Die "New York Times" hat in einem ausführlichen Artikel das Wiener Modell des sozialen Wohnbaus gerühmt. Wie in vielen dieser internationalen Beiträge über Wien als "renter's utopia" bekommt man auch hier den Eindruck, es gebe überhaupt nichts zu kritisieren am Wiener Modell, was freilich nicht der Fall ist. Es wird etwa hervorgestrichen, dass die Einkommensgrenzen hoch sind und die Einkommen nie wieder überprüft werden, wenn man einmal eine Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung hat – wofür es gute Argumente gäbe. Auch der Sanierungsstau im Gemeindebau ist kein Thema.

Gemeindebau Rudolfsheim-Fünfhaus
In den USA wurden, anders als in Wien, "fatale Kompromisse" gemacht beim sozialen Wohnbau.
Putschögl

Sehr interessant ist aber der Vergleich mit der US-Wohnbaupolitik der Zwischenkriegszeit. Man erfährt, dass es schon in den 1930er-Jahren einen Vorstoß gab, so etwas wie einen gemeinnützigen Wohnungssektor zu schaffen. Genauso wie beim vielgerühmten österreichischen System der Wohnungsgemeinnützigkeit wollte man dabei auf Objektförderung statt Subjektförderung setzen, also auf geförderten Wohnbau statt Wohnbeihilfen.

Nur für die Ärmsten

Die Bemühungen um den "Housing Act" von 1937 scheiterten aber am Widerstand der Immobilienwirtschaft. Man ging, wie es im Artikel heißt, "fatale Kompromisse" ein. Darunter jenen, dass Sozialwohnungen nur für die Ärmsten gebaut werden sollten, und dies wegen geringer Baukostengrenzen qualitativ miserabel. So hatte der soziale Wohnbau in den USA nicht wirklich eine Chance.

Anders in Österreich, wo er nach wie vor eine mächtige Säule der Wohnversorgung ist, wo die Rahmenbedingungen dafür nach dem Krieg aber andere waren als in den USA. Und es ist bezeichnend, dass der Mann, der mit der Wiener Wohnbausteuer das Fundament für die ersten Gemeindebauten schuf, Hugo Breitner, vor den Nazis in die USA flüchten musste und dort bis zu seinem Tod 1946 in eher prekären Verhältnissen lebte. Im November jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal. (Martin Putschögl, 25.5.2023)