zucker geben und damit Cremes und Desserts verfeinern.

Japanische Würzpaste und Burnt Orange Jam

Auch einfach, aber weniger bekannt: Kosho. Ich bin seit einiger Zeit ganz verrückt nach dieser Würzpaste – eine fermentierte Umami-Bombe, die traditionell mit der japanischen Yuzu-Frucht gemacht wird. Kosho besteht aus lediglich drei Zutaten: Yuzu-Schale, (grüner) Chili und Meersalz. Man kann sie auch mit anderen Zitrusfrüchten machen, zum Beispiel mit Orange. Sehr viel Orange!

Denn die abgeriebene oder sehr fein abgeschnittene und gehackte Schale wird mit derselben Menge an gehackter Chili gemixt, 100 Gramm in meinem Fall. Nachdem ich die zusammen hatte, war mein Kübel gleich deutlich leerer. Mit Meersalz (bei mir ungefähr 30 Gramm) kommen Chili und Schale in den Mörser. Ich gebe die Paste gern in Salatdressing, Soßen, Suppen oder mixe sie unter Reis. Ein kleiner Klecks genügt, aber im Kühlschrank gelagert hält sie sich mehrere Monate.

Dieses Mal aber wollte ich mal etwas anderes ausprobieren: Burnt Orange Jam. Die Idee stammt – natürlich – aus England, Heimat der Orangenmarmelade. Bitter-süß und heißgeliebt, ein Must-have auf dem Frühstückstisch, wie hierzulande die Marillenmarmelade.

Begegnet ist mir die Burnt Orange Jam letzten Sommer in einem Londoner Restaurant. Nebenan lag eine Bäckerei, die zum Frühstück frisch gepressten (sehr beliebten) Orangensaft anbot. Der Chefkoch hatte ein Faible fürs Resteverwerten, und so begann er, die kistenweise anfallenden Fruchthälften zu Marmelade einzukochen.

Er erklärte mit ungefähr, wie es geht, und zusammen mit ein wenig Internetrecherche versuchte ich nun, sein Rezept nachzukochen: Die Reste vom Fruchtfleisch und die Schale bestmöglich von der weißen Schicht trennen (sie macht die Marmelade zu bitter). Dann werden die Schalen in feine Streifen geschnitten und mit Wasser aufgekocht. Nach fünf Minuten gießt man sie ab und spült sie mit kaltem Wasser. Insgesamt macht man das drei Mal. Am Ende sind die Schalen weich und weniger bitter.

Zusammen mit den Resten des Fruchtfleischs (Londoner Technik – in den meisten Rezepten ist hier von frischem Fruchtfleisch die Rede) werden sie in Zuckersirup (Zucker und Wasser im Verhältnis 1:1, so, dass die Früchte bedeckt sind) aufgekocht. Wer die Marmelade burnt, also dunkel eingekocht mag, sollte sie gut im Auge behalten. Meine war nach rund 45 Minuten fertig und ich fürs erste Mal ganz zufrieden. Meine Brunch-Gäste, denen ich die Marmelade ein paar Tage später mit griechischem Joghurt und Granola servierte, ebenfalls.

Dazu gab's frischgepressten Orangensaft. Trifft sich gut – mein Kosho-Vorrat geht langsam zur Neige. (Verena Carola Mayer, 21.5.2023)