Holzabfall
Holzabfälle können als Ausgangsstoff für die Produktion von grünem Treibstoff stehen.
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Nein, Klärschlamm- oder Holzdiesel sei kein E-Fuel, sagt Gerald Weber, Forscher des Comet-Kompetenzzentrums Bioenergy and Sustainable Technologies (Best). Denn ein E-Fuel ist per Definition ein synthetischer Kraftstoff, hergestellt mit grünem Wasserstoff. "Wir stellen synthetische Kraftstoffe aus biogenen Reststoffen und Abfällen her", sagt Weber. "Holzhackgut oder Klärschlamm – unsere Anlage funktioniert mit vielem."

Betrachtet man die Anlage als eine Blackbox, so wandert vorn Abfall rein, und hinten kommt synthetischer Kraftstoff raus: Holzdiesel oder Klärschlammdiesel. Diese haben aber eine höhere Qualität als ihr fossiles Pendant. Das zeigt sich zum Beispiel im Lampenexperiment: Füllt man eine Petroleumlampe mit fossilem Diesel und eine andere mit Holz- oder Klärschlammdiesel und betreibt sie genau gleich, was Helligkeit und Brenntempo anlangt, so wird die Lampe mit fossilem Diesel stark rußen. "Bei synthetischem Diesel sieht man praktisch keine Rußentwicklung."

Hohe Qualität

Ein weiterer Vorteil: Diesel aus biogenen Reststoffen hat insgesamt eine bessere Qualität, emittiert bei der Verbrennung geringere Schadstoffmengen und ist noch dazu klimaneutral. Schon mit den jetzigen Anlagen komme man auf ein CO2-Einsparungspotenzial gegenüber fossilem Diesel von 95 Prozent. "Ist die Anlage in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft eingebunden und werden alle Anlagenteile auch klimaneutral hergestellt und mit erneuerbarer Energie betrieben, so könnte man auch 100 Prozent erreichen", sagt Weber.

Die Best-Bioraffinerie-Anlage in Wien-Simmering ist derzeit erst eine kleine Demonstrationsanlage mit einer Leistung von einem Megawatt. Mit ihr lassen sich in Versuchsreihen Mengen in der Größenordnung von einem Barrel, also 159 Liter, pro Tag produzieren.

Pilotanlage
Bei der Best-Bioraffinierie-Anlage in Wien-Simmering werden aktuell kleine Mengen an E-Fuel hergestellt.

Einzigartiger Ansatz

Eingesetzt wird dabei die in den einzelnen Prozessschritten bewährte Verfahrenstechnik. Die Komponenten, so Weber, werden aber zu einem weltweit einzigartigen Gesamtverfahren gekoppelt. In einem ersten Schritt werden Holzhackgut oder Klärschlamm in einem speziellen Ofen nicht verbrannt, sondern die Moleküle mittels heißen Wasserdampfs zu Synthesegas aufgespalten.

Dafür wird das "Zwei-Bett-Wirbelschicht-Verfahren" eingesetzt, das an der TU Wien entwickelt wurde. Es stellte schon die Grundlage von Bio-Kraftwerken wie etwa in Güssing oder Oberwart dar. Dabei wurden mit dem erzeugten Produktgas Gasmotoren betrieben und Strom und (Fern)wärme erzeugt. In der Best-Anlage in Simmering wird das Synthesegas nun aber nicht in einem Gasmotor verbrannt, sondern noch einmal von Stickstoff-, Schwefel- und anderen Verbindungen gereinigt, und dann unter hohem Druck und hoher Temperatur über einen Katalysator aus Kobalt geleitet. Je nachdem wie Druck, Temperatur und Katalysator eingestellt sind, können in dem sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren nun vielfältige Kohlewasserstoffketten erzeugt werden, kurzkettige wie langkettige. Zum Beispiel Diesel oder Wachse.

Anlagen vergrößern

Berechnungen zeigen, dass Wiens Klärschlamm ausreichen würde, um alle großen Gelenksbusse der Wiener Linien mit synthetischem und klimaneutralem Diesel zu versorgen. "Dafür müsste unsere Anlage aber deutlich vergrößert werden", sagt Weber. Ein Upscaling auf 50 bis 100 Megawatt in den nächsten sieben bis zehn Jahren hält der Best-Forscher rein technisch für durchaus realistisch. Eine Studie zeigt auch, dass man mit zehn solcher Bioraffinerien, strategisch gut verteilt über das waldreiche Österreich, den Dieselbedarf der heimischen Landwirtschaft abdecken könnte. Die Herstellungskosten für Holzdiesel würde dabei laut Studie 1,1 bis 1,5 Euro pro Liter betragen.

Im Projekt Waste2Value, das vom Comet-Zentrum Best geleitet wird, wird an Umsetzungsmöglichkeiten gearbeitet. Neben Wien Energie und SMS Group Process Technologies sind an dem Projekt auch die Wiener Linien, Wiener Netze, Österreichischen Bundesforste, die Papierfabrik Laakirchen und die OMV beteiligt. Wissenschaftliche Partner sind die TU Wien und die Luleå University of Technology. Das Projekt wird von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG gefördert.

Grünes Kerosin

Die Best-Bioraffinerieanlage könnte auch klimaneutrales Flugbenzin, also Bio-Kerosin, herstellen. "Das wäre ein nächster Entwicklungsschritt", sagt Weber. Das südafrikanische Unternehmen Sasol Chemicals, das als Partner den Katalysator für das Fischer-Tropsch-Verfahren zur Verfügung stellte, ist jedenfalls führend in das Projekt Care-on-Sene ("Catalyst Research on Sustainable Kerosene") eingebunden. Das staatlich geförderte Konsortium aus deutschen und südafrikanischen Industrie- und Hochschulpartnern will die großtechnische Produktion von nachhaltigen Flugkraftstoffen beschleunigen. (Norbert Regitnig-Tillian, 12.6.2023)