Foto: Gerhard Wasserbauer

Breit und imposant schiebt der Strom sich an den Panoramafenstern vorbei. Es ist April, und das "Uferhaus" bei Orth an der Donau hat das erste Hochwasser des Jahres bereits hinter sich. Gerade hat der Fluss wieder in sein Bett gefunden. Es müsste schon ein besonders großer Frachter vorbeischnaufen, damit die Wellen noch einmal auf die Wiese vor dem Wirtshaus schwappen. Nichts gegen die Flut vom August 2002, als der Strom mitten durch das Gasthaus floss: "Diesmal mussten wir nur den Keller auspumpen", sagt der Wirt Georg Humer, "das hat uns ein Wochenende gekostet - ist halt der Tribut, den die Donau sich holt."

Der Platz direkt am Fluss, mitten im Nationalpark, ist ein Ort der Legenden - immerhin soll Humers Großmutter Aloysia hier das Rezept für "Karpfen auf serbische Art" erfunden haben. Kräftig gewürzt, knusprig frittiert und mit reichlich Knoblauchbutter, Pommes frites und archetypisch gemischtem Salat garniert - das ist seither für viele die einzig lohnende Art, das zur Fettleibigkeit neigende Teichtier zu verputzen. Bis 1992 kamen die Fische zum Teil noch von Fischern, inzwischen werden sie vom Paradebetrieb "Gut Dornau" angeliefert und in hölzernen Kaltern in der Donau gehalten. Der Durchsatz ist erstaunlich - im Durchschnitt wird jede Woche eine Tonne Karpfen verarbeitet und ausnahmslos händisch geschröpft.

"Humer's Uferhaus" feiert seinen 70. Geburtstag

Heuer feiert "Humer's Uferhaus" (samt Genitiv-Apostroph) 70. Geburtstag, und gerade rechtzeitig konnte der radikale Umbau, der nach dem Rekord-Hochwasser unumgänglich war, abgeschlossen werden. Die Einrichtung ist nun so konstruiert, dass sie bei steigendem Pegel in kürzester Zeit demontiert werden kann. Auf der großen Naturstein-Terrasse sitzt man auf Teakmöbeln unter weißen Sonnensegeln ziemlich spektakulär gemütlich. Im Gastzimmer hingegen regiert Gutbürgerlichkeit der nicht immer geschmacksicheren Art. Aber da schauen ohnehin alle über den Fluss und auf die Teller.

Denn das, was aufgetragen wird, kann sich durchaus sehen lassen. Dem chronisch unter Wert geschlagenen Karpfen tut man hier auf vielfältige Weise Gutes. Exemplarisch etwa die Bratwürstel vom Karpfen, deftig papriziert, knusprig gebraten, rundum gelungen. Wirklich beeindruckend gerät der kalt geräucherte "Karpfenspeck" - eigentlich grätenfreie Rückenfilets: Die nicht zu dünn geschnittenen Scheiben sind wunderbar fest im Biss, sehr fein und saftig, vielleicht einen Deut zu stark geräuchert. In etwa so muss man sich den heimischen Friedfisch zur Brust nehmen, dann hat er durchaus das Potenzial zu einer dem Lachs ebenbürtigen Delikatesse.

Die roh marinierten Filets auf "philippinische Art", angeblich mit Sojasauce und Ingwer, sind leider nur halb so spannend, wie sie klingen: Zu süß und eher dumpf gerät die Sauce, ganz ohne die frische Schärfe des Ingwers, die man sich zum Karpfen so gut vorstellen mag. Karpfenmilch paniert und Fischbeuschelsuppe werden dafür in bester Tradition exekutiert. Zum Hauptgang stehen Karpfen, Zander und oft auch Wels in vier Zubereitungsarten zur Wahl: gebacken, serbisch, im Ofen gebraten oder blau mit zerlassener Butter und erstklassigen Petersilkartoffeln - wobei letzterer ganz sicher nicht der schlechteste Weg ist, dem dicken Fisch beizukommen. Danach freilich ruft der Auwald, wo gerade die Schneeglöckchen um die Wette blühen, zum ausgedehnten Spaziergang. Vielleicht aber hätte man das schon vorher erledigen sollen. (Severin Corti, Der Standard, rondo/14/4/2006)