Seit zehn Jahren spielt Thomas im Stream vor allem "Diablo". Mit dem vierten Teil könnten es noch einmal zehn Jahre werden.
Jessirocks

"Ich muss mich gleich noch hinlegen", sagt Thomas M. zu Beginn des Gesprächs mit dem STANDARD. Es ist 10 Uhr am Vormittag. Der Grund für den geplanten Powernap zu ungewohnter Stunde ist der Release des Action-Rollenspiels "Diablo 4" am Freitag – zumindest für Vorbesteller, alle anderen dürfen ab dem 6. Juni online gehen. Ab 18 Uhr wird der gebürtige Kärntner deshalb auf der Videoplattform streamen und den offiziellen Start um ein Uhr Früh mit seiner Community feiern. 

Vollzeit-Gamer

Thomas, der sich Online "Jessirocks" nennt, ist im deutschsprachigen Raum ein Begriff in der Szene. Der seit seinem Informatikstudium in Graz lebende Vollzeit-Streamer spielt seit rund zehn Jahren "World of Warcraft" sowie "Diablo" und teilt seitdem seine Erlebnisse auf den Plattformen Youtube und Twitch. Rund 200.000 Leute folgen mittlerweile seinen "Jessirocks"-Kanälen, nochmals rund 100.000 schauen fleißig weiterhin seinen ursprünglichen Twitch-Kanal "4Fansites". Die Zahl der Gesamtaufrufe seiner Beiträge geht schon lange in die Millionen, und viele Menschen werden wohl zum Start von "Diablo 4" genau zuhören, ob der Mann hinter dem Mikro das Spiel empfiehlt oder eben nicht.

Das Setup von Thomas wird laufend erweitert, schließlich verbringt er manchmal zehn Stunden am Stück damit.
Jessirocks

Nach zehn Jahren mit "Diablo 3" und sieben Jahren Selbstständigkeit als Streamer freut sich Thomas auf den neuesten Teil, den er in diversen Vorabversionen bereits mehr als 200 Stunden spielen konnte. Auf die Frage, was er denn von der Mega-Franchise nach so vielen Eindrücken denkt, zitiert er einen Kommentar, den er letztens zu dem Thema gelesen hat: "'Diablo 4' ist so gut, dass man glaubt, es ist gar nicht von Blizzard." Kenner der Szene schmunzeln, schließlich ist die ehemals für hohe Qualität stehende Firma in den letzten Jahren mehrfach gestrauchelt und hat mit unfertigen Spielen und aggressiver Ingame-Monetarisierung den eigenen Ruf stark angekratzt.

"Was mich persönlich sehr gefreut hat, ist, dass die Shop- und Battle-Pass-Integration weniger aggressiv ins Spiel implementiert wurde, als ich gedacht habe." Natürlich wird es Kostüme zu kaufen geben, und auch der Battle-Pass, eine zu zahlende Saisonkarte, die Spieler für Echtgeld mit zusätzlicher Ingame-Währung versorgt, ist vorhanden, aber es gibt kein Pay2Win, wie es manche befürchtet hatten. 

Das Spielkonzept ähnelt den Vorgängern, wurde aber punktuell um Dinge wie eine offene Welt und diverse Instanzen erweitert.
Blizzard

An Innovationen mangelt es allerdings im neuesten Teil. "Jessirocks" ist sich sicher, dass man das Risiko minimal halten wollte, sicher auch wegen der Rückschläge der letzten Jahre. "Altbewährte Klassen, altbewährte Skills und auch bekannte Muster im Endgame", das seien alles Dinge, die man als "Diablo"-Spieler schon einmal gesehen hat. Man habe sich offenbar nur zaghaft nach vorne getraut, aber der Streamer ist davon überzeugt, dass die bereits angekündigten Erweiterungen einiges Neues bringen werden. Allerdings nicht, wenn es um den via später erscheinender Erweiterung nachrückenden Charakter geht. Dieser soll laut Gerüchten der Paladin werden, wie man munkelt. Auch da spielt man laut "Jessirocks" auf "safe". 

Die bereits im Spiel verfügbaren Klassen sieht der Streamer als gute Auswahl für viele Geschmäcker. Für Gruppenspieler eignen sich laut ihm vor allem Barbar und Druide, die sich aufgrund ihrer Talente gut in Teams einfügen. Einsteiger sollten Magier spielen, weil Distanz zu Gegnern in vielen Fällen Vorteile hat. Wer keine 300 Stunden in die Optimierung seines Talentbaums stecken und einfach zum Spaß spielen will, der kann als Solo-Neueinsteiger auch gut den Totenbeschwörer ausprobieren, da hier schon bald andere für einen selbst kämpfen und man auch mal "Zeit als Zuschauer" verbringen darf.

Aktuell haben Videos von Thomas bis zu 70.000 Aufrufe.
https://www.youtube.com/watch?v=QMlAqzkWnBk&t=358s

Großes Team

In einem Satz rutscht der Vollzeit-Streamer leicht ins Kärntnerische. Darauf angesprochen gibt er zu, im Stream natürlich vor allem Hochdeutsch zu sprechen – wie das eigentlich alle tun –, um auch von der Mehrheit an deutschen Zusehern verstanden zu werden. Dann ist seine Aufmerksamkeit kurz bei jemand anderem im Raum. Thomas entschuldigt sich, sein "Team" sei gerade bei den Aufbauarbeiten des Streams. 15 Moderatoren hat er um sich geschart, die darauf achten, dass im Chat nichts übersehen wird.

Für das aktuelle Event ist zudem ein Techniker aus Wien angereist sowie zwei zusätzliche Spieler. Seit zwei Tagen wird das Setup aufgebaut. Angestellt hat "Jessirocks" die Leute nicht, aber er schreibt regelmäßig Honorarnoten. Das kann er sich mittlerweile leisten. So hatte er beispielsweise im Mai 2023 knapp über 2.800 Subscriber, die zwischen fünf und 25 Dollar einzahlen, wie man von Plattformen wie "Twitchtracker" erfährt. Allein über diesen Kanal kommen also über 8.000 Euro in die Kasse – vor Steuern, versteht sich. Hinzu kommen freiwillige Spenden, Werbedeals und natürlich die zwischengeschaltete Werbung auf den Kanälen.

Leicht verdient ist das Geld trotzdem nicht. Bis zu 60 Stunden investiert der Content-Schaffende pro Woche in seinen Job, bisher hat er allein auf Twitch 7.316 Stunden gestreamt. Am 15. Februar erreicht er interessanterweise mit dem Spiel "Lost Ark" einen Allzeit-Zuschauerrekord von gleichzeitig 71.675 Leuten im Stream. Ins Happel-Stadion passen knapp über 50.000 Menschen. 

Angenehm für ältere Zuschauer ist sicher, dass Thomas keiner von den brüllenden Teenagern ist, die normalerweise die Videoplattformen beherrschen. Seine ruhige Art hatte er von Anfang an, und die behielt er sich auch. Der Erfolg gibt ihm recht, genau wie seine Geduld, die er bei Fragen im Stream immer wieder zeigt. "Ich war schon im Studium Nachhilfelehrer, und jetzt erkläre ich halt im Stream, wie man besser 'Diablo' spielt", erzählt er lächelnd. Manche würden ihn auch wie ein "Radio im Hintergrund" laufen lassen, aber auch das ist okay für ihn. 

Warum gerade er der größte "Diablo"-Streamer werden konnte, weiß er nicht genau. "Es war sicher auch Glück dabei", gibt er zu: "Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort." Bei Youtube hatte er schon früh erkannt, wie wichtig regelmäßiger Content ist, der Wechsel zu Twitch kam dann notgedrungen, weil er nicht mehr 800 Kommentare unter den Youtube-Videos beantworten konnte. "So habe ich das eben live vor Publikum gemacht." 

"Diablo 4": Die besten Klassen (Meta, Tier List, Speeds).
4Fansites

Erfolg verpflichtet

Vom Erfolg von "Diablo 4" ist Thomas fest überzeugt. "Die Atmosphäre, das Trefferfeedback und die gute Zugänglichkeit" sind seiner Meinung nach die größten Stärken. Einzig die hohen Kosten des Spiels machen ihm und seiner Community Sorge. Bis zu 100 Euro kann man für das Grundspiel bezahlen, hinzu kommen alle drei Monate kaufbare Season-Pässe (Battle Pass), für die man zwischen zehn und 20 Euro berappen muss, wenn man ein paar hübsche Gegenstände zusätzlich haben will. Erweiterungen mit neuen Inhalten, die ebenfalls jährlich zu erwarten sind, kommen wohl zusätzlich auf etwa 30 bis 40 Euro pro Stück. Bei all diesen Rechnungen nicht inkludiert sind Gelegenheitskäufe im sicher groß beworbenen Item-Shop, der sicher immer wieder mit Angeboten den Spielerinnen ein paar Euro entlocken will.

Rund 30 Prozent seiner aktiven Zuschauer haben zuletzt gemeint, sie würden sich das Spiel aufgrund der hohen Kosten erst einmal nicht holen. Stattdessen werden sie wohl Thomas beim Spielen zuschauen. Dann sehen sie auch, ob die Server halten – was in der Testphase nicht immer der Fall war.

Abseits seiner Streams spielt er keine Videospiele mehr. Stattdessen sucht er Ausgleich beim Laufen.
Jessirocks

Thomas gibt zu, den Erfolg des Spiels natürlich auch herbeizusehnen. Geht es "Diablo" gut, geht es ihm gut, schließlich streamt er vor allem dieses Spiel, und je populärer das Spiel, desto größer seine potenzielle Zuschauerschaft. Das Zeug dazu hat das Spiel, wie auch die Fachpresse in den letzten Tagen wissen ließ.

Ob es den Verkaufsrekord seines Vorgängers einstellt – "Diablo 3" konnte am ersten Tag im Jahr 2012 immerhin 3,5 Millionen Stück verkaufen –, bleibt abzuwarten. Das Spiel erschien damals allerdings zunächst nur für den PC. Diesmal werden auch PS4, PS5, Xbox One und Xbox Series gleichzeitig bedient. Gute Vorzeichen, dass "Jessirocks" in den nächsten Wochen ein paar Follower mehr bekommt und Activision Blizzard ein paar Euro mehr aufs Konto. (Alexander Amon, 2.6.2023)