(Gediegen eingerichtetes Arbeitszimmer in einer Altbauwohnung in Wien. Ein Mann Mitte vierzig arbeitet konzentriert an einem Laptop. Es klopft. Ohne eine Reaktion abzuwarten, betritt Amelie, seine zwölfjährige Tochter, das Zimmer.)

Roboter auf der Paris Viva technology exhibition (VIVATECH).
Foto: imago / Marie Hubert Psaila / ABACAPRESS

AMELIE: Darf ich dich kurz stören?

VATER: Natürlich.

AMELIE: Diese künstliche Intelligenz, von der jetzt alle reden … Ist die eigentlich männlich oder weiblich?

VATER: Die ist künstlich. Wie der Name schon sagt.

AMELIE: Ja, aber ich meine, ist das eine männliche künstliche Intelligenz oder eine weibliche künstliche Intelligenz?

VATER: Intelligenz ist Intelligenz, egal ob männlich oder weiblich.

AMELIE: Das glaube ich nicht. Die Mama sagt auch, Männer können zwar auf ihre Weise hochintelligent sein, trotzdem würden sie ohne weibliche Intelligenz schnell zugrunde gehen.

VATER: Jaja, kenn ich schon … Krieg, Atombombe und all das. Als ob die Frauen nicht bei jeder Schweinerei begeistert mitgetan hätten, historisch betrachtet.

AMELIE: Das meint die Mama nicht. Sie meint, wenn man die Männer essen und trinken lassen tät’, was sie wollen, wären sie bald tot, weil sie ernährungstechnisch einfach nicht so viel draufhaben wie die Frauen.

VATER (wendet sich wieder seinem Laptop zu und beginnt zu tippen): Na siehst du, und eine künstliche Intelligenz braucht nicht zu essen und zu trinken, die baucht nur ein bisserl Strom, deswegen ist sie weder männlich noch weiblich.

AMELIE: Du meinst, sie ist divers?

VATER (genervt): Nein, natürlich nicht!

AMELIE: Aber was dann?

VATER: Herrgott, frag sie doch selbst!

AMELIE: Hab’ ich schon getan.

VATER: Und? Was sagt sie?

AMELIE: Ich soll dich fragen.

(Vorhang) 
(Antonio Fian, 16.6.2023)