Barbaro Crupi im familieneigenen Tarocci-Garten.

Foto: Vene Maier

Nur in Sizilien noch günstiger als bei Crupi: Tarocci auf dem Markt von Catania.

Foto: Vene Maier

Will man Paternò richtig aussprechen, betont man es auf dem letzten Vokal. So kann es zu keinen Verwechslungen mit einem hierzulande bekannten – und schon wieder leicht vergessenen – Namensvetter kommen. Aber gewisse Assoziationen sind dennoch erlaubt, schließlich lebt Paternò zu einem guten Teil von seinen eindrucksvollen Kirchen und vom Friedhof. Den Toten nämlich haben die Paterner (oder wie immer man zu Bewohnern Paternòs sagt – vielleicht Paternoster?) einen der schönsten Plätze in der Landschaft überlassen: von mehreren Etagen auf einem nahegelegenen Hügel können die Verstorbenen in aller Ruhe dem Treiben unten im Tal zusehen – und sich ihre Gedanken machen, wenn man so will.

„Unten im Tal“ ist zwar auch etwas übertrieben, aber in einer Landschaft am Fuße des Ätna geht es eben stellenweise hügelig zu. Und mitten im Flußtal des Simeto, dessen Zuflüsse oben am Feuerberg entspringen und der unterhalb von Catania im Meer mündet, liegen die Orangenhaine der Familie Crupi. Sohn Nino lebt ja schön seit einigen Jahren in Wien und betreibt hier ein klein-feines Geschäft in der Margaretenstraße (der kleinen, zwischen Operngasse und Rilkeplatz), woselbst die Orangen aus den Hainen rund um Paternò feilgeboten werden.

Frisch vom Taroccobaum

Jetzt sind das ja nicht einfach Orangen, sondern eben speziell die Crupi-Orangen. Das heißt: voll Natur, voll Saft, voll Reife. Süss und dabei fein säuerlich, weich und dennoch (biß)fest. Tarocci eben. Ein Halbblut, wie die Botaniker sagen. Mit einer nicht allzudicken Schale und unvergleichlich feinsüßem Fruchtfleisch. Nachdem Orangen die beste Reifung am Baum erfahren, pflückt sie Vater Barbaro Crupi natürlich frisch. Von einem seiner rund 7000 „citrus sinensis“, wie der ausladende, mit viel Laub versehene Taroccobaum lateinisch heißt.

Den Rest – und wir haben viel über lassen – verschicken die Crupis in den Norden. Pro Saison so rund hundert vollbeladene Lastzüge mit je cirka 40 Tonnen Früchten. Dabei sind die Crupis eher so etwas wie unsere mittelständischen Winzer und verfügen nur über sieben Hektar Anbaufläche. Aber man weiß ja, was gute Bauern so alles aus so einer Fläche herausholen können. Die Orangen tragen jedenfalls einen guten Teil dazu bei, dass die Familie Crupi ein auskömmliches Einkommen hat. Onkeln, Nichten, Neffen, Schwager und Cousinen tragen mit anderen Produkten dazu bei: mit Olivenöl, mit Honig und mit Dolci.

La Tristezza in den Orangengärten

Auch Nino, der Sizilien aus Liebe zu einer (seiner) Frau verlassen und in Vater Crupis Mentalleben einen Spalt getrieben hat, macht ja seit gut drei Jahren wieder mit im Familienbetrieb. In seinem nüchtern-kargen Geschäft in der kleinen Margaretenstraße landet zumindest ein Teil der blutfrischen Tarocci, die von Paternò auf den Weg gen Norden verschickt werden. Dass es heuer (noch) zu keinen Engpässen in der Produktion und damit im Regal gekommen ist, verdanken die Crupis dem glücklichen, aber nur zufälligen Umstand, dass „la Tristezza“ in ihren Orangengärten nicht so arg wütet, wie dass sonst im Land unter dem Ätna der Fall ist.

Manche Felder sehen echt karg und kläglich aus, und das nicht nur, weil noch Anfang Dezember das Wasser meterhoch rund um Paternò stand und allein dadurch schmerzliche Ernteverluste eintraten. Noch schlimmer, weil nicht nur kurz und heftig, ist eben „La Tristezza“, eine von Insekten übertragene Baumkrankheit, die im Tarocco-Anbaugebiet schon hunderttausende Bäume um Laub und Früchte gebracht hat. Barbaro Crupi musste sich das Wasser aus den Augen reiben, als er uns davon erzählte und erläuterte, wie sich die Blätter anfangs zart gelb einfärben und nach einem Jahr vom Baum nur noch das Gerippe steht.

Saftig, taufrisch, günstig

Noch, sagt er, weiß niemand ein Mittel gegen die Orangenbaumkrankheit, und Jahr für Jahr nimmt die Epidemie an Umfang und Ausmaß zu. Man hoffe auf die Botaniker und die Chemiker, dass denen was Wirksames einfalle. Es wird uns zwar in absehbarer Zeit nicht betreffen und auch nächstes Jahr noch Crupi-Orangen in Wien geben, dennoch teilen wir die Hoffnung der Crupis. Schließlich kann nicht jede und jeder und auch nicht jedes Jahr nach Sizilien reisen, um saftige, taufrische und 1-a für Orangensalat wie Orangenmarmelade geeignete Tarocci zu erstehen. Wär ja auch ein bißchen zu viel verlangt, bei den Preisen, die man/frau in Wien dafür bezahlen muß. Schließlich kostet das Kilo Tarocci bei Crupi bescheidene 1,80 Euro (Preis für 10 Kilo: € 15,-).

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Crupi Specialità Siciliane
Margaretenstrasse 3, 1040 Wien, Tel: 0650-858 38 50 / Fax 01-333 77 65, ninocrupi@yahoo.it

In seinem sachlich-nüchtern gehaltenen Geschäft bietet Nino Crupi neben saisonal bedingten Produkten (Orangen, Zitronen, Mandarinen) einen sehr guten Prosciutto crudo, sizilianischen Peccorino (von jung bis alt), Honige und Gemüse-Cremas, diverse Tipi di Pesto, eingelegte Artischocken und ein sehr fruchtig-würziges Olivenöl aus eigener Produktion. Bald sollte auch eine Lieferung mit tollen Weinen Siziliens ankommen, insbesondere darf man auf den schwarzfruchtigen Nero d’Avola, der sizilianischen Leitsorte, gespannt sein.