Können Sie es auch nicht mehr hören, wenn der Innenminister oder sonst ein Zuständiger davon redet, dass man "den Schleppern im Mittelmeer das Handwerk legen muss"?

Ja, schon, aber wie? So wie die griechische Küstenwache, die ganz offensichtlich bei dem in Seenot befindlichen Fischkutter mit 700 Migranten an Bord nichts oder das Falsche getan hat? Wenn sich die Seelenverkäufer mit Frauen und Kindern an Bord erst einmal auf hoher See befinden, ist es schon zu spät, um etwas gegen die Schlepper zu tun.

Sechs österreichische NGOs, die in der Flüchtlingsbetreuung tätig sind, haben jetzt anlässlich des Flüchtlingstages die österreichische Regierung aufgefordert, "mit dem Jammern aufzuhören und zu handeln".

Vor einer Lagerhalle, in der Überlebende des Schiffsunglücks wurden, stehen 6 Helfer und unterhalten sich.
In einer Lagerhalle fanden die Überlebenden der Schiffsunglücks Schutz.
EPA/Yannis Kolesidis

Das Jammern über die ständige Belastung durch Migranten ist Teil einer fehlgeleiteten Kommunikationspolitik der ÖVP, die im Grunde nur der FPÖ und anderen Menschenfeinden hilft. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass wir so viele Asylwerber nehmen müssen – 130.000 im vergangenen Jahr –, aber irgendwie fällt immer unter den Tisch, dass wir nie mehr als etwa 20.000 in der sogenannten Grundsicherung haben. Was schlicht bedeutet, dass der Rest schon längst wieder außer Landes ist. Eine beträchtliche Zahl der Ankommenden will gar nicht wirklich in Österreich bleiben und da "in den Sozialstaat einwandern", wie auch die ÖVP behauptet, sondern auf Suche nach Arbeit weiterziehen. Aber sie müssen einen Asylantrag in Österreich stellen, um hereingelassen zu werden (nachdem unsere Freunde in Ungarn, Serbien und Kroatien sie nicht zurücklassen).

Auch die einschlägigen NGOs betonen dieses Faktum viel zu wenig – wodurch sich die Fake News von der "Asyl-Flut" im Bewusstsein der Österreicher verfestigen.

Auch die Abschiebe-Rhetorik konservativer und rechtsextremer Politiker ist echter "Volksbetrug". Die Herkunftsstaaten nehmen sie einfach nicht zurück. Die Bekämpfung der Schlepper und eine Eindämmung der Migration muss schon viel früher beginnen. Es verlangt die intellektuelle Redlichkeit, auch als humanitär denkender Kritiker der jetzigen Migrationspolitik, zu sagen: Ein großer Teil derer, die da übers Mittelmeer oder die angeblich geschlossene Balkanroute kommen, hat in Europa keine oder geringe Chancen auf Arbeit, Eingliederung, Aufstieg. Es müssen Wege gefunden werden, sie von einer aussichtslosen Reise (oft in den Tod) abzuhalten.

Auch Vertreter von NGOs sagen, dass sie Asylzentren an den Außengrenzen der EU unterstützen, wo rasch über Berechtigung von Asylgründen und über die generelle Hilfsbedürftigkeit der Ankommenden entschieden wird – wenn die Verfahren dort menschrechtskonform sind und die Auffangstellen nicht zu Horrorlagern werden (wie etwa bei der "australischen Lösung").

Aber wo an den Außengrenzen? In Banditenstaaten wie Libyen, wo derzeit die meisten Todeskähne herkommen?

Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sie sind aber äußerst mühsam und ermöglichen keinesfalls einen schnellen populistischen Erfolg. Man muss allerdings seriös daran arbeiten. Und in der Zwischenzeit, so wie es die NGOs fordern, die Bedingungen etwa für die verbessern, die bereits hier sind. (Hans Rauscher, 21.6.2023)