Kürzlich war ich zum Abendessen im Berliner Restaurant Frea. Ich wusste, dass man dort Wert auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung legt (schließlich war das 2019 eröffnete Lokal das erste "Zero-Waste-Restaurant" des Landes), doch erst beim dritten Gang auf die Toilette fiel mir auf, dass es sich bei dem überdimensionalen Behälter im hinteren Teil um die restauranteigene Kompostieranlage handelt. Ein Ungetüm aus Edelstahl mit diversen Klappen und Knöpfen – größer noch als diese XXL-Gefriertruhen, mit denen man mehrere Großfamilien wochenlang satt bekommt.

Von außen unscheinbar und geruchsneutral. Erst wenn man den Deckel hebt, riecht es waldig-würzig – wie es eben riecht, wenn sich Essensreste zu Humus zersetzen. Die Portionen im Frea sind klein, die Preise nicht so sehr, weshalb die meisten Teller brav leergegessen werden. (Wahrscheinlich liegt es auch einfach daran, dass das Essen unglaublich gut ist. Wer also mal in Berlin ist: unbedingte Empfehlung!)

Dennoch fällt auch hier – wie in jedem Lokal – Abfall an. Der Unterschied: Statt in der Tonne landen die Reste in der Kompostiermaschine, wo sie in 24 Stunden in frische Erde zersetzt werden, die dann zurück an die Lieferanten geht. Nicht der einzige, aber ein entscheidender Grund, warum sich das Lokal seit 2022 mit einem grünen Michelinstern schmücken darf.

Allzu großzügig servierter Reis kann am nächsten Tag zu neuen Speisen verarbeitet werden.
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Verpflichtende Doggybags

Restaurants in Spanien sind seit Anfang dieses Jahres verpflichtet, ihren Gästen kostenlose Boxen anzubieten, sogenannte Doggybags, um übriggebliebene Speisen mit nach Hause zu nehmen. In Frankreich gilt ein ähnliches Gesetz schon länger. Take-away-Boxen hat (spätestens seit Corona) fast jeder Gastronom im Schrank, und die wenigsten werden sie einem auf Nachfrage verweigern. Ein wenig Ermutigung aber wäre durchaus willkommen.

Vor allem in schickeren Lokalen ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich übriggebliebenes Brot in unbeobachteten Moment hastig in Servietten einschlage. Und mich dabei wie eine Diebin fühle, dabei will ich ja nur etwas Gutes tun (das Brot, für das ich ohnehin gezahlt habe, vor dem Müll retten), und überhaupt ist es ja eigentlich ein Kompliment: Euer Essen schmeckt so gut, dass ich die Reste auch noch zu Hause genießen will!

Dennoch haftet dem Reste-Mitnehmen etwas leicht Schäbiges an: Als hätte man es nötig, sich von Resten zu ernähren. Und dann die Optik … Schmecken tut’s meist genauso, aber das Auge isst ja bekanntlich mit, und zusammengekippt schaut die fein angerichtete Speise meist nicht mehr so schön aus.

Reismengen verwerten

Fangen wir also mit dem Reis an, denn der übersteht selbst den holprigsten Heimtransport ohne optische Einbußen. In der asiatischen Küche wird er obligatorisch und oft allzu großzügig serviert. In dieser perfekten Konsistenz, wie man sie zu Hause fast nie hinbekommt, und daher viel zu schade zum Wegwerfen.

Es gibt Speisen, die warten geradezu auf diesen Reis vom Vortag, da sie erst damit aufs Beste gelingen. Retrogradation lautet das Zauberwort. Wird Reis gekocht, lagert sich Wasser zwischen den Stärkemolekülen ab: Der Reis wird weich und klebrig. Beim Abkühlen kristallisiert die Stärke wieder aus: Das Wasser wird freigesetzt, der Reis wieder fester. Perfekte Voraussetzung, um ihn als Stir-Fry in der Pfanne anzubraten (macht man dies mit frisch gekochtem, formen sich klebrige Batzen). Sprich: Dieses Gericht kann man nicht mit alten Reisresten machen, man MUSS es mit alten Reisresten machen!

Positiver Nebeneffekt: Die retrograde (alternativ: resistente) Stärke, die sich durch das Abkühlen über Nacht bildet und die auch das wiederholte Aufwärmen übersteht, stärkt die Darmflora und schützt vor Entzündungen. Außerdem kann sie von den körpereigenen Enzymen nicht so gut zerlegt werden, weshalb Reis vom Vortag nur rund die Hälfte der ursprünglichen Kalorien hat.

Zurück aber zum Stir-Fry. In ihrem Buch "One", das allerlei Resteverwertungsideen enthält, beschreibt die britische Köchin Anna Jones, wie’s schnell und einfach geht: Etwas Ingwer und Knoblauch anbraten, gehackte (Jung-)Zwiebeln zugeben, dazu Gemüse je nach Geschmack und Kühlschrank-Lage. Zuletzt Reis (es lohnt sich, ihn vorher ordentlich zu "entklumpen") und Gemüse mit kürzerer Garzeit in die Pfanne geben. Kräftig anbraten, dann mit Sojasoße verquirlte Eier hineinsetzen, stocken lassen und unter den Reis ziehen.

Ihr Koch-Kollege Yotam Ottolenghi verarbeitet Reisreste zu Krapfen. Dafür wird der Reis mit Gemüse, Kimchi, Käse, Eiern und Milch gemischt. Als Dip zu den knusprig ausgebackenen Bällchen empfiehlt er den übriggebliebenen, mit etwas Zitrone verrührten Kimchi-Saft.

Das Rezept habe ich selbst erst kürzlich entdeckt. Wenn ich das nächste Mal essen war (oder mich beim Reiskochen mal wieder habe hinreißen lassen: "Schaut so wenig aus in der Tasse … Gebe ich lieber noch etwas mehr dazu"), berichte ich, wie es war. (Verena Carola Mayer, 23.4.2023)