Es ist ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte: Am Donnerstag geht ein breites Bündnis von Lehrkräften und Bildungsinitiativen auf die Straße. Sie prangern lausige Arbeitsbedingungen und mangelnde Inklusion im Schulwesen an – und das über ideologische Grenzen hinweg, wie die Initiatoren betonen. Wirklich weh wird das um 17 Uhr niemandem tun. Doch all das sei erst der Anfang. Es liegt so etwas wie Streik in der Luft.

Nachvollziehbar wäre es. Denn das Schulsystem krankt im wahrsten Sinne – und das nicht erst seit gestern. Sowohl Schüler als auch Lehrerinnen leiden zunehmend unter psychischen Belastungen, die Burnout-Quote ist im Lehrerberuf massiv. Woher das rührt, liegt auf der Hand: Personalmangel.

Ein breites Bündnis demonstriert für eine bessere Schule.
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Gerade im Pflichtschulbereich jagt eine Supplierstunde die nächste. Die Überstunden betrugen 2021/22 sechs Millionen. Dazu kommt eine Fülle an administrativen und bürokratischen Aufgaben – die Zeit mit den Kindern bleibt für viele Lehrer auf der Strecke. Es ist ein System zum Krankwerden.

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hat also nicht ganz unrecht, wenn er die Personalnot als "die größte Herausforderung" der Zukunft bezeichnet – welcher er sein volles Augenmerk schenkt. Doch dabei täuscht er darüber hinweg, dass der Lehrermangel auch ein Symptom ist. Ein Symptom eines kaputten, eines aus der Zeit gefallenen Schulsystems, das Schüler wie auch Lehrkräfte ihrer Möglichkeiten beraubt.

Defizitbekämpfung

Denn statt Lehrpläne zu entrümpeln, wurden sie letztes Jahr überfrachtet. Statt auf multiprofessionelle Teams an Schulen zu setzen, werden Lehrer alleingelassen. Die Defizitbekämpfung ist immer noch wichtiger als ein gezieltes Fördern von Talenten. Angesichts dieser Umstände ist es auch kein Wunder, dass immer mehr Schüler die Schule abbrechen. Was kann sie ihnen noch bieten?

Doch dieser Missstand wird genauso ignoriert wie die Tatsache, dass Österreich immer noch ein Land der Erben ist – der Bildungserben. In kaum einem EU-Land hängen der Bildungserfolg und der spätere berufliche und finanzielle Aufstieg so stark vom Elternhaus ab wie in Österreich – also davon, ob die Eltern Akademiker oder Arbeiter sind. Das System der Halbtagsschule belohnt jene ohnehin privilegierten Schüler, die Eltern mit Geld, Zeit und entsprechender Bildung haben, um den Nachwuchs zu fördern.

Diese Ungerechtigkeit wird schon früh zementiert: mit zehn Jahren. Dann wechseln diese "guten" Kinder in AHS-Unterstufen, während die "weniger Guten" in die Mittelschulen kommen. Ein absurdes Selektieren, das für Fachleute viel zu früh kommt. Doch anstatt sich zu überlegen, wie eine qualitativ hochwertige Gesamtschule aussehen könnte, wird diese, allen voran von der ÖVP, als "Gleichmacherei" abgetan.

Deren Auslesefetisch zeigt sich auch bei Kindern mit Behinderung oder jenen, die noch nicht gut genug Deutsch können – und bar jeglicher Evidenz in ineffektive Deutschförderklassen gesteckt werden. Es ist mehr als zynisch, dass gerade diesen Gruppen, die am meisten Förderung benötigen würden, diese verwehrt bleibt. Einen Rechtsanspruch auf ein elftes und zwölftes Schuljahr haben Kinder mit Behinderung immer noch nicht.

All das ist für ein Land, das für Bildung mehr als der nordische Bildungsprimus Finnland ausgibt, eine Schande. Dafür lohnt es sich, auf die Straße zu gehen. (Elisa Tomaselli, 15.6.2023)