Wie praktisch die Ereignisse manchmal zusammenfallen. Als sollte jemand den schrecklich marxistischen Kurs des neuen SPÖ-Vorsitzenden in seiner ganzen Breite illustrieren, erscheint auch schon ein Immobilienspekulant auf der Bühne des österreichischen Wahlkampfspektakels und gewährt dem Publikum Einblick in die Kunst, ein Vermögen zu machen und 1900 Arbeitende aus dem Reich der Notwendigkeit in das der Freiheit zu entlassen.

Glaubt man dem ÖVP-Generalsekretär, kann derlei eigentlich nur in Nordkorea, Ungarn oder Russland passieren. Aber nein, diese Profitmaximierung auf Kosten von Menschen, die sich heute schon mit ihren Mieten schwertun, beruht auf einer "österreichischen Lösung", oder zumindest auf dem, was der Freundes- und Spenderkreis um Bundeskanzler Sebastian Kurz unter wahrem Patriotismus verstanden hat. Formal soll alles in Ordnung gewesen sein.

Wie wird SPÖ-Chef Andreas Babler die Partei positionieren?
Christian Fischer

Aber das wird sogar Christian Stocker zugeben müssen: Daran ist Babler unschuldig, und das Stück stammt auch nicht von dem schrecklichen Kommunisten Bert Brecht, es ist der vorläufig letzte Abglanz einer von Message-Control geleiteten Realität, zu der etwa auch die Ausschüttung von Milliarden an Unternehmen zählt – ohne Kontrolle, über eine eigene Agentur namens Cofag. Der Sinn lag in der Konstruktion, die dem Finanzminister keine Weisungsbefugnis gestattete. Daher ist auch niemand vor dem Parlament verantwortlich. In Nordkorea wäre das nicht möglich.

Wie viel kann die Republik retten?, warf Die Presse eine bange Frage auf. Und jedem von Stocker entlarvten Stamokap-Marxisten muss das Herz bluten, wenn er hört, dass eine Antwort darauf höchst ungewiss ist und erst nach Jahren zu haben sein wird. Was eine Regierung angerichtet hat, soll nun "die Republik" retten, wobei sie als größter Gläubiger zunächst einmal in Gestalt des Landesgerichts St. Pölten die insolvenztechnischen Fragen abarbeiten soll.

Was die politische Verantwortung betrifft, denkt man in der ÖVP nicht daran, sich mit einer solchen zu beschmutzen. Die ÖVP bleibe als stabiler Faktor in der bürgerlichen Mitte des politischen Spektrums, schwadronierte ihr Generalsekretär, was die gleichzeitige Hinwendung zur Kickl-FPÖ in den Bundesländern ziemlich bürgerlich erscheinen lässt. Die bürgerliche Mitte für sich beanspruchen, aber trotz aller Erfahrungen neuerlich mit der FPÖ zu koalieren bleibt beschränkt glaubwürdig oder verlangte eine Neudefinition des Begriffs.

Und womöglich hat die SPÖ noch eine größere Enttäuschung für die türkisen Ideologen bereit, indem sich Babler gar nicht als der Radikalinski präsentiert, als den ihn Stocker und Kickl auszumalen versuchen. Der Falle ist einst schon Kreisky ausgewichen, als er feststellte, mit ihm werde rechts regiert. An tiefgreifenden Reformen hat seine Regierung das nicht gehindert. Dass nach Jahren türkisen Regierens ähnlich grundlegende Reformen wieder notwendig sind, das zu beweisen bräuchte es nicht einmal einen Babler, das beweist die tiefe Unzufriedenheit, die das Land durchzieht.

Damit müsste eine interessante SPÖ mit mehr Kanten als zuletzt gute Voraussetzungen für eine Rückkehr in Verantwortung vorfinden. Grundbedingung, dass sie sich dabei nicht selber im Weg ist, etwa indem diverse Seewinkel Schmollwinkel bleiben. (Günter Traxler, 16.6.2023)