Alte Damen bekommen Hilfe von einem Pflegeroboter
Pilotprojekte mit Pflegerobotern laufen schon in vielen Altenpflegewohnheimen
Heribert Corn

Die Mobilität wird mithilfe eines Exoskelettes trainiert, zum Operieren kommt die ruhige Roboterhand zum Einsatz, und Medikamente werden automatisch sortiert. Auch in den Medizin- und Pflegeberufen kommen technische Hilfsmittel immer öfter zur Anwendung. An der Schnittstelle von Gesundheit und Technik entstehen neue Berufsbilder und auch neue Ausbildungen. Denn ohne technisches Know-how geht es auch in der Gesundheitsbranche nicht mehr. So gibt es beispielsweise seit Herbst vergangenen Jahres die neue Ausbildung zur operationstechnischen Assistenz, die auf großes Interesse stößt.

Auch in der Diagnostik kann der technologische Fortschritt zu Verbesserungen führen. An Millionen Fallbeispielen trainierte Analyse­systeme können beispielsweise Radiologen in der bildgebenden Diagnostik (Röntgen, Computertomografie, Magnetresonanztomografie etc.) im Zweifelsfall auf verdächtige Signale bzw. Strukturen hinweisen. Ein KI-Programm dahinter macht den entscheidenden Arzt auf mögliche Fehler aufmerksam.

In Zukunft noch mehr Technik im Einsatz

Und im Bereich der Alten- und Langzeitpflege werden schon umfangreiche Assistenzsysteme getestet – vom Sortieren der Medikamente für die Patientinnen und Patienten über die Hilfe von Roboterarmen, die beim Umbetten unterstützen, bis hin zur elektronischen Pflegedokumentation. Wenig Freude haben Patienten hierzulande mit Pflegerobotern. Solche Maschinen werden laut dem "Austrian Health Report 2022" vom Meinungsforschungsinstitut Ifes im Auftrag vom Pharmakonzern Sandoz als Pflegekräfte mehrheitlich (zu 57 Prozent) abgelehnt. Einzelne Features dieser Assistenzroboter werden sicher kommen, sagt Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV). Die Beziehungsarbeit, beispielsweise das Vorlesen von Geschichten oder Gespräche, soll auch weiterhin unbedingt von Menschen gemacht werden. 

"Der Pflegebereich im Allgemeinen verträgt aber sicher mehr Technik, als derzeit eingesetzt wird", sagt Potzmann. Als Vorbild nennt sie Deutschland. Dort gelten bestimmte Apps bereits als Medizinprodukt. "Das wird auch in Österreich kommen, das erleichtert den Arbeitsalltag von Medizin- und Gesundheitspersonal." Auch Augmented Reality werde künftig stärker in der Pflege zum Einsatz kommen, ist sie überzeugt. Als Beispiel nennt sie eine Pflegefachkraft, die mit einer Google-Brille den Verband bei einem Patienten wechselt, und der Hausarzt kann aus der Distanz zuschauen und kontrollieren.

Durch die technischen Aspekte in der Pflege können aber auch andere Zielgruppen angesprochen werden. So hat sich in den 1970er-Jahren, als die Operationssäle und Krankenhäuser im großen Stil mit Monitoren und technischem Equipment ausgestattet wurden, der Männeranteil in der Pflege erstmals erhöht. Und noch heute zeigt sich: In den hochtechnisierten Pflegebereichen ist der Männeranteil überdurchschnittlich hoch.

Kristina Weishäupl
Zuerst Ergotherapie, jetzt Health Care Informatics

Kristina Weishäupl
Im November wird Kristina Weishäupl ihr technisches Studium abschließen.
Regine Hendrich

Das Studium der Ergotherapie war für Kristina Weishäupl der Mittelweg zwischen Medizin und Sozialem. Ergotherapie verfolge einen ganzheitlichen Ansatz, neben den therapeutischen Möglichkeiten brauche man auch umfangreiches medizinisches Wissen über Körper und Psyche. "Das war für mich bei der Studienwahl ausschlaggebend", sagt sie. 2018 hat sie an der FH Campus Wien ihre Ausbildung abgeschlossen und danach in einem Landesspital in Nieder­österreich zu arbeiten begonnen. Aktuell studiert sie an der FH Wiener Neustadt das Masterstudium Health Care Informatics. Im November wird sie es abschließen. Eine eher unübliche Wahl für ein Masterstudium nach der Ergotherapie. Sie findet das nicht. Vor ihrem jetzigen Studium hat sie bereits das Masterstudium Angewandte Gesundheitswissenschaften an der IMC FH Krems absolviert. "Das Studium war sehr interdisziplinär aufgebaut, dadurch hat sich der Fokus auf eine Metaebene in Richtung Forschung und Projektmanagement verschoben", sagt die 26-Jährige.

Auch das aktuelle Studium sei interdisziplinär aufgebaut und verbinde die Bereiche Gesundheitswesen und Informatik. "Mit meinem Hintergrund als Ergotherapeutin und Gesundheitswissenschafterin war das Studium sehr naheliegend, weil mich die Digitalisierung im Gesundheitswesen und der Einsatz von innovativen Technologien schon immer interessiert hat." Die Mischung aus Softwareentwicklung, Gesundheitsökonomie und Projektmanagement war für sie ideal. Ein technisches Studium habe sie nach der Matura zwar schon auch in Betracht gezogen, sagt sie. "Damals hat mich das Angewandte im direkten Kontakt mit Patienten noch mehr interessiert."

Bereits während des Studiums hat sich auch eine beruf­liche Veränderung ergeben. Seit Mai arbeitet sie als Junior Health Expert in der Abteilung Internationales, Policy, Evaluation und Digitalisierung bei der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). "Das hat sich sehr gut gefügt. Der Master war ein Brückenbauer in meinem Werdegang, um im Bereich Digitalisierung im Gesundheitswesen Fuß zu fassen."

Das Studium sei anstrengend, auch weil sie mittlerweile Vollzeit arbeitet. "Aber es lässt sich alles mit Ach und Krach vereinbaren. Sowohl die Studiengangsleitung als auch die Kollegen sind sehr unterstützend." Damit alle Teilnehmenden auf einem ähnlichen Level starten konnten, gab es bereits im Sommer vor dem tatsächlichen Start des Studiums verschiedene Vorbereitungskurse, in denen man entweder technisches oder medizinisches Wissen nachholen konnte. Beim Lernen der Theorie helfe der ergotherapeutische Background, in der Praxis wendet sie diese Kompetenzen aber nicht mehr an. "Ab und zu bin ich ehrenamtlich als Beraterin in volksschul- und kindergartenbasierter Ergotherapie tätig", ergänzt sie. Gelegentlich fehle ihr die Arbeit mit Patienten, gibt sie zu. Gerade der Fachbereich Psychiatrie, wo sie damals als Ergotherapeutin arbeitete, sei ein sehr spannender Bereich. Jetzt bei der GÖG habe sie die Perspektive gewechselt und schaue nun von einer Metaebene auf das Gesundheitswesen. "Dadurch habe ich gefühlt noch immer Kontakt mit Patienten und Patientinnen, wenn auch auf eine andere, entfernte Art und Weise."

Frederike Petersen 
Von der Physiotherapie zur Rehabilitationstechnik

Frederike Petersen
Frederike Petersen fehlt nur noch eine Prüfung, dann hat sie auch ihr technisches Studium abgeschlossen.
Regine Hendrich

Gleich nach ihrem Abitur am Gymnasium auf der Insel Föhr in Schleswig-Holstein studierte Frederike Petersen an der SRH-Hochschule Heidelberg Physiotherapie. Auch in Deutschland sei es nicht einfach, einen Studienplatz für dieses Studium zu ergattern. Ihr gelang es. "Zwar werden auch in Deutschland Therapeuten gesucht, mehr Ausbildungsplätze gibt es deshalb aber auch nicht", sagt die 24-Jährige.

Den Menschen längerfristig helfen zu können war für sie die Hauptmotivation bei der Studienwahl. Sie wollte in der Gesundheitsbranche tätig sein. Um die Fortschritte der ­Patientinnen und Patienten beobachten zu können, sei die Physiotherapie eine gute Möglichkeit. Obwohl sie sich schon immer auch für Technik interessierte, stand ein Studium in diesem Bereich anfangs nicht zur Wahl. Erst mit der Zeit habe sich diese Möglichkeit ergeben. Ausschlaggebend dafür war auch ihr weiterer Berufsweg.

Nach dem Studium hat Petersen in einer Einrichtung für Neurorehabilitation zu arbeiten begonnen. "Die Neuro-Reha hat mich immer am meisten interessiert", sagt sie. Hier könne man therapeutisch sehr viel bewirken und den Alltag der Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessern. Man habe in diesem Therapiebereich auch viele Bezugspunkte zur Technik. "In der Neuro-Reha hat man schnell mit Gangrehabilitation und Robotics zu tun. Ich wollte verstehen, wie diese Systeme funktionieren – warum etwas wie gemacht wird." Relativ schnell habe sie aber gemerkt, dass sie dafür noch tiefer in diesen Bereich eindringen will. In bestimmten Gebieten der Physiotherapie komme schon jetzt sehr viel technische Unterstützung zum Einsatz, ergänzt sie. In Zukunft werde sicher noch mehr davon eingesetzt werden, ist sie überzeugt.

Nach knapp einem Jahr in der Neuro-Rehabilitation stand für sie fest, dass sie ein Masterstudium an der Schnittstelle von Therapie und Technik machen möchte, und sie schaute sich nach passenden Angeboten um. "Dabei bin ich auf das Masterstudium Gesundheits- und Rehabilitationstechnik an der FH Technikum gestoßen." Dafür übersiedelte sie nach Wien. Es ist ein interdisziplinärer Studiengang – die Teilnehmenden kommen aus dem medizinischen oder technischen Bereich. Im ersten und zweiten Semester ging es darum, die Wissenslücken aufzufüllen. Die Techniker mussten medizinische, die anderen technische Grundlagen nach­holen. "Das war am Anfang sehr herausfordernd, weil ich von heute auf morgen viel mit Mathematik, Elektronik und Technik zu tun hatte." Jetzt fehlt ihr nur noch die Masterprüfung.

Aktuell macht sie Robotics-Workshops für Mädchen. Nach dem Studienabschluss möchte sie genau an der Schnittstelle Physiotherapie und Technik arbeiten und beispielsweise Produkte im Bereich Bewegungsanalyse oder Prothetik an die Anwenderinnen und Anwender bringen. "Damit kann ich auch weiterhin mit den Patientinnen und Patienten Kontakt haben und bringe aber auch die technische Expertise mit." Fürs Erste will sie dabei auch in Wien bleiben. (Gudrun Ostermann, 23.6.2023)