Die Initiative Religions for Equality möchte die LGBTIQ-Gemeinschaft sichtbar machen.
Schinhärl

Neben viel Glitzer, Bass und wenig Kleidung tauchen in der ausgelassenen Menge der Pride-Parade auch eine regenbogenbunte Kippa und weiße Kollare auf. Die Geistlichen und Kirchenvertreterinnen haben Schilder gebastelt wie "Reverends' revenge against queerphobia". Damit wollen sie zeigen, dass neben Beten und Seelsorge auch die Inklusion der LGBTIQ-Community zum Glauben gehört. Rund 100 Personen marschierten heuer gemeinsam mit der Initiative Religions for Equality auf der Parade, diesmal unter dem Motto "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Seit 2019 gibt es die Initiative, die von Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften gegründet wurde, um für die Rechte von LGBTIQ-Personen einzutreten.

Rabbiner und Religions-for-Equality-Organisator Lior Bar-Ami.
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Regenbogenkippa und Pride Schabbat

Einer der Mitbegründer der Initiative ist Lior Bar-Ami. Er ist Rabbiner der jüdischen Gemeinde Or Chadasch. "Religiös und queer zu sein ist kein Widerspruch. Wir müssen als Religionsgemeinschaft offen sein für alle Menschen, egal ob queer, hetero, trans – in allen Farben des Regenbogens", offenbart der Rabbiner.

Die Farben des Regenbogens findet man übrigens auch auf seiner Kippa, der traditionellen Kopfbedeckung für männliche Juden. Generell sei das Feedback aber nicht immer positiv: "Natürlich gibt es immer Konservative und Menschen, die das im Judentum anders auslegen als wir. Aber genau deshalb ist es wichtig zu zeigen, dass es auch eine bunte Gemeinde gibt." Da Gott die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen habe, sei der Mensch geliebt, und zwar jede und jeder, erklärt Rabbiner Bar-Ami. Buntheit werde hier angenommen und gesegnet, ihr Judentum stehe im Einklang mit der Tora und dem 21. Jahrhundert.

Or Chadasch ist die einzige liberale jüdische Gemeinde in Österreich. Die engagierten Mitglieder veranstalten einen eigenen Pride Schabbat und marschieren bereits seit über 20 Jahren bei der Regenbogenparade mit.

Hochschulseelsorgerin und Pfarrerin Katharina Payk.
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Versöhnungsarbeit

Auch Pfarrerin Katharina Payk geht privat seit vielen Jahren auf die Parade. Heuer ist sie mit etwa 30 evangelischen Kolleginnen und Kollegen unterwegs, die sich bereits auf den Zug aufgeteilt haben. Die Hochschulseelsorgerin hält Workshops und schreibt über queer-feministische Themen. Sie ist auch Teil der Gruppe EvanQueer, die gegründet wurde, um eine Plattform für Austausch und Aktionen der LGBTIQ-Gemeinschaft in der evangelischen Kirche zu bieten. "Viele queere Personen sind spirituell traumatisiert, und wir versuchen das wieder zu heilen", schildert Payk.

Deshalb hält sie Gottesdienste ab, in deren Gestaltung LGBTIQ-Personen aktiv beteiligt sind. Das helfe den Teilnehmenden dabei, gesehen zu werden. Der Pfarrerin ist besonders wichtig, transgeschlechtliche Personen anzusprechen: "Die evangelische Kirche hat etwas wiedergutzumachen, wir wollen Versöhnungsarbeit leisten." Dazu soll auch queere Liturgie beitragen. Gott werde oft als Mann mit weißem Bart dargestellt – in der Bibel zeigt er sich jedoch auch als brennender Busch oder in Tiergestalt. Er lasse sich hier keiner Kategorie zuordnen.

Vienna Pride: "Wir sind noch nicht am Ziel!"
DER STANDARD war bei der diesjährigen Wiener Regenbogenparade, dem Höhepunkt der Vienna Pride, dabei. Dabei zeigen wir nicht nur die tollsten Outfits, sondern fragen Teilnehmende nach ihrer Meinung zu ihrer persönlichen Motivation, LGBTIQ-Rechten und Pinkwashing
DER STANDARD

Die Pfarrerin sieht zwar das Spannungsfeld zwischen Kirche und LGBTIQ, darin liege für sie aber kein Widerspruch: "Gläubig sein und queer sein sind beides keine straighten Dinge – mit beiden eckt man an. Das wird als komisch, gar störend empfunden – so entsteht eine Verschränkung."

Die ehrenamtliche Vorsitzende der KJ Süd, Klara Fabiankowitsch.
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Queerer Protest

Dieses Spannungsfeld war bei der Katholischen Jugend (KJ) Wien der Auslöser für ihre Teilnahme an der Parade. "Wir sind bereits seit Jahren dabei, aber als der Papst in einem Schreiben mitteilte, dass eine Segnung queerer Paare nicht möglich sei, wollten wir aufstehen und Präsenz zeigen. Gott liebt alle", wendet die Vorsitzende Klara Fabiankowitsch ein. In dem Brief aus dem Vatikan betonte der argentinische Papst Franziskus, der für seine konservative Linie bekannt ist, die Ehe sei eine Institution für Mann und Frau, in der queere Personen keinen Platz fänden.

Um für einen inklusiveren Umgang zu sensibilisieren, veranstaltet die KJ Wien Workshops für LGBTIQ-Personen, teils mit der Homosexuellen-Initiative (Hosi) Wien. Als Katholische Jugend sind sie Teil des Regenbogenpastoral, in denen sich alle Menschen der Gemeinschaft vernetzen und segnen lassen können. Vor allem über Social Media erhält die Gruppe dafür gemischtes Feedback. Viele halten ihre Auslegung nicht für bibelkonform. "Dabei gibt es keinen Anhaltspunkt, der queere Menschen aus der Gemeinde ausschließt. Aber einer friedlichen Konfrontation gehen wir nie aus dem Weg", erklärt die Vorsitzende der Katholische Jugend Wien. (Lena Schinhärl, 19.6.2023)