Man stelle sich vor, die Regierung eines Landes will ein Gesetz gegen "Alkohol am Steuer" beschließen. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen einigt man sich auf einen Entwurf, in dem diese Absicht bekräftigt wird, aber ein wesentlicher Punkt fehlt: die Festlegung einer Promillegrenze.

Von einem vergleichbaren Schildbürgerstreich durften wir dieser Tage in Österreich erfahren. In ihrem 58-seitigen Entwurf "Bodenstrategie für Österreich" hat es unsere Bundesregierung geschafft, auf eine verbindliche Zielvorgabe für die Verringerung des durch maßlose Bodenversiegelung angetriebenen Flächenfraßes zu vergessen. Nachdem den Grünen diese Eselei noch in letzter Sekunde aufgefallen war, wurde der Entwurf zurückgezogen, und der auch im internationalen Vergleich unfassbar hohe, für die Umwelt und alle Lebewesen katastrophale Bodenverbrauch in unserem Land geht munter weiter.

Der Bodenverlust in Österreich ist enorm – oder anders: mehrere Stadien pro Tag groß.
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Um das Ausmaß der Zerstörung anschaulicher zu machen, ist oft von "sechzehn Fußballfeldern pro Tag" die Rede, und vielleicht sollte man zur Versinnbildlichung der Bedrohung auch die Erschaffung eines Symbolwesens andenken. Nach dem Vorbild des die Gefahren der Zahnputzvernachlässigung verkörpernden "Karies-Teufels" würde sich hier als Warnfigur der "Flächen-Fraß" anbieten.

Seine optische Gestaltung könnte, als Referenz an die größten Flächenfresser des Landes, werbebewährten Maskottchen wie dem Billa-Wildschwein Ferdl oder dem S-Budget-Börserl nachempfunden werden, für Stimme, Sprache und Agenda empfehle ich zur Inspiration das Nachhören des jüngsten Ö1-Morgenjournal-Interviews mit dem Präsidenten des österreichischen Gemeindebunds, Alfred Riedl. Dieser klingt nicht nur wie eine zu gehässige Fußballerparodie aus den 1980er-Jahren, sondern bringt auch die Ursache des heimischen Bodenschutzdebakels auf den Punkt: Wie viel Boden im Land verbraucht wird, entscheiden die Bürgermeister, und sonst niemand, Ende der Debatte.

Immerhin weiß der Mann, wovon er spricht. Als Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Grafenwörth gelang ihm 2019 ein bemerkenswerter Deal, indem er einer Projektentwicklungsfirma vier Parzellen mit Äckern, Wiesen und Pappelwäldern in seinem Heimatort um 1,5 Millionen Euro verkaufte. Die Grundstücke hatte er selber in den Jahren davor gekauft, geerbt und ersteigert. Vor dem Weiterverkauf wurden sie noch rasch in Bauland umgewidmet, wodurch Riedl eine Million Euro Gewinn für sich verbuchen durfte. Die Zubetonierung ist seither im vollen Gang.

Und auch die Empörung Riedls über das Bewerten der Errichtung von Fußballplätzen als Bodenverlust wirkt authentisch, gibt es doch in Grafenwörth nicht bloß einen gewöhnlichen Fußballplatz, sondern auch ein Stadion. Es heißt "Alfred-Riedl-Stadion", und ist nicht nach dem vor drei Jahren verstorbenen ehemaligen ÖFB-Teamspieler und -Trainer, sondern tatsächlich nach dem lokalen Bodenfraß-Kaiser benannt.

Vielleicht könnten wir ja in Zukunft, wenn wir über den weiterhin ungebremsten Wahnsinn des Bodenverlustes klagen, die zur Veranschaulichung zitierten "sechzehn Fußballfelder pro Tag" in der neuen Maßeinheit "Alfred Riedl-Stadien" angeben. (Florian Scheuba, 29.6.2023)