Harrison Ford
Wo hat Archimedes bloß sein Rad des Schicksals versteckt? Harrison Ford auf Recherche.
Jonathan Olley / Lucasfilm Ltd.

Ein Unbekannter mit Sack über dem Kopf wird dem Anführer der Nazi-Schergen vor die Füße geworfen. Er habe sich als Nazi-Offizier ausgegeben. Die Verortung im Zweiten Weltkrieg, die falsche Uniform, das mit Kunstschätzen vollgepackte Château, die schreienden Nazis – all das kommt einem bekannt vor. Und tatsächlich, Sekunden später wird der Sack vom Gesicht gezogen, und Harrison Fords Indiana Jones grinst sein unverkennbares, süffisantes Grinsen. Dass Indy sich überhaupt noch mit seinen alten Widersachern Anfang der 1940er-Jahre anlegen kann, liegt an der modernen Technologie. Mittels Deep Fake hat man den knapp 81-jährigen Ford auf sein 40-jähriges Selbst aufgebügelt. Nostalgie hoch zehn, eine Verbeugung vor dem zur Ikone gewordenen Archäologen.

Ende Juni präsentierte der Darsteller den fünften Teil der Reihe, Indiana Jones und das Rad des Schicksals, in Berlin. "Eine wunderbare Erfahrung, dieses letzte Kapitel präsentieren zu können", erklärte Ford im Interview mit dem STANDARD. Vorab hatte er angekündigt, Hut und Peitsche an den Nagel hängen zu wollen. Der verklärte Blick auf die Vergangenheit, aber auch die Besinnung aufs Jetzt sind Themen, die der Film aufgreift.

Lucasfilm

"Es geht darum, die Fehltritte der Vergangenheit zu korrigieren", so Ford. So hat Indiana Jones im Laufe der Jahre oft die Lektion vergessen, dass nicht jeder Schatz auf dieser Welt in einem Museum Platz hat. Hat Freunde und Familie vernachlässigt – und ist zu Beginn des Films ein einsamer Greis, der Streit mit den Nachbarn sucht. Die Frage nach dem eigenen Vermächtnis ist es auch, die Indiana Jones 1969 in sein neuestes Abenteuer treibt. Patentochter Helena Shaw, dargestellt von der energischen Phoebe Waller-Bridge, möchte ein altes Artefakt, das Indy in der Anfangssequenz gefunden hat, studieren: Das Rad des Schicksals wurde von Archimedes entworfen, es soll Zeitreisen ermöglichen.

Bekannte Motive

Indy willigt ein, Helena zu helfen. Doch dann stellt sich heraus, dass Helena das Rad des Schicksals nicht nur für ihre Studien braucht, sondern andere Pläne verfolgt. Indy bekommt es obendrein mit einem alten Bekannten zu tun. Nazi-Wissenschafter Jürgen Voller, von Dauerbösewicht Mads Mikkelsen verkörpert, möchte den Apparat zurück. Und hat düstere Absichten. Neben Deep-Fake-Indy bauen die Drehbuchautoren James Mangold, der auch die Regie von Steven Spielberg übernommen hat, und David Koepp weitere bekannte Motive ein. Das funktioniert streckenweise ganz gut. Doch die Retro-Kutsche verfällt immer wieder in ein rastloses Abrattern von Schauplätzen und Actionsequenzen.

Die Idee für den Archäologen kam George Lucas und Steven Spielberg einst in den 1970ern im Urlaub. Für Ford ist es eine Lebensrolle. Diskussionen, dass jemand sie übernehmen könnte, sind verstummt. Und so wollte Ford sein Altern auch nie vor der Kamera verstecken. Die größte Herausforderung "bestand darin, dass die Produzenten mich Dinge schlecht machen ließen. Ich wollte Indiana Jones mit 80 auf einem Pferd sehen. Ich wollte nicht drei Stuntleute sehen."

Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge
Harrison Ford als Indiana Jones und Phoebe Waller-Bridge als dessen Patentochter Helena.
Lucasfilm Ltd.

Lob der Technologie

Dieser Fokus auf eine analoge Action ist es, der die Filmreihe stets von anderen Blockbustern unterschied. Fords Indiana Jones war ein Alltagstyp, der schwitzte, litt und blutete. Von digitalen Effekten hält Ford nicht viel. "Ich möchte, dass Sie mit mir mitten im Kampf sind, meine Angst, meine Erschöpfung, mein Versagen und den Triumph sehen." Die moderne Technologie lobt er dennoch. Es sei großartig, wie weit man gekommen sei. Sie erlaube, "der immer älter werdenden Geschichte einen Anknüpfungspunkt zu geben", so Ford zu seinem CGI-Gesicht.

CGI hatte bereits ab dem vierten Indiana Jones 2008 unweigerlich Einzug gehalten. Waren es dort Riesenameisen und Aliens, so sind es hier Deep-Fake-Indy und seine Prügelei auf einem Zug. Der hauchdünne Realismus, der einen noch in ikonischen Sequenzen wie der Verfolgungsjagd auf dem Laster in Jäger des verlorenen Schatzes mitriss, geht dauerhaft verloren. Der Begeisterung für die Filme werden solche Defizite keinen Abbruch tun. Um Brücken zwischen alten und neuen Generationen zu schlagen, braucht es manchmal keine neuen Helden. Sondern einfach ein freudiges Wiedersehen mit alten Bekannten. (Susanne Gottlieb, 28.6.2023)