Klagenfurt - Der historische Moment handelt vom Einbruch der Weltpolitik in das Warmbad Villach: KPdSU-Chef Nikita Chruschtschow wird am 21. September 1959 von Vertretern der damaligen Kärntner Landesregierung vor Ort begrüßt. Zur gleichen Zeit liegt über einer Herrschaftsvilla in Maria Saal, auf der Bühne von Peter Turrinis Bei Einbruch der Dunkelheit, das "helle Licht" eines schmerzhaften Wahrheitsmoments.

Ein gerade 27-jähriger, pädophiler Komponist namens "Philippe" hört auf einem batteriebetriebenen Plattenspieler Drafi Deutschers "Marmor, Stein und Eisen bricht". Alsbald wird in Tschechow-Manier der Erfrischungstisch gedeckt: Ein Maler nimmt mit dem Skizzenblock Platz; ein pickeliger Dichterjüngling, dem jungen Thomas Bernhard nachgebildet, spricht der Radikalität einer alles niederreißenden Kunst das Wort. Und zwischen allen steht, dick und Erbauungslyrik rezitierend, ein Bub aus der Nachbarschaft: "Alois Mitteregger, 15" - ein Selbstporträt Turrinis als Hosenmatz.

Turrinis Stück zitiert eine wichtige Episode heimischer Nachkriegskunstgeschichte. Der Komponist Gerhard Lampersberg (1928-2002) hielt die nachmalige Crème der schreibenden Avantgarde, darunter H. C. Artmann, Gert Jonke oder eben Bernhard und Turrini, im "Tonhof" zu Maria Saal gastfrei. Bernhards boshaftes Lampersberg-Porträt in dem Roman Holzfällen (1984) zog die Beschlagnahmung des Buches nach sich. Zurzeit arbeitet Turrini an einem Werk, das die Ära Föttinger am Wiener Josefstadt-Theater im Herbst eröffnen soll (Hauptrolle: Karl Markovics). Demnächst recycelt der Autor sein Arbeitslosendrama Die Minderleister - für Anna Badora, die Neo-Intendantin am Grazer Schauspiel. (poh/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 1. 2006)