"Ich habe die Eden-Bar von meinem Vater Heinz Werner Schimanko geerbt, nachdem er im Jahr 2005 starb. Für mich als Frau war es bestimmt einfacher, diese Institution zu übernehmen. Warum? Weil ich nicht an ihm gemessen wurde. Ich war seine Tochter. Und er war eine sehr überragende Persönlichkeit. Formulieren wir es so, das Publikum hat mich damals dankbar angenommen und war einfach froh, dass es weiterging.

City, Innenstadt, Eden Bar, Vienna
Michaela Schimanko am Eingang zu ihrem Reich in der Wiener Liliengasse 2.
Michael Hausenblas

Insgesamt blickt die Bar auf eine Geschichte von 112 Jahren zurück. Ich nenne die Eden übrigens auch 'die alte Dame'. Zu ihrem 100. Geburtstag hab ich ihr ein Buch geschenkt. Da kommen sie alle vor. Billy Wilder, Ella Fitzgerald, Orson Welles, Liz Taylor, der Schah von Persien, Harry Belafonte und viele mehr.

All die Namen der illustren Gäste schwingen bis heute mit. Als mein Vater 1977 die Eden übernommen hat, war ich 13. Ich bin mit ihr und den anderen Lokalen aufgewachsen. Da gab es unter anderem noch das Moulin Rouge in der Walfischgasse, wo ich sogar meine Nachhilfestunden in Latein hatte. Ich kann mich gut an dortige Begegnungen mit Eartha Kitt und David Hasselhoff erinnern. Die Auftritte von Eartha Kitt gehören für mich vielleicht überhaupt zu den nachhaltigsten Erlebnissen. Die waren gigantisch. Auch Eddie Constantine war ein Wahnsinn. Vor kurzem besuchte uns Peter Kraus und ist auch aufgetreten. Der hat die Bude gerockt. Mit 84.

Mein Vater hat mich seinerzeit auch zum Einkauf von Varieté-Programmen mitgenommen. Da gab es noch Zauberkünstler, die mit Küken gearbeitet haben, was heute nicht mehr ginge, nicht mehr korrekt wäre. Tiger hatten wir keine, aber an einen Babyelefanten kann ich mich erinnern.

Klar hatten und haben manche Menschen immer noch Berührungsängste, wenn es darum geht, bei uns hereinzukommen. Ich habe mich immer bemüht, das abzubauen, unter anderem durch ein Theater- und Konzertprogramm. Das trug auch einiges dazu bei, Schwellenangst abzubauen. Andererseits soll ein Besuch in der Eden ja auch etwas Besonderes sein. Wir haben in den weniger warmen Jahreszeiten auch einen Schwerpunkt auf After-Work gelegt. Ab 17 Uhr.

Klar sind wir in der Eden anachronistisch unterwegs. Wir haben immer noch Sakko-Pflicht, aber die Gäste danken es uns. Ich glaube, es existiert eine neue Sehnsucht nach Nostalgischem. Erst vor kurzem wurde renoviert, was mit Freude und Applaus angenommen wurde.

Neue Sehnsucht nach Nostalgischem

Ich arbeite vier Nächte pro Woche. Meine Aufgaben bestehen unter anderem aus Administrationstätigkeiten, ich halte mich aber auch viel an der Türe auf, um die Gäste zu begrüßen. Die schätzen das. Vor allem die Frauen. Falls jemand spontan hereinschneien will, gibt es bei uns auch Leih-Sakkos.

Die vielen neuen American Bars sehe ich als sich gegenseitig befruchtend. Die Jungen pendeln gern zwischen den Lokalen, die Älteren eher weniger. Die Gäste bewegen sich alterstechnisch zwischen 18 und 90 Jahren und stellen einen bunten Mix dar. Dabei ist der Frauenanteil fast höher. Inzwischen bringen viele Stammgäste bereits ihre Kinder mit. Und die ihre Freunde. Am liebsten sind mir alle, die sich hier wohlfühlen und gut benehmen. Tut das jemand nicht, was allerdings nur hin und wieder vorkommt, ist das in der Regel nur von kurzer Dauer. Meistens reicht ein Ordnungsruf.

Am Ende der Covid-Zeit ist die Soravia-Gruppe als 50-Prozent-Partner eingestiegen. Dadurch wusste ich, dass die Eden noch weitere 100 Jahre schaffen wird. Insgesamt zählen wir 13 Mitarbeiter. Mein jüngster Bruder Heinz Rüdiger Schimanko ist ebenfalls mit an Bord. Ihm gehört auch das Hotel Orient. Ich bin überzeugt, dass die Eden gut in die Zukunft kommen wird. Unsere Kinder werden weitermachen, und sollten die Gäste irgendwann Aliens sein, werden auch diese bewirtet werden.

City, Vienna, Innenstadt, Eden Bar, Nachtlokal
Die Chefin glaubt fest an mindestens weitere 100 Jahre Eden-Bar.
Michael Hausenblas

War früher alles besser? Nein, es war anders. Mein Credo hab ich mir immer schon gern bei Sir Karl Popper ausgeborgt. Der meinte: 'Leben heißt Probleme lösen. Leben heißt Veränderung.' Jedes Lebensjahrzehnt bringt andere Anforderungen. Man muss mit der Zeit gehen und sich immer neu erfinden.

Natürlich war Wien früher kleiner und handlicher, aber der erste Bezirk ist doch immer noch ein Dorf. Wohnen möchte ich hier allerdings nicht. Wollte ich auch nie. Ich fahre sehr gern nach meinem Dienst die 25 Minuten zu mir nach Hause an den Stadtrand.

Corona hat uns schon auch aufgezeigt, dass wir dankbar sein müssen, dass die Touristen wieder da sind. Aus geschäftlicher Sicht auf jeden Fall. Wenn man am Samstagvormittag allerdings in ein Café frühstücken gehen will, schaut die Sache anders aus.

Ach, mir fällt doch etwas ein, das einst besser war. Früher hatte ich einfache Lichtschalter, heute muss ich die Lichtanlage über eine App bedienen, mit der ich immer noch meine Schwierigkeiten habe." (Michael Hausenblas, 26.6.2023)

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