Der Biss in ofenfrische Backwaren, weich und warm und knusprig, gehört zu den großen kleinen Freuden des Alltags. Und die allergrößte gebackene Alltagsfreude ist – zumindest für mich – das Croissant. Mehr noch als jedes andere Gebäck lebt es von seiner Frische. Die Kruste goldbraun und so knusprig, dass sie auf sämtliche Kleidung bröselt. Und dann beim Auseinanderreißen die samtig-weiche Offenbarung, der elastische Teig, der sich dampfend in die Länge zieht.

Sie merken, ich habe eine Schwäche für Croissants. (Mein Rekord liegt bei zehn Stück in drei Tagen. Ich versuchte damals, das Beste von Paris zu finden, vielleicht aber suchte ich auch nur eine Ausrede, hemmungslos meiner Leidenschaft zu frönen.)

Noch sind die Croissants frisch und knusprig.
Foto: istock/getty images

Der Grund für meine Schwäche? Klar, der Geschmack, die Kombination aus Fett und Knusper und cremigem Schmelz. Daneben fasziniert mich auch die Herstellung, die magische Verwandlung eines butterschweren Teigs in leichtes, filigranes Gebäck. Das Zauberwort lautet Tourage. Als würde man ein Geschenk einpacken, wird der Teig um die flache Butterplatte gefaltet, ausgerollt und erneut gefaltet, immer wieder. Im Ofen drückt das aus der Butter verdampfende Wasser die übereinandergefalteten, von einer feinen Fettschicht getrennten Schichten auseinander und verleiht dem Croissant Flügel.

Dazu noch die süßen Röstaromen, Ergebnis der Maillard-Reaktion, so genannt, weil es der französische Naturwissenschafter Louis Camille Maillard war, der diesen Prozess erstmals beschrieb: Treffen Proteine auf Zucker und Hitze, entstehen dunkle Röststoffe. Eine enzymatische Bräunungsreaktion. Oder einfach: wunderbare Backmagie.

Doch zurück zum Thema, dem genussvollen Biss ins ofenfrische, dampfende Croissant. Ein paar Stunden halten sie in der Auslage durch, vielleicht noch bis zum Nachmittag, spätestens am Abend aber haben sie ihr genüssliches Pulver verschossen.

Die Einhaltung der alten Regel – nie hungrig einkaufen – erweist sich beim Bäcker als besonders schwer. Denn frühmorgens, wenn man Semmeln und Co fürs Frühstück holt, ist der Hunger meist groß und sind die Augen noch größer. Nun gibt es Leute wie meine Mama, die trockenes Gebäck lieben (sie legt es eigens über Nacht an die Luft, damit es so richtig schön durchtrocknet) – bei den meisten aber hält sich die Freude über ein angetrocknetes Croissant in Grenzen.

Croissant aux amandes

Auch Backstuben kennen das Problem, und so wurde irgendwann ein Gebäck entwickelt, das mit ebenjenen altbackenen Croissants prima funktioniert: croissants aux amandes. Großzügig gefüllt mit Sirup und Mandelcreme – so reichhaltig, dass jegliche Trockenheit Geschichte ist. Die Creme besteht zu gleichen Teilen aus weicher Butter, gemahlenen Mandeln und Zucker. Für vier Croissants braucht es je 50 Gramm (Zucker kann man je nach Vorliebe anpassen). Zusammen mit einem Ei und etwas Salz wird das Ganze im Mixer oder von Hand cremig gerührt.

Für den Sirup werden 100 Milliliter Wasser mit einem Esslöffel Zucker aufgekocht. Wer mag, kann noch etwas dunklen Rum oder Amaretto dazugeben. Damit bestreicht man die aufgeschnittenen Croissants nun großzügig (!) von allen Seiten. Anschließend gibt man, ebenfalls großzügig, Creme hinein. Nachdem man einen weiteren Esslöffel sowie (großzügig) gehobelte Mandeln obendrauf gegeben hat, werden die Croissants bei 160 Grad für ca. 25 Minuten gebacken.

Dieses Konzept – füllen und backen – kann man endlos abwandeln. Ich bin kein Fan von herzhaft belegten Croissants, doch aus dem Ofen, vorab gebadet in Ei-Obers-Mischung und gefüllt mit Spinat, getrockneten Paradeisern sowie Fetakäse, esse ich sie wirklich gerne.

Auf Tiktok und Instagram wurden mir zuletzt immer wieder Videos angezeigt, in denen herzhaft in gebratene Croissant-Sandwiches gebissen wird. (Hat der Algorithmus meine Croissant-Leidenschaft durchschaut?) Ausprobiert habe ich diese Smashed Croissants bisher nicht. Ich bin mir noch unsicher, ob das Gericht alltagstauglich ist. Oder ob es nicht eher zur Kategorie "Zusehen macht Spaß, essen weniger" zählt. Die Zubereitung geht wie folgt: Man rollt zwei Croissants mit dem Nudelholz platt, wonach man sie in Butter, Honig und Zucker in der Pfanne knusprig brät und anschließend je zwei Scheiben mit Schinken und Käse, Avocado und Rührei, Mozzarella und Prosciutto füllt. Kulinarische Dekadenz, wie man sie in den sozialen Medien liebt.

Ain't Too Proud to Meg

Generell zähle ich eher zur süßen Croissant-Fraktion. Wer richtig viele übrig hat, kann sie zu einer Art Auflauf verarbeiten. Das Rezept stammt aus einer Londoner Bäckerei, die ich vor vielen Jahren während eines sechsmonatigen Praktikums entdeckte und – von Sehnsucht nach schwerem, dunklem Brot getrieben – regelmäßig aufsuchte.

Croissant-Auflauf

Für den Auflauf braucht es mindestens acht Stück, die man in der Mitte halbiert und mit der Spitze nach oben in eine gefettete Auflaufform setzt. Anschließend bereitet man einen Pudding zu: Je einen halben Liter Milch und Obers mit 150 Gramm Zucker, etwas Salz, Zimt und dem Mark einer Vanilleschote aufkochen, dann langsam zu sechs verquirlten Eier geben. Nun die warme Masse über die Croissants gießen, etwas andrücken und – damit es schön saftig wird – für eine Stunde einweichen lassen.

Mindestens acht Stück braucht man für einen Croissant-Auflauf.
Foto: EPA/TERESA SUAREZ

Zum Abschluss 300 Gramm Beeren, vielleicht auch etwas Schokolade und Mandeln, darüberstreuen und bei 180 Grad für 45 Minuten backen. Weich und warm und knusprig kommt der Auslauf aus dem Ofen. Eine gebackene Alltagsfreude, die dem frischen Croissant in nichts nachsteht. (Verena Carola Mayer, 7.5.2023)