Endometriose, Medikamente, anatomisches Bild eines Unterleibs
Die Erkrankung Endometriose geht meist mit starken Schmerzen einher und beeinflusst sowohl die Fruchtbarkeit wie auch die Lebensqualität negativ. Trotz Millionen Betroffener rund um den Globus gibt es etliche offene Fragen um das Leiden.
Illustration: Fatih Aydogdu

Jahrelang wusste Katja nicht, was mit ihrem Körper los war. Jeden Monat, wenn ihre Menstruation einsetzte, krümmte sich die heute 39-Jährige unter entsetzlichen Schmerzen. Die einzige Hilfe waren starke Schmerzmittel, denn über Jahre hinweg klapperte Katja erfolglos die Praxen von Ärztinnen und Ärzten ab, um die Ursache der wiederkehrenden Qualen zu ergründen. Oft hörte sie, dass sie sich nicht so anstellen solle, dass Regelschmerzen doch normal seien. Beinahe acht Jahre dauerte der Spießrutenlauf der jungen Frau.

Schließlich fand sie eine Gynäkologin, die ihr Leiden benennen konnte: Endometriose. Dabei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb des Uterus - meist im unteren Bauchraum - vorkommt. Wie die Schleimhaut der Gebärmutter reagiert dieses Gewebe auf die hormonellen Veränderungen während des monatlichen Zyklus und kann unter diesem Einfluss stark schmerzen und teils auch bluten. Endometriose geht oft mit Unfruchtbarkeit und Depression einher und schränkt die Lebensqualität massiv ein. 

Diagnose ist nicht Heilung

Obwohl mit der Diagnose per se keine Besserung verbunden war, atmete Katja auf. "Ich wusste endlich, warum ich so starke Schmerzen habe, und auch, dass ich nicht überempfindlich bin", erzählt sie. Katja heißt eigentlich anders, doch ihren Namen möchte sie nicht nennen. Zu schwer wiegt bei ihr die Angst, als schwach abgestempelt zu werden oder sich künftige Jobchancen zu verbauen. "Wer würde mich schon einstellen, wenn feststeht, dass ich einmal im Monat wegen der Schmerzen Krankenstand brauche?"

Katjas Geschichte steht beispielhaft für jene Millionen anderer Menschen. Laut Schätzungen leiden allein in Österreich bis zu 300.000 Personen an Endometriose. Weltweit sind mindestens 190 Millionen Menschen betroffen, schätzt die WHO. Die Dunkelziffer dürfte hierzulande wie auch global allerdings höher liegen. Denn die Erkrankung gleicht einem medizinischen Chamäleon, konstatieren Fachleute. So ist selbst die tatsächliche Prävalenz der Endometriose ungewiss.

Gründe sind der Mangel an verlässlichen nichtoperativen Diagnosemethoden, die Möglichkeit von lediglich mikroskopisch nachweisbaren Endometrioseherden und der Umstand, dass viele Betroffene asymptomatisch sind. So wird Endometriose selten sofort erkannt, Fehldiagnosen sind häufig. Die Ursachen der Krankheit sind bis dato ungeklärt, wobei ein nun ein japanisches Forschungsteam aufhorchen ließ, das auf einen möglichen Auslöser des Leidens gestoßen ist. Wie die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Fachblatt "Science Translational Medicine" schreiben, könnten Fusobakterien der Endometriose zugrunde liegen.

In einer Gruppe von 155 Frauen wies das Team bei 64 Prozent der Patientinnen mit Endometriose Fusobakterien in der Gebärmutterschleimhat nach. Bei den Frauen ohne Endometriose konnten die Bakterien bei weniger als zehn Prozent festgestellt werden. Ob die Bakterien Ursache, Folge oder Nebenerscheinung der Krankheit sind, muss jedoch weiter erforscht werden. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter betonen, dass es sich bei ihren Beobachtungen lediglich um eine Korrelation zwischen Bakterium und Krankheit handelt, eine Kausalität sei nicht gegeben.

Erschöpfte Frau
Neben heftigen Schmerzen, die meist nur mit starken Medikamenten in den Griff zu bekommen sind, geht die Erkrankung Endometriose auch mit Depressionen einher. Viele Betroffene fühlen sich auch vom medizinischen System alleine gelassen.
IMAGO/Yosuke Tanaka/AFLO

Männlich dominierte Forschung

"Im Gesundheitsbereich sehen wir, dass Krankheiten, die mit Menstruation zu tun haben, in der medizinischen Forschung und Praxis vernachlässigt werden", attestiert Inga Winkler von der Central European University. "Fast alle Patient:innen mit Endometriose erzählen, dass sie mehrere Ärzt:innen aufsuchen müssen und häufig nicht ernst genommen werden, bevor sie überhaupt eine Diagnose erhalten", sagt sie. Im Schnitt warten Betroffene 7,5 bis neun Jahre auf eine Diagnose.

Für manche Arten der Endometriose existieren verlässliche nichtinvasive Diagnosemethoden. So können Endometriosezysten (Endometriome) und die tief-infiltrierende Endometriose (TIE) mittels Ultraschall und MRT mit hoher Verlässlichkeit nachgewiesen werden. Allerdings klappt das - so mahnen Fachleute - nur mit entsprechend ausgebildetem Personal. Andernfalls sei die Testqualität zu schlecht.

Bei der oberflächlichen peritonealen Endometriose stoßen bildgebende Verfahren jedoch an ihre Grenzen. Zur Abklärung braucht es eine Bauchspiegelung, die sogenannte Laparoskopie, wobei laufend neue Ideen für die Diagnose aufkommen. Bisher getestete Biomarker oder Biomarker-Kombinationen zur Erkennung von peritonealer Endometriose zeigen noch keine ausreichende Verlässlichkeit für eine nichtinvasive Diagnose.

Bestehende Behandlungen konzentrieren sich vor allem auf die Linderung der Symptome. Infrage kommen die operative Entfernung der Endometrioseherde, die Anwendung von hormonellen Präparaten wie Antibabypille oder Hormonspirale oder die regelmäßige Einnahme starker Schmerzmittel. Zu einer Heilung führt keiner dieser Ansätze.

Für Hilfe auf Instagram

Zwar gelingen der Forschung immer wieder kleine Schritte vorwärts, doch hapert es an der Übersetzung in die medizinische Praxis, beanstanden Studien. Vermeintliche wissenschaftliche Durchbrüche sind darüber hinaus mit Vorsicht zu genießen. Bislang entpuppten sich Sensationsmeldungen, die bei Betroffenen Hoffnung weckten, häufig als verfrühte Euphorie. So auch ein kürzlich vorgestellter Speicheltest, der vom Hersteller als schnelle und treffsichere Diagnosemethode beworben wird. Expertinnen und Experten beäugen diese Neuerung noch kritisch: Die Wirksamkeitsbelege stützen sich auf nur eine Studie mit kleiner Teilnehmerinnenzahl, für eine endgültige Beurteilung sei es zu früh.

Mit dem Gefühl, im Stich gelassen zu werden, suchen viele Betroffene Hilfe, aber auch Zuspruch und Austausch in sozialen Medien. Instagram und Facebook erfreuen sich besonderer Beliebtheit, wobei auch hier teils Unwahrheiten kursieren und fragwürdige Ratschläge ge- und erteilt werden. Studien zeigen, dass viele Informationen im virtuellen Raum unvollständig oder missverständlich sind. Nichtsdestotrotz ergaben Untersuchungen auch, dass Menschen mit Endometriose stark auf das Internet als Wissensquelle setzen. Im Jahr 2018 war "What is endometriosis?" überdies die dritthäufigste gesundheitsbezogene Google-Anfrage.

Frau hält Sanduhr
Bis zur Diagnose vergehen bei Betroffenen von Endometriose im Durchschnitt 7,5 Jahre, während derer sie häufig mehrere Ärztinnen und Ärzte aufsuchen.
Imago Images/Westend61

Dass die Erkrankung mangelhaft erforscht ist und in der Bevölkerung wenig Wissen dazu besteht, führen Fachleute auf eine Kombination aus Tabus um die Regelblutung, der Stigmatisierung chronischer Schmerzen und gesellschaftlich verwurzelten Sexismen zurück. Denn noch immer ranken sich Irrtümer und Vorurteile um die Erkrankung, deren Wurzeln teils weit in die Geschichte zurückreichen.

So gaben Ärzte bereits um 400 v. Chr. Frauen mit Unterleibsschmerzen die Schuld für die Symptome, deren Ursache sie etwa in fehlender Moral verorteten. Bei vielen später gestellten Hysteriediagnosen dürfte es sich um Endometriose gehandelt haben, schreibt der Chirurg David Redwine im Buch "Googling Endometriosis". Zwischen 1948 und 1990 beschrieben Medizinbücher Endometriose als Karrierefrauenleiden, das auftritt, wenn frau zu lange keine Kinder zur Welt bringt.

Forschungsgeld aufstocken

Die Vernachlässigung der oft als zweithäufigstes gynäkologisches Leiden beschriebenen Erkrankung spiegelt sich auch in nationalen Forschungsbudgets wider: Während die USA 2019 über 1,1 Milliarden Dollar für die Diabetesforschung ausgaben, flossen 13 Millionen in die Endometrioseforschung. Diabetes betrifft in den Vereinigten Staaten rund doppelt so viele Menschen wie Endometriose, das designierte Forschungsbudget ist allerdings rund 85-mal höher. Kritische Stimmen bemängeln dieses Missverhältnis weltweit, mancherorts fielen die Aufrufe auf fruchtbaren Boden.

Im November 2022 beschloss der Deutsche Bundestag, fünf Millionen Euro für die Erforschung der Erkrankung zur Verfügung zu stellen. Auch in Österreich scheint sich der politische Blick für die Thematik zu schärfen. Im Dezember 2022 entschied der Nationalrat, landesweit die Menstruationsgesundheit - inklusive Erscheinungen wie Endometriose - zu erheben. Kurz zuvor ging im Wissenschaftsausschuss ein Antrag zur Förderung der Erforschung von Endometriose ein.

Als Vorbilder im Umgang mit der Erkrankung können Länder wie Australien oder Frankreich dienen. Ersteres etablierte bereits 2018 einen nationalen Aktionsplan, bis 2021 flossen dann 22,5 Millionen Dollar in Bereiche wie Forschung und Aufklärung. Frankreich hat im vergangenen Jahr einen nationalen Strategieplan vorgelegt, der bis zu 30 Millionen Euro für entsprechende Forschung vorsieht. Darüber hinaus soll auch die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Thema verbessert werden. Letzteres hat neben einer besseren Wissenschaftsförderung einen besonderen Stellenwert. Durch die Sensibilisierung der Gesellschaft für Endometriose könnte es gelingen, dass Betroffene nicht nur online Zuspruch und Verständnis für ihre Erkrankung finden. (Marlene Erhart, 24.6.2023)