Die Vorbereitungsarbeiten in den vergangenen Tagen waren intensiv, am Montag, Schlag 17 Uhr, war es dann so weit: Per elektronische Eingabe hat die Leiner & Kika Möbelhandels GmbH einen Insolvenzantrag am Landesgericht St. Pölten eingebracht. Die Möbelhandelskette strebt ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung an, das heißt, das Gericht wird eine Masseverwalterin oder einen Masseverwalter zur Abwicklung des Verfahrens einsetzen.

Kika räumt und macht Schlussverkauf
Kika/Leiner hat Schulden in Höhe von rund 340 Millionen Euro. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden zur Kassa gebeten.
APA/EVA MANHART

Ziel des brandneuen Eigentümers des operativen Geschäfts, des Handelsexperten Hermann Wieser, ist es, die schwer angeschlagenen Möbelhäuser zu entschulden und weiterzuführen. Wieser hat das operative Geschäft erst am 31. Mai gekauft, konkret hat er neben der Leiner & Kika Möbelhandels GmbH noch die LeiKi Gastro Alpha und die LeiKi Gastro Beta GmbH von René Benkos Signa übernommen. Und zwar um den symbolischen Preis von je einem Euro, der Gesamtkaufpreis lag also bei drei Euro. Signa hatte zuletzt noch einmal 30 Millionen Euro an bereits versprochenem Geld eingeschossen, DER STANDARD hat berichtet. Und die Verkäuferin haftet gegenüber dem Käufer bis zur Höhe des Gesamtkaufpreises – der eben bei drei Euro liegt.

Schuldenberg von insgesamt 340 Millionen Euro

Die Leiner & Kika Möbelhandels GmbH hat in den vergangenen Jahren einen riesigen Schuldenturm aufgebaut. Die aktuellen Zahlen: Die Gesamtverbindlichkeiten liegen bei rund 340 Millionen Euro, davon sind rund 130 Millionen unbesichert. Die größten Gläubigerinnen und Gläubiger sind, wie erwartet, die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler: Der Finanz schuldet das Unternehmen ebendiese 130 Millionen Euro. Davon sind rund 40 Millionen Euro Steuerschulden, die aus der Pandemiezeit resultieren, in der die Finanz den Unternehmen ihre Umsatzsteuerzahlungen gestundet hat. Noch weitaus mehr Ansprüche hat der staatliche Insolvenzentgeltfonds, der die Gehälter der gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernimmt und ihre Beendigungsansprüche. Für einen beträchtlichen Teil der Belegschaft dürfte noch das alte Abfertigungsrecht gelten, wie zu hören ist.

Den Lieferantinnen und Lieferanten schuldet das Unternehmen rund 40 Millionen Euro, davon ist aber ein Teil durch Eigentumsvorbehalte und durch Versicherungen abgesichert. Zu berücksichtigen im Sanierungsverfahren sind laut dem Unternehmen und laut Aussendungen der Kreditschützer die genannten rund 132 Millionen Euro an unbesicherten Verbindlichkeiten. Die genannten Gesamtverbindlichkeiten von rund 340 Millionen Euro beinhalten auch alle besicherten Verbindlichketen, Anzahlungen und die Beendigungsansprüche der Beschäftigten von Leiner und Kika. 

Sollte das Sanierungsverfahren scheitern, so Antragstellerin Leiner Möbelhandels GmbH, würde eine exorbitant hohe Anzahl an zu erwartenden Forderungen tausender Gläubiger wie Kunden, Gutscheininhaber oder Dienstnehmer fällig werden und eine Liquidiation folgen müssen.

Kurzzeiteigentümer Signa

Der Verkaufserlös der Kika/Leiner-Immobilien hat Signa mehr Geld in die Kassa gespült als die drei Euro schwere Transaktion fürs operative Geschäft. Die Supernova-Gruppe von Frank Albert hat den Immobilienstrang von Kika/Leiner gekauft, gemäß STANDARD-Informationen um 350 Millionen Euro. 

Signa war nur Kurzzeiteigentümer der vor 113 Jahren gegründeten Möbelhausgruppe. Sie hat den Möbelhändler ja erst im Juni 2018 vom südafrikanischen Kurzzeiteigner Steinhoff gekauft, nachdem der von einem Bilanzskandalstrudel erfasst worden war, der das österreichische Möbelgeschäft fast in die Pleite gerissen hatte. Die Südafrikaner hatten die Kette 2013 übernommen, von der Eigentümerfamilie Koch. Herbert Koch war der Schwiegersohn von Rudolf Leiner junior, dessen Vater das Unternehmen in St. Pölten gegründet hatte. St. Pölten ist heute noch der Unternehmenssitz, deswegen ist auch das Gericht in der niederösterreichischen Landeshauptstadt für die Insolvenz zuständig.

Und wie geht es nun weiter? Sobald das Gericht am Dienstag die Insolvenz eröffnet hat, gilt es, den Sanierungsplan abzusegnen, zustimmen muss dem die Mehrheit der Gläubigerinnen und Gläubiger. Aus dem Sanierungsplan, der schon vor Eröffnung der Insolvenz vorgelegt werden muss, lässt sich der vom neuen Eigentümer geplante Weg ablesen. Die wichtigsten Pfeiler dieses Plans hat das Unternehmen ja schon vorige Woche bekanntgegeben: Von den 3.296 Beschäftigten werden rund 1.900 gekündigt, von den 40 Standorten 23 zugesperrt. Im Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung müssen die Gläubiger binnen zweier Jahre mindestens 20 Prozent ihrer Forderungen erfüllt bekommen. Gelingt das nicht, folgt der Konkurs.

Mieteinnahmen für Immo-Firmen

Die Vergangenheit des operativen Geschäfts war tiefrot, mit dem eigentlichen Möbelgeschäft wurden in den vorigen Jahren durchwegs Verluste eingefahren. Im Vorjahr wurden die Kika Möbel-Handelsgesellschaft und die Rudolf Leiner Gesellschaft miteinander verschmolzen, aus ihnen ging die heutige Leiner & Kika Möbelhandel GmbH hervor. Im Geschäftsjahr 2022 wurden Umsätze von 595 Millionen Euro erzielt, der Jahresfehlbetrag belief sich auf 47 Millionen Euro. 

Dafür haben die operativen Gesellschaften ihren Vermietern, eigenen Immobiliengesellschaften der Gruppe, Mieten beziehungsweise Leasingraten bezahlt, laut APA hat das der Kika Immobilien GmbH Ende 2021 einen Bilanzgewinn von 60 Millionen und bei der Leiner Immobilen GmbH einen Bilanzgewinn von 6,6 Millionen Euro gebracht.

Alte Lasten und neue Zuschüsse

In den Augen der Eigentümer liegen die Verlust- und Krisenursachen in unzufriedenstellenden Ergebnissen der von ihren Vorgängern erarbeiteten Sanierungskonzepte. Zudem habe die Pandemie und der Beginn des Ukrainekriegs zu erhöhtem Preisdruck und weniger Kundschaft geführt. Das habe die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung herbeigeführt.

Der neue Eigentümer ist laut eigenem Bekunden bereit, gegebenenfalls das nötige Geld einzuschießen für die Fortführung des Unternehmers, das gelte auch für die neuen Vermieter, also die Supernova-Gruppe. In Aussicht gestellt wird in dem Zusammenhang eine Stundung der Mietzahlungen, sodass Kika/Leiner für die Dauer des Sanierungsverfahrens nur die Betriebskosten zahlen müsste. Voraussetzung dafür wäre aber eine entsprechende Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter.

Finanzprokuratur wird prüfen

Die Tatsache, dass im Sanierungsverfahren die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler draufzahlen und dass sich Verkäuferin Signa bestens abgesichert und de facto keine Haftungen gegenüber dem Käufer des operativen Geschäfts übernommen hat (DER STANDARD hat berichtet), hat nun auch Politik und Gewerkschaft auf den Plan gerufen. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies am Montag in Hinblick auf ein etwaiges Insolvenzverfahren auf die Finanzprokuratur, die man beauftragt habe, die Interessen der Republik wahrzunehmen und zu prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gebe.

Der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, sagte zum STANDARD, man werde unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts die Vorgänge der vergangenen Monate genau anschauen und den Masseverwalter dabei unterstützen. Es gehe darum zu prüfen, ob es Ansprüche gebe, die im Interesse der Gläubiger verfolgt werden müssen. In der "ZiB 2" sagte Peschorn, er gehe davon aus, dass "Sachverhalte festgestellt werden, die eher zu Nachforderungen als zu Rückzahlungen" führen würden. Es gelte insbesondere zu prüfen, ob ab dem Jahr 2018 tatsächlich nachhaltige Sanierungsmaßnahmen gesetzt oder lediglich an Stichtagen Zahlungen zur "Behübschung" der wirtschaftlichen Lage geleistet wurden. 

Zu klären ist aus Sicht von Peschorn, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. Als "auffällig" bezeichnete Peschorn den Umstand, das die beiden Unternehmen Kika und Leiner 2022 rückwirkend auf den Bilanzstichtag 2021 zusammengelegt wurden. Das lasse "Vermutungen aufkommen, warum das passiert ist". Auf Nachfrage des "ZiB 2"-Moderators antwortete Peschorn: "Damit ein Unternehmen noch eine Bilanz erstellen kann." Peschorn vermutet zudem, dass Signa als bisheriger Eigentümer hauptsächlich an Mietentgelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft habe Signa möglicherweise nur als Mittel zum Zweck gesehen.

Gewerkschaft fordert Rückabwicklung

Die Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Barbara Teiber, forderte in einer Aussendung die Rückabwicklung des Deals. Sie ortet einen "Skandal auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler". (Renate Graber, 12.6.2023)