Notaufnahme Ottakring
In der Zentralen Notaufnahme der Klinik Ottakring soll am 30. Juni ein einstündiger Warnstreik abgehalten werden.
DER STANDARD / Heribert Corn

Wien – Eine Streikdrohung aufgrund der Personalmisere in den städtischen Wiener Krankenhäusern stand bereits seit längerem im Raum. Nun gibt es konkrete Details. "Am 30. Juni wird es zwischen 10 und 11 Uhr zu einem Warnstreik des ärztlichen Personals der Zentralen Notaufnahme der Klinik Ottakring kommen", sagte Severin Ehrengruber am Mittwoch. Ehrengruber ist ein Sprecher des Streikkomitees. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen könnten Zustände, die Patientinnen und Patienten gefährden, "nicht ausgeschlossen werden". Befürchtet wird, dass es aufgrund weiterer personeller Abgänge zu einer weiteren Zuspitzung der Lage in der Notaufnahme komme. Laut Ehrengruber gebe es in der Klinik Ottakring  doppelt so viele Rettungsanfahrten als in einem anderen großen Spital in Wien – "bei gleichzeitig der Hälfte an Pflegedienstposten".

Das Team in Ottakring habe mehrmals auf die Missstände in der Notaufnahme hingewiesen, sagte Aglaia Kotal, die zweite Sprecherin des Streikkomitees. "Weder die Generaldirektion noch die Gemeindepolitik haben uns spürbar bei unserer Arbeit unterstützt, und bis heute hat keine maßgebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen stattgefunden."

Die Ärztinnen und Ärzte der Zentralen Notaufnahme in der Wiener Klinik Ottakring haben auch ein Video aufnehmen, in dem sie die Gründe für ihren Warnstreik offenlegen.
Ärztinnen und Ärzte der Wiener Klinik Ottakring, Video, Twitter

Mehr Personal und Geld gefordert

Gefordert werden mindestens 20 Prozent mehr ärztliches Personal für die Abteilung – und mehr Geld: Die Zulage für die Dienste in der Zentralen Notaufnahme soll deutlich angehoben werden. Außerdem wird auf eine faire Verteilung der Rettungszufahrten sowie auf bessere Infrastruktur, etwa mehr Ultraschallgeräte, gepocht. Das Pflegepersonal selbst ist nicht Teil des Ärztewarnstreiks: Es gebe vonseiten des Pflegepersonals aber Solidarität, dieses würde sich laut den Ärzten in Ottakring "mit einem eigens entwickelten Forderungskatalog ebenfalls an den Arbeitgeber wenden". Ein Streik ist hier vorerst aber demnach nicht angedacht. Um den einstündigen Warnstreik durchführen zu können, werde eine Rettungssperre für die Klinik Ottakring beantragt. Die Akut- und Notfallversorgung sei während des einstündigen Streiks damit sichergestellt.

Bereits Ende vergangenen Jahres hielt das Personal von sechs Wiener Ordensspitälern einen Warnstreik ab. Auch hier war der Engpass im Gesundheitssystem Auslöser für die Aktion, gefordert wurde eine "nachhaltige" Gehaltserhöhung. Diese Streiks wurden von der Gewerkschaft vida unterstützt. Beim Warnstreik in der Klinik Ottakring ist das derzeit jedoch nicht der Fall: Man habe zwar Verständnis für die Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, hieß es Anfang Juni in einer Aussendung der Younion (Team Gesundheit). Ein Streik sei aber noch nicht angebracht. Verwiesen wurde auf laufende Verhandlungen mit der Stadt Wien und dem Vorstand des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev). "Im Gegensatz zu anderen Ländern ist es nicht notwendig, zuerst zu streiken, um überhaupt gehört oder ernst genommen zu werden."

Ärztekammer fordert auf, weitere Streikbeschlüsse zu fassen

Der symbolische einstündige Warnstreik in der Klinik Ottakring ist vorerst auch der einzige, der in den städtischen Spitälern angekündigt wurde. Die Wiener Ärztekammer, die sich mit der Streikbewegung solidarisiert, rechnet aber mit weiteren Aktionen. "Der Warnstreik an der Klinik Ottakring ist erst der Anfang", sagte der geschäftsführende Vizepräsident Stefan Ferenci. Die Kammer sichere den Ärztinnen und Ärzten "jegliche Rechtsunterstützung" zu. Für diesen Zweck seien von der Wiener Ärztekammer bis zu drei Millionen Euro beschlossen worden. Ferenci bedankte sich beim Streikteam in Ottakring, "das sich dankenswerterweise als erste Abteilung aus der Deckung gewagt" habe. Er forderte aber auch alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Wiener Spitälern auf, "sich der Streikbewegung anzuschließen, sich solidarisch zu zeigen und Ihr Schicksal nun ebenfalls selbst in die Hand zu nehmen".

In einer internen E-Mail an alle angestellten Ärztinnen und Ärzte in Wien wird die Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer noch konkreter. Jetzt liege es an "uns allen, dass dem Streik der ZNA-Ottakring weitere Abteilungen folgen", heißt es. Die Kolleginnen und Kollegen werden auch aufgefordert, sich auf den jeweiligen Abteilungen zu organisieren und "selbst Streikbeschlüsse auf Abteilungs- und Hausebene zu fällen".

Dass sich die Ärztinnen und Ärzte der Zentralen Notaufnahme in der Klinik Ottakring für einen Warnstreik ausgesprochen haben, hat eine längere Vorgeschichte: So wurde in einer Gefährdungsanzeige vom April 2023 gewarnt, dass wegen des Personalmangels ein temporärer Ausfall der Zentralen Notaufnahme im Sommer bevorstehe. Verfasst wurde die Gefährdungsanzeige an den Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) von Oberärztinnen und Oberärzten. Im Wigev wurde auf STANDARD-Anfrage damals ein Personalengpass eingeräumt. Ein Ausfall der ZNA Ottakring stehe aber "nicht zur Diskussion", hieß es in einer Stellungnahme.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ging im Gespräch mit der APA nicht direkt auf den Warnstreik ein. Er versicherte aber, dass man mit den Ärztinnen und Ärzten im laufenden Kontakt sei. "Uns ist auch bewusst, dass es Maßnahmen im gesamten Gesundheitswesen geben muss." Bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen müsste es gelingen, dass Spitalserhalter mehr Mittel erhalten. Es sei nötig, alle Gesundheitsberufe im Auge zu haben, sagte der Stadtchef. Mit den Gewerkschaften sei man im Dialog.

Der Wigev zeigte sich über die Ankündigung zum Warnstreik verwundert. "Eine Streikankündigung seitens der Personalvertretung ist uns weder bekannt, noch liegt uns eine vor", hieß es in einer Stellungnahme. Streiks könnten nur von der Gewerkschaft oder der Personalvertretung durchgeführt werden. Eine temporäre Sperre der Rettungszufahrt in der Klinik Ottakring werde es nicht geben, weil man damit das Personal in den anderen Kliniken stark belasten würde.

Chaos in der Ärztekammer

In der Wiener Ärztekammer herrscht aktuell jedenfalls weiterhin Chaos: Bei der Vollversammlung am Dienstag erklärten gleich 12 der 26 Mandatare der ÖVP-nahen "Vereinigung" rund um Präsident Johannes Steinhart ihren Austritt. Sie werden mit Vizepräsident Erik Randall Huber eine eigene Fraktion bilden, bestätigte Huber dem STANDARD. Hintergrund ist der Streit rund um Malversationen bei der einstigen Kammer-Tochterfirma Equip4Ordi. Steinhart, der sich aktuell im Krankenstand befindet, soll die Aufklärung nicht vorantreiben.

Huber verwies darauf, dass er der ÖVP-nahen "Vereinigung" 20 Jahre lang angehört hatte. Er habe versucht, die Fraktion von innen heraus zu verändern. "Das ist mir nicht gelungen." In der Ärztekammer mehren sich nun die Stimmen, dass die Kammer-Koalition mit den Fraktionsaustritten nicht mehr arbeitsfähig sei, da diese nun über keine Mehrheit mehr verfüge. Huber versicherte hingegen, weiterhin mitstimmen zu wollen. (David Krutzler, 14.6.2023)