"Ich sag oft im Scherz, ich bin in diese Branche hineingescheitert. Meine Karriere in der Hotellerie hat mehr oder weniger mit einer Art Studentenjob begonnen. Das Ganze war lediglich als kurzfristige Angelegenheit gedacht, als eine Möglichkeit, sich auf die eigenen Beine zu stellen. Damals war ich um die 20. Mittlerweile sind es, abgesehen von kleinen Unterbrechungen, gut 35 Jahre, in denen ich in diesem Metier tätig bin. Seit 19 Jahren arbeite ich im Hotel König von Ungarn gleich hinter dem Wiener Stephansdom. Zuvor war ich auch in größeren Häusern tätig. Das Hotel hier existiert seit 1764. Wir verfügen über 44 Zimmer. Insgesamt sind Pi mal Daumen 25 Menschen im Haus beschäftigt.

Man kann mich als Rezeptionisten bezeichnen, aber auch als Concierge. In einem kleineren Haus wie dem unseren ist man in Sachen Titel nicht so penibel. Überhaupt sollte man die Hierarchie in der Branche nicht überschätzen. Sie ist sehr kommunistisch. Wie ich das meine? Nun, bei aller Professionalität verhält es sich doch so, dass, wenn irgendein Glied in der Kette 'Mist baut', jeder mit drinnenhängt. Wir sind alle voneinander abhängig, und man ist für alles zuständig. Da kann man nicht einen auf großer Direktor machen. Und das gilt für 24 Stunden am Tag, siebenmal die Woche.

Hotel Innenstadt Wien
Michael Fallmann arbeitet abgesehen von kleinen Unterbrechungen seit gut 35 Jahren in der Hotelbranche.
Michael Hausenblas

Für uns ist der Dienstagmorgen sozusagen der vierte Arbeitstag, da es eine Früh-, eine Spät- und eine Nachtschicht gibt. Theoretisch dauert jede Schicht acht Stunden. In der Praxis sieht das anders aus, weil sich viele Dinge einfach nicht ausgehen. Wir haben es mit Menschen zu tun, und die sind nur in einem gewissen Maße berechenbar.

Bei uns steigen sehr viele Stammgäste ab, auch zahlreiche Prominente haben immer wieder hier genächtigt. Sie wollen Namen hören? Bitte sehr. Da wären Peter Handke, Larry Hagman, Alfred Brendel oder Armin Mueller-Stahl. Das Haus kommt auch in drei Romanen vor, zum Beispiel in Sándor Márais 'Die Glut'. Unser Zielpublikum besteht hauptsächlich aus Kulturreisenden und zum Teil aus gehobenen Businesskunden. Unterm Strich sind wir sehr privilegiert. Die Gäste, die bei uns absteigen, wollen eine gewisse Qualität, aber auch ein Maß an Bodenständigkeit. Nichts, was überdrüber ist. Ich bezeichne meine Arbeit hier als kulinarische, vergleiche sie mit anspruchsvollem Kochen.

Junger Mann in Boxershorts

Irgendwann gerät man natürlich schon an seine Grenzen. Das darf man nicht unterschätzen. Manchmal muss man achthändig Klavier spielen, obwohl man nur zwei Hände hat. Man erlebt so einiges. Ich denke da vor allem an meine Zeit in größeren Häusern. Mir fallen Notarzteinsätze ein, Ehestreitigkeiten und vieles mehr. Manchmal dreht ein Gast auch einfach durch. Einmal, ich weiß es noch, es hatte minus 20 Grad, kam ein junger Mann in Boxershorts ins Hotel. Was macht man mit so einem? Wer weiß schon, wie der tickt?

Zu meinen Aufgaben gehört es auch, Karten für die Oper, den Musikverein oder andere Häuser zu organisieren. Dabei kaufe ich diese auf eigene Rechnung und hoffe, dass am Ende des Jahres ein Plus rausschaut. Das ist eine komplexe Angelegenheit, allein schon wegen der Frage, wann man wie viele Karten von welcher Aufführung einkauft.

Einmal wollte ein Stammgast aus Deutschland sehr kurzfristig Karten für ein Konzert im Musikverein. Und das war nicht irgendein Konzert. Es wurde anlässlich des 80. Geburtstags von Zubin Mehta aufgeführt, ein Beethoven-Konzert mit Daniel Barenboim als Solist. Also zwei Superstars. Das war eigentlich eine Mission impossible. Ich konnte dann aber doch zwei Karten auftreiben. Und über eine andere Quelle noch zwei Tickets. Für solche Fälle verfüge ich über eine Art rotes Telefon, das ich aber nur sehr selten benutze. Auch unser Beratungs-Know-how in Sachen Kulturprogramm ist ein sehr ausgeprägtes. Also eine Vorlesung über Wiener Literatur kann ich nicht halten, aber mir sind sehr viele Dinge vertraut, allein schon aus persönlichem Interesse. Ich war immer schon sehr kunstaffin.

Hotel, Innenstadt, Wien
Bereits seit 1764 beherbergt das Hotel König von Ungarn Gäste. Darunter waren auch Larry Hagman und Peter Handke.
Michael Hausenblas

War früher alles besser? Aufs Hotel bezogen hatte man früher mehr Kontakt mit den Menschen. Es gestaltete sich analoger. Das gilt auch für die Beratung. Früher haben es die Gäste sehr gerne angenommen, wenn sie beraten wurden. Manchmal sogar, bevor sie überhaupt angereist waren. Heute wird alles Mögliche in diverse Suchmaschinen eingetippt, die unterm Strich manipulativ sind. Jeder glaubt an 'Gott Google'. Durch die Beratungsarbeit war uns gegenüber natürlich auch die Wertschätzung eine höhere. Seinerzeit habe ich auch zahlreiche Dankschreiben bekommen. Wie soll ich sagen? Mit der Zeit wurde es anonymer, virtueller, austauschbarer und weniger atmosphärisch. Ich habe mich immer auch als Kulturbotschafter verstanden und auf diesem Gebiet auch viel von den Gästen zurückbekommen." (Michael Hausenblas, 4.6.2023)

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