Marie Kreutzer während ihrer Rede beim Österreichischen Filmpreis 2023 in Wien.
Marie Kreutzer während ihrer Rede beim Österreichischen Filmpreis 2023 in Wien.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Beim Österreichischen Filmpreis, der am vergangenen Donnerstag in Wien verliehen wurde, erhielt Corsage-Darstellerin Vicky Krieps den Preis für die beste weibliche Hauptrolle. An ihrer statt nahm Regisseurin Marie Kreutzer den Preis entgegen und hielt eine aufsehenerregenden Rede, die auf zweierlei abzielte. Im ersten Teil ihrer Rede verteidigte sie die die Nominierung von Corsage, nachdem sie in die Kritik geraten war, da Florian Teichtmeister darin die Rolle des Kaisers spielt und außerdem eine zweite Person, der Belästigungen vorgeworfen werden, an dem Film beteiligt gewesen sein soll.

Zu Teichtmeister äußert sich Kreutzer gegenüber dem ORF wie folgt: "Hätte ich Teichtmeister beim Auftreten der Gerüchte – zu diesem Zeitpunkt war der Film fast fertig geschnitten – aus dem Film 'entfernt', hätten wir ihn nicht fertigstellen können und damit die Förderverträge nicht eingehalten. Keine Versicherung hätte einen Nachdreh mit einem anderen Schauspieler bezahlt."

Wie in solchen Fällen mit Tätern und Täterinnen umzugehen sei, wurde letzten Herbst bei der Veranstaltung "Filmkultur: #MeToo, Diversität. Status quo und Perspektiven" diskutiert. Dabei wurde nach internen Lösungen gesucht und Unterstützung vonseiten der Filmförderung und der Produktionsfirmen gefordert.

Teichtmeister ist nicht "Corsage"

Zur Causa Teichtmeister und der Nominierung von Corsage nahm auch der Präsident der Akademie des Österreichischen Films, Produzent Arash T. Riahi, im ORF Stellung: "Corsage war Teil der Veranstaltung, weil die Produktionsfirma den Film eingereicht hat und viele Mitglieder die herausragenden Leistungen nominiert haben. Ich glaube, da wäre egal gewesen, ob er alle oder gar keinen Preis gewonnen hätte. Allein die Tatsache, dass er nominiert war, ist für viele Leute offenbar ein Problem. Da wird nicht differenziert, da werden Teichtmeister und Marie Kreutzer und die Akademie in einen Topf geworfen." Es sei aber vonseiten der Akademie darauf geachtet worden, dass Teichtmeister in keinem der am Abend gespielten Filmausschnitte präsent sei.

Statement zur Oralsexszene

Im zweiten Teil der Rede nannte Kreutzer drei anonyme Übergriffe in der Branche. Auf einen davon, bei dem es um einen Schauspieler gehen soll, der masturbierte, während er von der Maskenbildnerin geschminkt wurde, reagierte mittlerweile die Interessenvertretung der Maskenbildnerinnen und -bildner: "Wir müssen hiermit leider bestätigen, dass solche und ähnliche Situationen tatsächlich vorkommen" heißt es in einem auf Instagram veröffentlichten Statement.

Zu einem zweiten Fall, in dem Kreutzer von einem Regisseur sprach, "der sich als Penisdouble für einen Darsteller zur Verfügung gestellt hat, weil dieser die Oralsexszene mit einer Kollegin nicht ganz so real drehen wollte", liegt dem ORF mittlerweile ein Statement vor, das den Übergriff nicht bestätigt.

In der Stellungnahmen erklären die Schauspielerin und der Regisseur gemeinsan, dass es sich um professionelle, einvernehmliche und geschützte Dreharbeiten unter ständiger Anwesenheit von weiblichen und männlichen Vertrauenspersonen gehandelt habe. Außerdem seien beide vor der öffentlichen Anschuldigung von niemandem kontaktiert oder befragt worden.

Kritik an Kreutzers Rede

Dazu äußerte sich auch die Regisseurin und MeToo-Aktivistin Katharina Mückstein via Instagram-Story: "Es ist auch Machtmissbrauch, Geschichten von Übergriffen in die Öffentlichkeit zu bringen, ohne das mit den jeweiligen Betroffenen abgesprochen zu haben. Stell dir vor, du sitzt beim Filmpreis im Publikum, und deine Geschichte wird dort plötzlich auf der Bühne erzählt." Weiters weist Mückstein darauf hin, dass die Betroffenen persönliche oder juristische Gründe haben könnten, warum sie mit ihrer Geschichte bislang nicht an die Öffentlichkeit gegangen seien.

Laut Anfrage des STANDARD war es Marie Kreutzer ein Anliegen mit ihrer Rede "die Scheinmoral vieler in der Branche anzusprechen", insbesondere jener, die die Filmproduktion rund um "Corsage" im Umgang mit dem Fall Teichtmeister verurteilt hätten. Die drei MeToo-Fälle basierten auf Gerüchten, die in der Branche kursierten. Kreutzer habe die Betroffenen im Vorfeld nicht kontaktiert, die Geschichten jedoch so erzählt, dass niemand unwillentlich geoutet worden sei:

"Mein Ziel war es, Bewegung in die stagnierende #metoo-Debatte zu bringen. Im letzten Jahr ist einiges passiert, aber noch lang nicht genug. Die Rede der Präsident:innen am Anfang der Verleihung hat zu mehr Ehrlichkeit und Hinschauen aufgerufen – genau das hat meine Rede erfüllt. Dass das jetzt nicht alle glücklich macht, war mir klar. Aber wenn Dinge sich verändern sollen, muss man manchmal laut sein."* (Valerie Dirk, 22.6.2023)