Lisa Maria Berger (34) designt bei der Firma AVL Antriebssysteme, die mit Wasserstoff betrieben werden. Welche Erfahrungen sammelte sie in dieser Branche – meist als einzige Frau? Und was würde sie Mädchen empfehlen, die einen ähnlichen Berufsweg einschlagen wollen?
AVL

"Heute bin ich zum ersten Mal in meinem Leben dort, wo ich immer sein wollte. Zum ersten Mal strebe ich nicht nach einem ganz bestimmten Ziel, sondern bin angekommen. Und das fühlt sich gut an. Ich bin nun Design-Managerin bei AVL in Graz, einem Mobilitäts- und Technologieunternehmen. Ich entwickle und realisiere Antriebssysteme, genauer Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Was das ist, dazu später mehr. Es war kein einfacher Weg bis zu dieser beruflichen Situation.

Ich habe schon immer den Wunsch gehabt, finanziell unabhängig zu sein, mein eigenes Einkommen zu haben und nicht von einem Partner oder sonst jemandem abhängig zu sein. Geld zu verdienen war somit ein Antriebsfaktor für die Wahl meines Ausbildungsweges. Und ich habe immer das gemacht, was mir am meisten Spaß bereitet hat.

Wie das Feuer entfacht wurde

Ich saß in der Mittelschule, die damals noch Hauptschule hieß, im Unterricht für geometrisches Zeichnen. Es war ein Wahlfach, und ich merkte: Ich liebe es über alles. Dort habe ich meine Leidenschaft für Technik entdeckt, und seitdem wuchs der Wunsch in mir, in dieser Richtung zu arbeiten.

Ich bin nie besonders gern in die Schule gegangen und war auch nie eine Einser-Schülerin. Aber ich hatte schon immer Ziele und wollte mehr. Deshalb machte ich noch die Berufsreifeprüfung, ging in die HTL Bulme in Graz und holte die Allgemeine Hochschulreife in einem Abendgymnasium nach.

Lehre verschaffte einen Vorteil

Ein Studium konnte ich mir aufgrund des Geldes nicht leisten, deshalb entschied ich mich für eine Lehre in der Werkzeugbautechnik bei Magna. In jener Zeit entdeckte ich mein Interesse für Motoren. Erst jetzt merke ich, dass ich mir in dieser Lehre ein großes Spektrum an fachlichem Wissen aneignete und dadurch einen Vorteil habe. Denn Personen, die nur auf der Universität waren, fehlt dieses Praxiswissen oft.

In der Lehrzeit habe ich noch etwas gelernt: Wegzustecken ist wichtig, um in einem Arbeitsumfeld zurechtzukommen, in dem oft ein rauer Ton herrscht. Ich legte mir ein dickes Fell zu. Das schützt mich noch heute, vor allem wenn Männer mich als weniger kompetent einschätzen, als ich es bin. Meistens nehmen diese mich erst als ihnen ebenbürtig wahr, wenn ich einen akademischen Grad mehr habe als sie. Das ist schwierig, denn in dieser Branche arbeiten einfach überwiegend Männer.

Als einzige Frau unter Männern

Ich beobachte auch, dass ich entscheidungs- und risikofreudiger bin als viele Männer, mit denen ich am Tisch sitze. Ich denke, das liegt daran, dass diese sich sehr darum bemühen, gute Arbeit zu leisten und nicht negativ aufzufallen oder überhaupt aufzufallen. Ich dagegen falle sowieso immer auf, denn ich bin meistens die einzige Frau im Raum. Deshalb habe ich nichts zu verlieren. Wenn schon auffallen, dann richtig. Und falls ich einmal eine falsche Entscheidung getroffen haben sollte, entschuldige ich mich eben, und weiter geht’s.

Aber zurück zu meinem Berufsweg: Nach der Lehre ging ich ein Jahr als Au-pair in die USA. Ein Auslandsjahr kann ich wirklich jeder und jedem wärmstens empfehlen. Nicht nur meine Englischkenntnisse verbesserten sich, sondern auch mein Selbstbewusstsein und meine Eigenständigkeit.

Wasserstoff ist die Zukunft

So sieht eine Brennstoffzelle aus. Diese ist allerdings für ein Auto, genauer das BMW-Modell iX5.

Ich wollte meine beruflichen Ziele verfolgen und begann erst den Bachelor in Innovationsmanagement an der FH Campus 02 zu studieren und dann den Master Engineering and Production Management an der FH Joanneum. Beides waren duale Studiengänge. Nebenher arbeitete ich immer Vollzeit. Zur Uni bin ich immer abends oder am Wochenende gegangen. Das war zwar anstrengend, aber machbar, da auch die Lehrenden auf die Studierenden achteten und wussten, wie viel wir alle in dieser Zeit leisteten.

Motoren interessierten mich seit meiner Lehrzeit, aber mir wurde im Studium bewusst, dass sich aufgrund der Klimakrise einiges verändern muss. Deswegen beschäftigte ich mich sowohl in meiner Bachelor- als auch in meiner Masterarbeit mit Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden. In diesem Bereich arbeite ich jetzt auch bei AVL. Ich entwickle und realisiere mit meinem 17-köpfigen Team ein Antriebssystem für Schiffe, das mit Wasserstoff betrieben wird.

Ich bereue keine einzige Entscheidung meines Berufswegs. Jetzt merke ich jedoch, dass andere Hobbys haben oder Sport machen. Yoga und Poledance habe ich erst jetzt für mich entdeckt. In der Arbeit bin ich überglücklich. Zum ersten Mal hetze ich keinem Ziel nach. Einen Wunsch habe ich aber noch: eine höhere Führungsposition einzunehmen. Aber das hat noch Zeit." (Protokoll: Natascha Ickert, 16.6.2023)