Obwohl die Energiekosten vielen Menschen und Gemeinden zu schaffen machen, werden unsere Nächte immer heller. Definitiv lässt sich das bis zum Jahr 2022 sagen: Ein internationales Team um den deutschen Physiker Christopher Kyba hat herausgefunden, dass die Menge an künstlichem Licht im Jahrzehnt von 2011 bis 2022 weltweit um rund zehn Prozent pro Jahr zunahm.

Dafür griff man auf Daten aus der Beobachtung des Nachthimmels von 50.000 Menschen zurück, die am Citizen-Science-Projekt "Globe at Night" ("Die Welt nachts") teilnahmen. Citizen Science bezeichnet wissenschaftliche Projekte unter Mithilfe von interessierten Amateurinnen und Amateuren.

Zu hell für Tier und Mensch

Den Linzer Handchirurgen und Astrofotografen Dietmar Hager wundert das nicht. Er beschäftigt sich schon lange mit der Erhellung der Nächte durch beleuchtete Straßen, Gebäude und Schaufenster sowie Werbetafeln und Videowände. Hager diagnostiziert vier große Probleme, die all das künstliche Licht verursache – negative Folgen für die Umwelt, die Gesundheit, die Energieversorgung und schließlich auch fürs Weltbild des Menschen. "Es geht nicht darum, den Menschen die Beleuchtung wegzunehmen. Es geht darum, diese auf eine sanfte und brauchbare Beleuchtung umzustellen, die nicht blendet", sagt er.

Skyline von Wien, Nacht, Lichtverschmutzung
In Wien ist es Nacht, aber nicht richtig dunkel. Fachleute warnen vor den Folgen der Lichtverschmutzung, die jedes Jahr um rund zehn Prozent zunimmt.
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Bis zu 75 Prozent der Energie, die wir für künstliches Licht in der Nacht benutzen, flössen in "sinnloses Licht, das niemandem hilft", kritisiert der Arzt. Dabei gehe unnötig viel Licht nach unten, oder das Licht geht zur Seite oder nach oben. Dass es gerade in Städten nie mehr richtig finster wird, sei auch ein gesundheitliches Problem. "Licht am Schlafplatz macht krank", sagt Hager unter Berufung auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). So erhöhe die nächtliche Helligkeit das Risiko für bestimmte Krebsarten. Außerdem bekomme man bei zu viel künstlichem Licht "keinen wirklich erholsamen Schlaf, dafür brauchen wir Melatonin", erinnert Hager.

Amputiertes Weltbild

Warum die schwindende Finsternis laut dem passionierten Sterngucker Hager auch unser Weltbild verändert? "In der gesamten Kulturgeschichte der vergangenen 7500 Jahre hat es noch nie eine Hochkultur gegeben, die ihr Weltbild nicht aus der Beobachtung der Sterne abgeleitet hat. Die Sterne stiften unser Weltbild", sagt er. Dieses werde mit dem vielen Lichtsmog aber geradezu amputiert. "Wir können am richtigen Ort 2,5 Millionen Lichtjahre hinaus schauen. In einer Stadt reicht der Blick gerade einmal für ein paar Lichtjahre. Mit der Lichtverschmutzung machen wir unser Fenster zum Kosmos zu", bedauert Hager.

Lichtverschmutzung, Schanghai
Abertausende von Lichtern sorgen dafür, dass es nachts nicht mehr wirklich dunkel wird. In großen Städten wie Schanghai, wo quasi alles beleuchtet ist, ist die Lichtverschmutzung ein besonderes Problem.
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Gegenmaßnahmen

Auch Eva Schernhammer ist Expertin für das Thema Lichtverschmutzung und ihre Folgen. Die Medizinerin schlägt für Österreich sogenannte Dark-Sky-Regionen vor. Dort würde zumindest vorübergehend so wenig künstliches Licht wie möglich in den Nachthimmel gestrahlt werden, wie Schernhammer in einem Interview mit Ö1 erklärt. Eine solche Region gibt es bereits rund um den Attersee und den Traunsee. Der erste Sternenpark des Landes umfasst ein über hundert Quadratkilometer großes Gebiet zwischen den beiden Seen. Weltweit gibt es bereits knapp 150 Sternenparks, knapp 35 in Europa. 

Es brauche in Österreich noch weitere solcher Modellregionen, "wo man die Dunkelheit aufrechterhält", findet Schernhammer. Dort könnten Forschende die Auswirkungen der Dunkelheit auf Menschen, Tiere und Pflanzen untersuchen.

Sternenpark Österreich; Attersee; Traunsee; Dark Sky Region; Lichtverschmutzung
Die Region Attersee/Traunsee wird zum ersten Sternenpark in Österreich. Die gegen die Lichtverschmutzung kämpfende International Dark Sky Association erklärte dort ein über hundert Quadratkilometer großes Gebiet zum "Dark Sky Park".
APA/PETER OBERRANSMAYR

Andere Maßnahmen wären, Werbereklamen ab einer bestimmten Uhrzeit abzuschalten, Gebäudebeleuchtungen zu reduzieren oder sie zeitweise ebenfalls ganz abzuschalten. Auch Straßenbeleuchtungen können so designt sein, dass sie das Licht weniger in den Himmel strahlen, sondern auf den Boden. Die Politik müsse klare Richtlinien und Gesetze festschreiben und bessere Beleuchtungssysteme in den Städten implementieren, findet die Medizinerin. 

Zeitweise abdunkeln

Der "Österreichische Leitfaden für Außenleuchtung" gibt konkrete Tipps für eine umweltfreundliche Beleuchtung. Er wurde von Expertinnen und Experten aller Bundesländer erarbeitet, darunter auch Schernhammer. Die Autorinnen und Autoren betonen abermals, wie wichtig es sei, bei Laternen auf eine richtige Abstrahlrichtung zu achten. "Licht soll nur auf jene Flächen treffen, die beleuchtet werden sollen." Zudem sei eine "Nachtabsenkung" wichtig, also dass die Beleuchtung in der Nacht reduziert werde. Rechtlich sei in Österreich weder festgeschrieben, dass Straßen die ganze Nacht beleuchtet werden, noch dass die Leuchten abgeschaltet werden. In manchen Gemeinden sei es bereits gängige Praxis, die Straßenbeleuchtung während der zweiten Nachthälfte abzuschalten.

Eine Möglichkeit sei auch eine sogenannte sensorgesteuerte Beleuchtung. Sie sorgt dafür, dass es nur dann Licht gibt, wenn wirklich Licht gebraucht wird. Fährt also ein Auto vorbei, erhellen sich die Leuchten rechtzeitig auf 100 Prozent, um sich dann wieder auf 40 Prozent abzudunkeln, sobald die Straße leer ist. "Vor allem in Gebieten geringer Siedlungs- und Verkehrsdichte können diese Systeme zu erheblichen Einsparungen führen", heißt es in dem Leitfaden.

Die Lichtfarbe ist ebenfalls entscheidend: Die Farbtemperatur der Leuchten solle 3000 Kelvin – das entspricht der Farbe einer Halogenlampe – nicht übersteigen. Nur bei besonderen Veranstaltungen wie Sportevents, die im Fernsehen übertragen würden, sei womöglich mehr sinnvoll. Mediziner Hager sagt, dass etwa weißblaues Licht ineffizient, leicht orangehaltiges Licht hingegen sinnvoller sei.

Man braucht also nicht so viel Licht und auch nicht immer. Forscherinnen und Forscher hoffen daher auf finstere Zeiten. (Lukas Kapeller, Lisa Breit, 27.6.2023)