Das Denkmal für Karl Lueger – prägender Wiener Bürgermeister um 1900, aber auch radikaler Antisemit – beschäftigt Wien seit vielen Jahren. Was tun mit dem 1926 am Stubenring aufgestellten Ehrenmal, das in seiner heroisierenden Darstellung jede Berechtigung verloren hat?

Das Lueger-Denkmal sorgt seit Jahren für Debatten. Jetzt wird es umgestaltet.
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Seit 2019 wurde das Denkmal mehrmals mit Farbe beschüttet und mit "Schande"-Schriftzügen versehen. Teile der jüdischen Community, allen voran die Jüdischen Hochschüler:innen, aber auch Holocaust-Überlebende, forderten die Entfernung.

Das Lueger-Denkmal soll um 3,5 Grad gekippt werden.
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Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) vermied den Schnellschuss und steht zu ihrer Ansicht, wonach das Löschen der Geschichte aus dem Stadtbild nicht immer die beste Variante sein muss. Auch ihr haben Holocaust-Überlebende geschrieben und sie darin bestärkt. In einem äußerst vielstimmig aufgestellten Prozess wurde nun eine gute Lösung gefunden: Die bereits vor 13 Jahren entstandene Idee, das Denkmal um 3,5 Grad zu kippen, wird endlich umgesetzt.

Es ist richtig, dass das Denkmal adaptiert erhalten und an Ort und Stelle bleibt. Warum? Weil sich gerade am Beispiel der Ambivalenz Luegers und des Kults, den er um sich herum aufzog, auch in Zukunft viel lernen lässt – über die Wurzeln des Wiener Antisemitismus, über Populismus, der mit Feindbildern agiert. Wer Hitler verstehen will, muss auch Lueger studieren. Das gelingt anhand eines zum Mahnmal umgearbeiteten Denkmals besser als mit einer abstrakten Leerstelle. (Stefan Weiss, 1.6.2023)