Inklusion im Job
Teambuilding kann den Zusammenhalt an Arbeitsplätzen stärken.
IMAGO/Westend61

Der drängende Fachkräftemangel lässt eigentlich kaum Fehlleistungen im Umgang mit Mitarbeitenden zu. Schnell sind diese sonst wieder weg von ihrem Arbeitsplatz, denn immer noch suchen vielerorts mehr Firmen Angestellte, als Angestellte Firmen suchen.

Wie eine neue Umfrage der HR- und Leadership-Beratung Kincentric unter weltweit rund 5.000 Mitarbeitenden zeigt, wird Inklusion im Job aber scheinbar kaum umgesetzt. Häufig sind demnach Arbeitende mit unguten Situationen konfrontiert.

73 Prozent der Befragten haben demnach in den vergangenen zwölf Monaten eine Form von Ausgrenzung erlebt. 63 Prozent gaben an, zumindest schon einmal mitbekommen zu haben, wie jemand ausgegrenzt oder ungerecht behandelt wurde. Gleichzeitig ist nur jeder Dritte der Überzeugung, dass seine Unternehmenskultur Inklusion vorantreibt. 40 Prozent gaben sogar an, in einem Umfeld zu arbeiten, das Inklusion eher blockiert als aktiv fördert.

Führungskräfte haben hier einen der größten Hebel. Wenn sie vorleben, wie im Team respektvoll und verständnisvoll miteinander umgegangen werden kann, sollte einem Miteinander auf Augenhöhe nichts mehr im Wege stehen. Ein wichtiger Schritt ist jedoch, dass die Chefinnen und Chefs Ausgrenzung, Mobbing oder Ähnliches erkennen und ansprechen.  

Führungskräfte weniger betroffen

Gleichzeitig sind Führungskräfte von Exklusion meistens viel weniger betroffen. Wie die Studie zeigt, hat mit 58 Prozent die Mehrheit der Befragten bereits unangenehme Erfahrungen mit Inklusion im Unternehmen gemacht. Führungskräfte auf höherem Level seien davon weniger betroffen als ihre Mitarbeitenden: Bis zu 62 Prozent der Senior Leader empfinden Wertschätzung für ihre Leistungen, während dies nur bei 28 Prozent der einzelnen Mitarbeitenden der Fall ist.

Ein entscheidender Faktor ist laut Stefan Mauersberger, Regionalchef für Zentral-, Süd- und Osteuropa bei Kincentric, dabei die Glaubwürdigkeit: Die Studie zeigt, dass viele Mitarbeitenden an der Aufrichtigkeit ihrer Vorgesetzten zweifeln, wenn es um ein inklusives Arbeitsumfeld geht. Demnach halten 37 Prozent der Befragten die Maßnahmen der Unternehmensleitung im Bereich Inklusion für unglaubwürdig.

Stimmt die Kultur im Unternehmen nicht, äußert sich dies auf verschiedene Weise, betont Mauersberger. Häufig äußern demnach Mitarbeitende ihre Meinung aus Angst vor Repressalien nicht frei oder erleben starken Druck zur Erreichung der Ziele.

Nicht gleich wie Diversität

Wenn klare, neutrale Kriterien für eine faire Leistungsbewertung fehlen oder Konkurrenzdenken im Fokus steht, entwickelt sich ein Team schnell in eine toxische Richtung. "Beim Thema Inklusion denken viele, es sei gleichzusetzen mit Diversität und Gleichberechtigung", sagt Mauersberger. "Tatsächlich handelt es sich um drei unterschiedliche, miteinander verbundene Konzepte."

Bei Inklusion gehe es um Wertschätzung und nicht nur darum, Unterschieden gegenüber aufgeschlossen zu sein oder den Mitarbeitenden das Gefühl zu vermitteln, einbezogen zu werden. Eine inklusive Kultur bedeute, Angestellte müssen sich wertgeschätzt fühlen, zusätzlich ihre Meinung offen äußern, Einfluss auf Entscheidungen nehmen und ihre Fähigkeiten in vollem Umfang einbringen können.

Viele Studien zeigen jedenfalls, wer sich für ein inklusives Team einsetzt, meistert Herausforderungen oder Entscheidungsfindungen um ein Vielfaches besser. Neben den positiven Auswirkungen auf die Unternehmensleistung sorgt Inklusion zudem für eine stärkere Mitarbeiterbindung. "Die Studie zeigt, dass Mitarbeitende beinahe doppelt so häufig im Unternehmen bleiben, wenn sie das Gefühl haben, dass eine Kultur der Inklusion und Wertschätzung gelebt wird", sagt Mauersberger.

Empathie als Lösung?

Um Mitarbeitende zu binden und ein erfolgreiches Team zu führen, ist es also schon lange nicht mehr ausreichend, in seinem Fach erfahren zu sein und Feedback geben zu können. Die Anforderungen an Personen in Chefetagen verlangen immer mehr psychologische und zwischenmenschliche Kompetenz. In Bezug auf modernen Führungsstil ist dabei häufig von empathischer Führung die Rede. Menschen, die ihre Teammitglieder versuchen zu verstehen, sich in sie hineinversetzen und sie aktiv und gleichermaßen einbinden, können Inklusion stark fördern.

Dabei sollten Führungspersonen aber auf eine Balance achten. Wer versucht, in allen Bereichen immer alles richtig zu machen, gerät schnell an seine Grenzen – bis hin zur völligen Überforderung. Helfen soll dabei, immer wieder das Dreieck aus den eigenen Bedürfnissen, den Gefühlen der anderen und den Bedürfnissen des Unternehmens zu reflektieren. Es ist zwar sinnvoll, Mitarbeitende, die sich schlecht fühlen, so gut es geht zu unterstützen, aber es kann und muss keine tiefgründige Partnertherapie werden.

Es kann auch das Angebot reichen, dass sich die Person den restlichen Tag freinimmt – mit dem Wissen, dass es so ein Angebot nicht immer geben kann. Genauso muss auch nicht jedes Feedback positiv sein oder nur auf die Stärken einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters eingegangen werden. Auch schwächere Leistungen kann man benennen. (mera, 22.6.2023)