Der Tarraco ist der größte der drei Seat-SUVs. Vier Personen inklusive Reisegepäck steckt er locker weg.
Andreas Stockinger

Es muss ein schlimmes Malaria-Sumpfloch gewesen sein, als Prinz Eugen, der edle Ritter, 1716 endlich die Türken auch aus dem Banat und damit dem gesamten einst ungarischen Territorium rausgeworfen hat und es in der fast menschenleeren, wüsten Region an den Aufbau geht.

Im Banat behaupteten sich die Osmanen etliche Jahre länger als im sonstigen damaligen Ungarn. Ihre Oberhoheit endete erst 1716 mit der Einnahme der Festung Temeswar durch Prinz Eugen von Savoyen – er zog zu seinem Geburtstag im Triumph ein. Im Bild das Reiterstandbild am Heldenplatz.
Andreas Stockinger

Eugens Intimus Claudius Florimund Mercy holt als in der Festung Temeswar residierender Gouverneur Kolonisten von Lothringen und dem Elsass bis Tirol und Kärnten und noch weiter her ins Land, der Bega-Kanal ist der entscheidende Schritt zur Kultivierung, bald wird das Banat zur blühenden Kornkammer, wenngleich das bittere Generationenwort sich eingebrannt hat in die Seelen der Siedler: Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot.

Ökologisch hochgradig korrekt, zog das Gros der Kolonisten mit Ulmer Schachteln die Donau abwärts in die neue Heimat. Hier ein authentischer Nachbau in Frankenstadt (Baja).
Andreeas Stockinger

Andere Zeiten, andere Sitten: Heute wäre das schwer möglich, ein Sumpf-Biotop sollte tunlichst nicht angetastet werden. Aber das ist eine andere Geschichte. Die hier handelt vom Banat und von Temeswar, mit coronabedingter zweijähriger Verspätung Kulturhauptstadt Europas, ein Titel, mit dem sich heuer auch Weißbrünn (Veszprém) in Ungarn und Eleusis (Elefsina) in Hellas schmücken dürfen.

Das zum Einsatz kommende Reisemobil ist ein Seat Tarraco 1,5 TSI DSG, Ausstattungslinie Xperience, Kostenpunkt: 44.404 Euro, inklusive Extras 49.410. Mit der 150-PS-Maschine ist der 4,74-Meter-Fronttriebler wacker motorisiert, unten erstaunlich spritzig, oben nicht mehr ganz so sehr, und das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe hilft auf der Langstrecke beim Entspannen.

Der geräumige Kofferraum des auch insgesamt praktisch veranlagten Tarracos hat ein Fassungsvolumen von 760 bis 1920 Litern.
Andreas Stockinger

Das Reisezeugs für vier Insassen ist verstaut, auch die Regenausrüstung wegen der Wetterprognose, der Tarraco lächelt milde, was denn, das ist alles? Abwarten, es wird schon mehr werden, ein paar Kartons mit Wein aus Wieland (Villány) nahe Fünfkirchen zum Beispiel kommen im Laufe der Reise hinzu. Der Spritverbrauch auf der Gesamtstrecke pendelt sich auf zwei Liter gradaus ein – je Person gerechnet, sprich: achte insgesamt. Bei den vielen Autobahnkilometern ein durchaus respektabler Wert.

Im Weinstädchen Wieland (Villány) südlich von Fünfkirchen werden auf der Rückfahrt etliche Kartons Wein aufgenommen. Kein Problem für den Kofferraum.
Andreas Stockinger

Angelegt ist die kulturhistorische Tour in zwei Etappen: Zwischenstopp bei Hin- und Rückfahrt jeweils in Fünfkirchen (Kulturhauptstadt 2010), dazu einzelne Stationen auf dem Weg zum Zielort, wie Szegedin (grandios!), Arad (Prinz-Eugen-Festung!) und nahebei der Wallfahrtsort Maria Radna an der Marosch, ein ehemaliges Franziskanerkloster. Wir erinnern uns, historische Grenzen des Banats: Marosch im Norden, Theiß im Westen, Donau im Süden, Südkarpaten im Osten.

Das einstige Franziskanerkloster Maria Radna ist heute der bedeutendste römisch-katholische Wallfahrtsort der Diözese Temeswar und entsprechend frequentiert an Sonn- und Feiertagen.
Andreas Stockinger

In der liebevoll restaurierten barocken Kirche werden Messen in sieben Sprachen gelesen. Zur Zeit unserer Visite kommt auf dem Parkplatz auch ein VW California aus Wiesbaden an. "Weit weg von daheim", spreche ich den jungen Fahrer und seine Frau an. "Ja – und nein: Die Großeltern wollen noch einmal ihre Heimat sehen. Beginnen möchten sie hier, an diesem Marienwallfahrtsort."

Damit jetzt aber runter nach Temeswar. Am Grenzübergang Ungarn-Rumänien hatten wir eh schon Zeit liegen lassen, in die Gegenrichtung dabei einen gigantischen Lkw-Stau beobachtet, 20, 25 Kilometer lang, und beziehen Quartier in der Stadt.

Übersichtlicher Arbeitsplatz im Tarraco. Das Gestühl ist ausgesprochen komfortabel und damit langstreckengeeignet.
Andreas Stockinger

Wer mit dem Auto anreist wie wir – bisher und weiterhin zeigt sich der Tarraco auch dank seiner hochkomfortablen Sitze als ideales Reisegefährt –, sollte einkalkulieren: Zu den Stoßzeiten staut es gern und viel in der Stadt und auf den Einfallstraßen. Und: Der Fahrzeugbestand unterscheidet sich kaum von jenem in Österreich, bis auf den Umstand, dass man keine Elektrofahrzeuge sieht.

Dafür, erläutert Ramona Lambing nächsten Tages auf dem Weg ins Zentrum, gebe es eine andere Form alternativer Mobilität: Unten am Bega-Kanal liegen ein paar Schiffe. Um einen Bettel befördern die einen von Anlegestelle zu Anlegestelle, aber etwas Zeit sollte man mitbringen. Entschleunigen im Wasserbus ...

Die orthodoxe Kathedrale der Heiligen drei Hierarchen wurde erst im Kriegsjahr 1940 fertiggestellt, ein Machtsignum "Großrumäniens" in diesem dem Lande nach dem 1. Weltkrieg zugesprochenen Gebiet.
Andreas Stockinger

Die ebenso sympathische wie versierte Rumänienreisespezialistin bringt uns mit Walter Kindl zusammen, unter anderem Domkapellmeister, eine geist- und witzsprühende Koryphäe, ein Mann von stupendem Wissen, 80 Jahre jung. Davor geleitet sie uns noch von der orthodoxen Kathedrale die Promenade rüber zum Siegesplatz.

Das Nationaltheater und Opernhaus (rechts), einst Franz-Joseph-Theater, und der Platz davor waren 1989 Ausgangspunkt der Rumänischen Revolution. Eine besuchenswerte kleine Gedenkstätte widmet sich der Aufarbeitung dieser Tage.
Andreas Stockinger

Das dortige Nationaltheater (einst Franz-Joseph-Theater, ein Helmer-Fellner-Bau) und Opernhaus, das neben dem Rumänischen auch das Deutsche und Ungarische Staatstheater beherbergt, war 1989 Ausgangspunkt der Rumänischen Revolution, die das kommunistische Ceausescu-Regime hinwegfegte. Zum Gedächtnis wurde der Mittelrisalit der Gebäudefront bombastisch umgestaltet.

1989 jedenfalls, "als die Redner auf der Tribüne verstummten, drehten sich die Menschen um 180 Grad in Richtung Kathedrale um, gingen in die Knie und sprachen das Vaterunser. Ich bekomme heute noch Gänsehaut bei der Erinnerung", schildert Lambing bewegt, drückt verstohlen eine Zähre aus dem Augenwinkel und stellt uns dem Herrn Professor vor.

Der Platz der Vereinigung ist fraglos der schönste in Temeswar, der Dom zum Heiligen Georg – nach der Kathedrale von Großwardein (Oradea) der zweitgrößte barocke Sakralbau in Südosteuropa – wurde von Fischer von Erlach geplant.
Andreas Stockinger

Selten eine so profunde Führung erlebt. Der Stadtrundgang innerhalb der ehemaligen Festungsmauern endet auf dem Platz der Vereinigung, der "guten Stube" Temeswars, spätestens hier wird das Attribut "Klein-Wien" verständlich. Vieles ist schmuck restauriert und kann sich sehen lassen, aber noch mehr an historischer altösterreichischer Baulichkeit harrt dringend der Instandsetzung. An dem verwahrlosten, hoffentlich bald wieder zu altem Glanz erstehenden Palais Löffler aus der Gründerzeit, schräg gegenüber dem Nationaltheater, sind noch die Einschuss-Spuren der Revolution zu sehen.

Von Barock bis Jugendstil und Art Deco ist alles in der diesjährigen Kulturhauptstadt vertreten, unschwer zu erraten, warum sie den Beinamen "Klein-Wien" trägt.
Andreas Stockinger

Der aus Deutschland stammende Dominic Fritz, seit Ende 2020 Bürgermeister Temeswars, setzt auf Nachhaltigkeit bei der Restaurierungstätigkeit, auf sukzessiven Aufbau in der heute drittgrößten Stadt Rumäniens, das (Kulturhauptstadt-)Geld sollte nicht auf einmal "verbraten" werden. Löblicher Ansatz, man darf nur hoffen, dass die Rechnung aufgeht.

Es ist eine quirlig-lebendige Stadt, mit reichlich Cafés, Restaurants – gerne labten wir uns zum Beispiel in der Beraria (Kindl: „Causae sunt quinque bibendi!“) in einem der wenigen erhalten gebliebenen Teile der Festungsmauern – und Architektur von Barock bis Jugendstil und Art déco.

Lukullisch empfehlenswert ist etwa die "Beraria 700", untergebracht in einer noch erhaltenen alten Bastion. Um die Erinnerung an die Vorgeschichte der Festung zu tilgen, hatte Ceausescu einen Großteil der einst innerhalb der Stadtmauern liegenden österreichischen Militärgebäude schleifen lassen.
Andreas Stockinger

Ständig grüßen den Herrn Kindl einstige Studenten, wechseln ehrerbietig ein paar warme Worte mit ihm. Zu guter Letzt führt er uns noch in seine langjährige Wirkstätte, den barocken, von niemand Geringerem als Fischer von Erlach entworfenen Dom, und macht uns bekannt mit seinem Lebenswerk, der Domorgel.

Ist die Kulturhauptstadt einen Besuch wert? Unbedingt, auch wegen des grandiosen begleitenden Veranstaltungsprogramms. Und die ganze Region, das Banat. Leider schaffen wir das Bergland – geplant waren noch Steierdorf (1773 durch Ansiedler aus der Steiermark und dem Salzkammergut gegründet; rumänisch Anina) und Deutsch-Orawitz (Oravita) – sowie den zu Habsburgs Zeiten mondäne Kurort Herkulesbad (Baile Herculane) nicht mehr. Ein andermal dann.

Herkulesbad (Baile Herculane) ist heute völlig devastiert, war in Monarchie-Zeiten aber eine mondäne Adresse. Zu den Besuchern zählten unter anderem Kaiser Franz Joseph und Elisabeth. Herbert Rosendorfer brachte 1985 ein wunderbar skurriles Herkulesbad-Büchlein heraus.
Wikipedia

Und übrigens: Mit Herta Müller und Stefan Hell hat Temeswar zwei Nobelpreisträger hervorgebracht, beide Schüler des Nikolaus-Lenau-Gymnasiums. Für den Besuch des Geburtshauses des Namensgebers in Lenauheim braucht man aber starke Nerven. So was von verwahrlost außen. Es gilt die letzte Strophe seines Gedichtes Einst und jetzt:

Blumen fort und Nachtigallen
Und das gute Mädchen auch!
Meine Jugend fort mit ihnen;
Alles wie ein Frühlingshauch!
enau-Denkmal vor dem Rathaus in Lenauheim. In diesem Ort kam der Dichter 1802 zur Welt. Wenige Kilometer entfernt wäre noch das einstige Atelier des Malers Stefan Jäger (1877 bis 1962), heute Museum, in Hatzfeld (Jimbolia) einen Besuch wert.
Andreas Stockinger

Und auch wir müssen fort. Leider. Der Tarraco, der bringt uns sicher und sanft zurück nach Hause. Jaja, schlaft ihr nur da hinten ... (Andreas Stockinger, 12.6.2023)

Der 1400 war der erste Seat überhaupt, er wurde in CKD- Bauweise in Spanien montiert und basierte auf dem Fiat 1400. Das war 1953 – die nunmehrige VW-Tochter ist heuer also 70 Jahre alt.
Werk
Als alle Autowelt schon auf SUVs setzte, musste Seat noch eine Durststrecke überwinden. Ein Versuch, wenigstens mit SUV-Attributen zu punkten, war der hochgebockte Altea Freetrack von 2007.
Werk
2016 und einige rote Geschäftsjahre später war es so weit, mit dem Ateca nahm Seat den ersten echten SUV ins Programm, gefolgt vom kleineren Arona (2017) und dem größeren Tarraco (2018).
Werk
Gebaut wird Seats SUV-Flaggschiff Tarraco aber nicht in Spanien, sondern in Wolfsburg, wo er gemeinsam mit dem Schwestermodell VW Tiguan Allspace vom Band läuft. Das Škoda-Pendant heißt Kodiaq.
Werk