Als Wien 1873 die Weltausstellung ausrichtete, konnte die Stadt auch ein bisserl angeben. Zwar nicht mit einem späteren Wahrzeichen wie Paris mit dem Eiffelturm. Das Riesenrad bekam Wien erst 1897 zum 50. Thronjubiläum Kaiser Franz Josephs I.. Dafür präsentierte Österreich-Ungarn auf der Expo stolz den ersten Schlafwagen Europas.

Bestellt hat ihn Georges Nagelmackers. Der belgische Bahnunternehmer schaute sich das Konzept von Pullman in den USA ab und gründete daraufhin die Compagnie Internationale des Wagons-Lits, unter anderem Betreiber des Orient Express. Die dafür nötigen Schlafwagen ließ er allesamt in Wien bauen, zu diesem Zeitpunkt war die Stadt berühmt für hochwertige Eisenbahn- und Tramgarnituren. Zu Veranschaulichung: 1100 Beschäftigte stellten in der Hernalser Waggonfabrik bis kurz vor der Schließung fast 1600 Waggons her, darunter die ersten Schlafwagen. Großbestellungen kamen damals aus ganz Europa und aus Konstantinopel.

Ein Monopol in Europa

Begann die Erfolgsgeschichte österreichischer Nachtzüge in Europa also mit dem ersten Wiener Schlafwagen bei der Expo vor 150 Jahren? Nicht ganz. Zwar rattern aktuell wieder 38 Nachtzüge der ÖBB durch halb Europa. Aber damals behielten die belgischen Wagons-Lits vorerst das europäische Monopol auf Nachtzüge. Erst 1894 konnten die Bosnisch-Herzegowinischen Staatsbahnen ihre ersten eigenen Schlafwagen in Österreich-Ungarn anbieten. Hergestellt wurden diese nach dem raschen Niedergang der Hernalser Werke infolge des Börsenkrachs von 1873 in Graz, wo später auch die Compagnie Internationale des Wagons-Lits wieder Schlafwagen für deren Luxuszüge orderte.

Ein neuer Schlafwagen im Nightjet
150 Jahre nach der Weltausstellung kommen wieder neue Schlafwagen aus Wien.
Öbb

Zuletzt haben die ÖBB ganze 33 Nachtzuggarnituren um mehrere Hundert Millionen Euro bestellt. Sie sollen ab diesem Sommer schrittweise ausgeliefert werden und das Nachtzug-Angebot bis 2026 fast verdoppeln. Hergestellt werden die Schlaf- und Liegewagen wie vor 150 Jahren in Wien. Mit 1200 Beschäftigten arbeiten bei Siemens Mobility im Simmeringer Werk 100 Menschen mehr als zu den Glanzzeiten der Hernalser Waggonfabrik 1873. Pro Jahr fertigt Siemens am neuen Wiener Standort 450 Schienenfahrzeuge.

Auch 66 neue Schlafwagen und 99 Liegewagen aus Wien werden in den nächsten Jahren durch Europa rollen. Die ersten sollen Ende Sommer 2023 nächtens nach Italien rattern – ganz ohne die pompösen Nebengeräusche einer Weltausstellung. (Sascha Aumüller, 19.6.2023)