Lichtverschmutzung, Blick auf Kairo bei Nacht, Hochhäuser und Straßen sind bis an den Horizont erleuchtet.
Immer mehr Straßen weltweit werden nachts nahezu taghell beleuchtet.
APA/AFP/KHALED DESOUKI

Die Nächte werden heller und heller. Im vergangenen Jahrzehnt ist die nächtliche Beleuchtung pro Jahr um beinahe zehn Prozent stärker geworden, wie eine Studie im Fachmagazin "Science" zeigt. Die aktuelle Ausgabe widmet sich schwerpunktmäßig der Lichtverschmutzung, die massive Folgen für Menschen und andere Lebewesen hat. Städte und Ortschaften leuchten intensiver, und das Problem dehnt sich geografisch auf immer größere Regionen aus. Daher warnen Fachleute vor den negativen Konsequenzen.

Das oft vergeudete Licht benötige enorme Mengen an Strom, was nicht nur hohe Kosten, sondern auch erhebliche Treibhausgasemissionen verursache, so die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Sie dokumentieren in fünf Übersichtsarbeiten die tiefgreifenden Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Mensch, Tier und Ökosysteme sowie die Folgen für die Astronomie, die am immer helleren Nachthimmel immer weniger sieht. Zu den Autoren zählen die Epidemiologin Eva Schernhammer von der Medizinischen Universität Wien und der Astrophysiker Stefan Wallner von der Universität Wien. Angesichts des globalen demografischen Wandels hin zu einer zunehmend städtischen Lebensweise – schon derzeit leben 4,4 Milliarden Menschen in Städten – seien die meisten Menschen höheren nächtlichen Lichtbelastungen ausgesetzt. 

Schlafstörungen und Krankheitsrisiken

Die negativen Auswirkungen von nächtlichem Licht auf Nachtarbeiterinnen und Nachtarbeiter sind gut belegt. Sie haben ein höheres Risiko für Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck und Depressionen sowie für Fettleibigkeit, schreiben die Fachleute. "Weil das zirkadiane System eine zentrale Rolle in der menschlichen Physiologie spielt und damit nahezu alle Gesundheitsaspekte betrifft, sind die Auswirkungen von nächtlicher Lichtexposition und der damit verbundenen Störung dieses Systems für viele Menschen relevant", sagt Schernhammer. Gibt es in der Nachtschicht noch relativ einfach zu messende Bedingungen, sind die Folgen der zunehmenden Außenbeleuchtung jedoch schwieriger abzuschätzen.

Aber auch hier sei bereits ein höheres Risiko für die genannten Erkrankungen sowie für Schlafstörungen festgestellt worden. Neuere Arbeiten hätten eine Verbindung von Außenlicht mit hohem Blaulichtanteil mit erhöhtem Krebsrisiko gezeigt. Hingewiesen wird auch auf Studien während der Covid-19-Pandemie, wonach sich Menschen häufiger, schwerer und länger infizierten, wenn sie unter Schlafmangel litten, nachts arbeiteten oder in Gebieten wohnten, die nachts stark beleuchtet waren.

Einfluss auf Ernährungssicherheit

Auch indirekte Folgen für den Menschen seien aufgrund der ausgeprägten Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Flora und Fauna "praktisch unvermeidlich, auch wenn sie noch schwieriger zu messen sind", heißt es in einer der Studien. So könne sich das mit der Lichtverschmutzung in Verbindung gebrachte Insektensterben nachteilig auf die Gesundheit auswirken, "da Insekten Schädlinge kontrollieren, beim Abbau von Abfällen helfen und mehr als ein Drittel unserer Nahrungsmittel bestäuben".

Das Insektensterben ist nur eine von vielen weitreichenden Folgen der Lichtverschmutzung für die meisten Arten. Bekannt sind etwa die Auswirkungen auf den Vogelzug: Anthropogenes Licht desorientiere die meist nachts fliegenden Zugvögel, die dadurch mit Gebäuden kollidieren oder von geeigneten Rastplätzen abgelenkt werden könnten. Häufig dokumentiert sind die Auswirkungen der künstlichen Beleuchtung auf Meeresschildkröten: Sie meiden beleuchtete Strände für die Eiablage, Licht desorientiere ihre Jungtiere nach dem Schlüpfen, was zu hohen Sterblichkeitsraten führe.

Weitere von den Fachleuten genannte Beispiele: Nachtaktive Säugetierarten reduzieren ihre Aktivität bei nächtlichem Licht, während Vögel früher "aufstehen". Kleinere Fische sammeln sich in der Nähe von Lichtquellen und werden so eine leichte Beute. Glühwürmchen können bei künstlichem Licht nur schwer Partner anlocken, wodurch Populationen schrumpfen. Und selbst Bäume werden beeinflusst: Wachsen sie in der Nähe von Straßenlaternen, werfen sie ihre Blätter später im Jahr ab.

Positive Beispiele

Die Zunahme der nächtlichen Beleuchtung werde zu einem Verlust an biologischer Vielfalt und möglichen Rückkopplungseffekten führen, einschließlich der Beeinträchtigung von Ökosystemleistungen wie der Bestäubung von Nutzpflanzen, sind die Forscherinnen und Forscher überzeugt. Es sei daher von größter Bedeutung, natürliche Gebiete dunkel zu halten und Lichtemissionen zu begrenzen.

"Jeder Bürger sollte das Recht auf Dunkelheit und auf eine qualitativ hochwertige, verantwortungsvolle Außenbeleuchtung haben, um seine Gesundheit und sein Wohlbefinden und sein soziales Leben zu verbessern", betonen die Fachleute. Als positive Beispiele heben sie Länder wie Tschechien, Frankreich, Deutschland, Südkorea und Slowenien hervor, die rechtliche und politische Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung ergriffen hätten.

Anpassungen der Beleuchtung könnten die Auswirkungen reduzieren. Dazu zählen Abschirmungen, die verhindern, dass Licht in unerwünschte Richtungen abgestrahlt wird, zeitlich begrenzte und adaptive Beleuchtung, die Reduktion der Lichtintensität oder die Anpassung der Farbzusammensetzung. Man könne aber auch in den eigenen vier Wänden etwas tun, um negative Folgen der Beleuchtung zu reduzieren, betonen die Autorinnen und Autoren und nennen etwa die Umstellung auf warmweißes Licht mit geringerem Blaulichtanteil sowie Sensoren und Zeitschaltuhren, die Licht am Balkon, im Garten oder an Fassaden abends ausschalten oder dimmen.

Gesetze in Österreich

Um die Ursachen der Lichtverschmutzung zu verstehen und mögliche Maßnahmen dagegen zu setzen, muss ihr Ausmaß gemessen werden – was gar nicht so einfach ist, betont Stefan Wallner mit seinen Kolleginnen und Kollegen in einer der Publikationen. So gebe es eine Vielzahl an Geräten und Methoden, um künstliches Licht in der Nacht zu untersuchen – wodurch verschiedene Beobachtungen nur schwer vergleichbar sind.

Um die Lichtverschmutzung effektiv einzudämmen, sieht Wallner auch die Politik in Österreich am Zug: Die kürzlich überholte ÖNORM zu Lichtimmissionen und das kommende Lichtverschmutzungsgesetz in Oberösterreich seien "wichtige Schritte. Ein bundesweites Gesetz dazu wird dennoch notwendig sein, um den Natur- und Umweltschutz gegen künstliches Licht bei Nacht maximal anzuheben", wird der Astrophysiker in einer Aussendung der Uni Wien zitiert.

Klarerweise gibt es auch Nachteile gewisser Verdunklungen. Werden bestimmte Straßen und Wege nicht beleuchtet, sinkt das Sicherheitsgefühl von Menschen, die etwa auf dem nächtlichen Heimweg einfacher überfallen werden könnten. Auch die Unfallgefahr im Straßenverkehr ist zu beachten. Daher gehe es auch um ein "Gleichgewicht zwischen konkurrierenden Interessen" und nicht darum, alle Lichter auszuschalten, wie die Fachleute unterstreichen. Hier gebe es Vorurteile, die zu stärkerer Ausleuchtung verleiten, nach dem Motto "Je heller, desto besser" oder "Gut beleuchtet heißt hell beleuchtet". Stattdessen solle je nach Gegebenheiten die richtige Lichtmenge und Lichtart festgestellt werden. Dies wäre eine Erleichterung für die Gesundheit und intakte Ökosysteme, würde Energie sparen und gut für das Klima sein. (APA, red, 16.6.2023)