Es war nicht der erste Aufschrei der österreichischen Forschungselite zum Thema künstliche Intelligenz (KI). Und es wird nicht der letzte bleiben. "Wie blöd kann man sein?", kritisierte KI-Pionier Sepp Hochreiter, der an einer ChatGPT-Alternative arbeitet, am Mittwoch die fehlenden Mittel für eine adäquate Grundlagenforschung. Gerhard Friedrich von der Uni Klagenfurt legte nach: Mozart, Lipizzaner und Wörthersee seien im Selbstverständnis zu wenig, um Talente ins Land locken oder behalten zu können. Sie haben beide recht.

Keine technologische Entwicklung wird unsere Zukunft in den kommenden Jahren so nachhaltig verändern wie künstliche Intelligenz. Schon jetzt zeigen Sprachmodelle wie ChatGPT, die das digitalisierte Wissen der Menschheit anzapfen, dass sie uns beim Schreiben von Texten, von Gedichten bis Forschungsarbeiten, bald überlegen sein könnten. Bilder-KI droht die Arbeit von Illustratoren und Fotografen zu ersetzen. In der Industrie wird maschinelles Lernen Grundvoraussetzung, um Ressourcen und damit die Umwelt zu schonen. In der Medizin wird sie für bahnbrechende Medikamente sorgen.

Angesichts dieses Umbruchs ist es in der Tat erstaunlich und leichtsinnig, dass Österreich noch immer keine schlüssige KI-Strategie hat, geschweige denn die vorhandene Forschungsexzellenz mit entsprechenden Fördermitteln ausstattet. Die politischen Versäumnisse der vergangenen Jahre wiegen umso schwerer, da die führenden nationalen Köpfe in dem Bereich weltweit einen ausgezeichneten Ruf genießen. Doch der nutzt nichts, wenn hier ausgebildete junge Talente ins Ausland abgeworben werden und in Österreich weder Karrierechancen noch Rechenleistung finden, um ihre wissenschaftlichen Errungenschaften voranzutreiben.

Die politischen Versäumnisse sind groß: Österreich hat immer noch keine schlüssige KI-Strategie.
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Dass das Potenzial für exzellente Grundlagenforschung so viel größer ist, als es die Finanzierung erlaubt, trifft auf den Bereich künstliche Intelligenz besonders stark zu. In den vergangenen zehn Jahren wurden gerade einmal 40 Millionen Euro für KI-Grundlagenforschung über den Wissenschaftsfonds FWF lockergemacht. Zum Vergleich: Das zehnmal größere Deutschland will nun erneut fünf Milliarden Euro investieren.

Hochreiter ist sinnbildlich für die Situation der KI-Forschung im Land. Aufgrund der fehlenden Unterstützung drohte er zuletzt damit, seine Vision notfalls in einem anderen Land zu verwirklichen. Saudi-Arabien und Deutschland hätten Interesse gezeigt und hunderte Millionen Euro in Aussicht gestellt. Das wäre nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht problematisch: Mit einer potenziellen Abwanderung würden Österreich und die hiesige Wirtschaft auch die Patente, intellektuellen Rechte und schlichtweg die Kontrolle über die vielversprechende Technologie verlieren.

Um nicht wie in der Vergangenheit mit Microsoft, Google und Facebook völlig von außereuropäischen Konzernen abhängig zu sein, müssen Österreich, aber auch die EU sich jetzt schleunigst am Riemen reißen. Eine nationale KI-Strategie mit den bestehenden Universitäten, Forschungsinstituten und Fachhochschulen an Bord und die geforderten 500 Millionen bis eine Milliarde Euro sind das Mindeste, was beschlossen werden muss. Denn KI wird unser Leben in allen Bereichen umkrempeln. Österreich muss sich jetzt entscheiden, ob es diese Entwicklung aktiv mitgestalten will. (Martin Stepanek, 15.6.2023)