Es ist ein nicht unüblicher Fall: Eine Familie besitzt ein sanierungsbedürftiges Zinshaus, aber nicht die nötigen Mittel, um das Heizsystem auf erneuerbare Energien umzustellen oder die Fassade zu dämmen. Oft kommen noch familiäre Streitigkeiten und andere Schwierigkeiten oder Überforderung hinzu, weiß die Architektin Regina Lettner, die Zinshaus-Workshops für Familien veranstaltet. Gleichzeitig gibt es Menschen, die gemeinschaftlich als Baugruppe wohnen, aber dafür keinen Neubau auf die grüne Wiese stellen möchten. Diese beiden Akteurinnen zusammenzubringen ist das Ziel des Projekts "Zinshaus x Baugruppe".

Zinshaus Wien
Viele Zinshäuser in Wien müssen dringend saniert werden. Sind sie in Familienbesitz, gibt es oft viele Hürden.
APA/HELMUT FOHRINGER

Vielen Zinshausbesitzern bleibt oft nur die Option, ihr Haus komplett oder teilweise an einen Investor zu verkaufen, um eine notwendige Sanierung stemmen zu können. Eine Baugruppe könnte hier die finanziellen Mittel für eine Sanierung einbringen und gleichzeitig ein Zuhause finden. Wie die Zusammenarbeit letztlich genau abläuft, hängt von den Bedürfnissen beider Seiten ab. Im Projekt werden derzeit unterschiedliche Modelle dafür erarbeitet. Die Baugruppe könnte als Mieterin einziehen, das Zinshaus teilweise oder komplett kaufen. Im Projekt arbeiten mehrere Organisationen und Initiativen zusammen, die Sanierungswissen für Zinshäuser und umfassendes Baugruppen-Know-how sowie Finanzierungs-, Steuer- und Rechtsexpertise einbringen.

Eine weitere Option wäre auch, dass schon bestehende Bewohner eines Zinshauses sich zusammentun, um gemeinsam den Erhalt oder die Sanierung ihres Gebäudes zu sichern. Auch die Einrichtung eines Baurechts wäre eine Option. Viele Zinshausbesitzer wollen nicht verkaufen, weiß Architekt Günter Lagler. Ein Baurecht auf 99 Jahre könnte dieses Problem lösen und dennoch für beide Seiten eine gute Option sein, sagt er.

Die Erben entscheiden

Vor allem ältere Zinshausbesitzer müssten vermutlich überzeugt werden, ist dem Projektteam klar. Ihre Idee sei relativ neu, Beispiele für schon vorhandene Umsetzungen gebe es vereinzelt – etwa in Deutschland, wo Hausbewohnerinnen nicht auf ihre Delogierung warten, sondern das Wohl ihres Zuhauses selbst in die Hand nehmen wollten. Oft seien es die Kinder, die bereits wissen, dass sie das jetzt sanierungsbedürftige Haus einmal erben werden. "Sie wollen ihren Nachkommen etwas Gutes hinterlassen, sie selbst sind Teil einer Generation, die sich durch die Belastung oft an die Wand gedrückt fühlt", sagt Lagler.

Rund 14.000 Mehrparteienhäuser in Familienbesitz gibt es in Wien. Sie alle hätten gemeinsam, dass die Familien aus Gas aussteigen und ihr Haus gut erhalten wollen, weiß Lettner. Zudem seien sie gute Vermieter und setzen auf ein Miteinander mit ihren Bewohnerinnen. Hier sehen die Projektverantwortlichen die Chance für die Baugruppen und eine Sanierung auch "im sozialen Sinn", wie Petra Hendrich vom Reality Lab es nennt. 

Das Projekt soll demnächst mit zwei konkreten Häusern starten. Aktuell werden Zinshausbesitzer gesucht, die Interesse haben. Und auch all jene, die gerne in einer Baugruppe leben würden, können sich bereits melden. (Bernadette Redl, 29.6.2023)