Seit 2004 betreibe ich meine Tischlerei in der Zehetnergasse im 14. Bezirk. Zuvor studierte ich Landschaftsplanung, später Psychologie, merkte aber bald, dass ich eher ein praktischer Typ bin. Also habe ich nach drei Jahren mein Studium abgebrochen, um Tischler zu werden. Der Umstieg war sehr intensiv, weil der Lehrgang auf ein Jahr komprimiert war. Gleich nach dem Abschluss packte ich meine Sachen und ging nach Italien. In Prato bei Florenz begann meine eigentliche Ausbildung zum Möbelrestaurator.

Philipp Rabeck in seiner Tischlerei im 14. Bezirk.
Gerald Zagler

Ich arbeitete in einem großen Familienbetrieb und konnte nur ganz wenig Italienisch. Als ich ankam, habe ich zu allem immer nur "si, si" gesagt, bis der Chef draufkam, dass ich ihn gar nicht verstehe. Irgendwie habe ich mich aber durchgeschlagen. Mit dem Unternehmen hatte ich Glück, weil ich bald an sehr großen Projekten mitarbeiten durfte: Zum Beispiel renovierten wir die Sakristei im Dom von Siena oder ein Stadttor in Arezzo. Ich habe dort unglaublich viel gelernt, auch alte Techniken. Von dem Wissen profitiere ich heute noch.

Steiniger Weg

Nach zehn Monaten ging ich wieder zurück nach Österreich mit dem Vorhaben, weiterhin in der Restaurierung zu arbeiten, was sich als sehr schwierig herausstellte. Die Auftragslage war nicht gut, und ich habe daher verschiedenste Jobs angenommen, arbeitete auf Baustellen, dann für sehr große und auch kleinere Tischlereien, mit teilweise dubiosen Anstellungsverhältnissen. Nachdem ich 2002 meinen Meisterbrief in der Tasche hatte, machte ich mich selbstständig. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich nochmals dafür entscheiden würde. Die Behördenwege waren furchtbar. Bis mir die Genehmigung für die Werkstätte ausgestellt wurde, verging mehr als ein halbes Jahr. Nun läuft der Betrieb aber. Über die Auftragslage darf ich mich nicht beschweren. Gerade während der Corona-Pandemie kamen viele mit alten Möbelstücken zu mir. Die Leute hatten plötzlich Zeit, sich mit ihrem Wohnraum zu befassen. Ich restauriere hauptsächlich, wenn aber zu mir jemand mit einem wackeligen Sessel kommt, dann nehme ich mich auch darum an. Selbst stelle ich eher wenig Möbel her, aber wenn, dann arbeite ich sehr gerne mit Zirbenholz. 

Ein Möbeljuwel aus dem vorigen Jahrhundert erhält wieder neuen Glanz.
Gerald Zagler

Das Spannende an meiner Arbeit ist, dass die Projekte sehr abwechslungsreich sind. Vor ein paar Jahren habe ich gemeinsam mit Kollegen alte Aufzugskabinen in Wien restauriert. Da gibt es richtige Prunkstücke mit wunderschönen Holzvertäfelungen. Nicht jeder Tischler traut sich über solche Aufgaben drüber. Ich muss sehr aufpassen, weil ich einen Hang zum Perfektionismus habe und die Arbeitsstunden schnell ausufern. Aber die Herausforderung, dass man nicht sofort weiß, wie man etwas am besten macht, gefällt mir sehr.

Billigmöbel

Ob es früher besser war, ist nicht einfach zu beantworten. Die Möbelbranche ist schnelllebiger geworden. Die breite Masse kauft jetzt Billigmöbel. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Qualität von Ikea und ähnlichen Herstellern noch weiter sinken kann. Inzwischen wird sogar die Rückwand von Kästen nur noch mit Plastikstiften gehalten und nicht mehr mit Nägeln. Da ist es bei mir aus. Eine Freundin musste mich beruhigen, als ich ihr bei der Montage geholfen habe. Ich verstehe nicht, weshalb ich mir alle paar Jahre etwas Neues anschaffen soll. Das ist nicht nachhaltig.

Klar, die wenigsten können und wollen sich teure Möbel leisten. Wenn ich mir aber die Qualität der Jungendstilkredenz anschaue, an der ich gerade arbeite, dann bewundere ich den Aufwand, der damals betrieben wurde, und die Machart, mit Techniken, die viele heute gar nicht mehr beherrschen. Jedes Stück ist ein Unikat und hat seinen eigenen Charakter. Am liebsten ist mir, aus etwas wirklich Desolatem wieder ein funktionierendes Möbelstück zu machen. Ich denke, dafür braucht es schon eine gewisse Passion, die man für den Beruf mitbringen muss.

Handwerker wurden damals gebraucht und werden heute genauso gebraucht, vor allem in meinem Bereich, in dem viele Arbeitsschritte nur mit der Hand ausgeführt werden können. Natürlich, gut bezahlt ist der Job nicht, auch im Vergleich zu anderen Handwerksberufen. Die Arbeit kann auch sehr anstrengend sein, besonders bei Montagen: Unter dem vielen Schleppen leidet irgendwann auch der beste Rücken. Alles in allem bin ich aber zufrieden, so wie es ist. Hier bin ich mein eigener Chef, kann mir die Arbeitszeit selbst einteilen. So gesehen, hat Handwerk für mich einen goldenen Boden, und es wäre schön, wenn auch junge Leute nachkommen. Nicht jeder Mensch muss studieren. (Gerald Zagler, 3.7.2023)