Eineinhalb Jahre lang laufen die Verhandlungen bereits, am Dienstag hätte es in einer politischen Sitzung der Österreichischen Raumordnungskonferenz (Örok) nun zu einer Einigung kommen sollen. Doch der Beschluss der österreichischen Bodenstrategie musste neuerlich vertagt werden. Ursache ist ein Disput, der schon am Montag offen ausgebrochen war. Da hatte sich der grüne Vizekanzler Werner Kogler klar dagegen ausgesprochen, dass eine Bodenstrategie beschlossen wird, die keine verbindlichen Ziele zur Reduzierung des Bodenverbrauchs von derzeit bundesweit rund zehn auf nur noch 2,5 Hektar pro Tag enthält.

Diese Einigung gab es dann auch nicht. Es gebe noch offene Fragen, mit diesen Worten trat Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) später flankiert vom burgenländischen Raumordnungslandesrat Heinrich Dorner und vom TU-Raumordnungsexperten Arthur Kanonier vor die Medien. Offenkundig war da schon, dass die Diskussion eine sehr heftige gewesen sein musste, denn das Hintergrundgespräch mit Medienvertretern musste um eine Dreiviertelstunde nach hinten verlegt werden.

Asphaltierter Boden heizt sich in der Sommerhitze stark auf – eines von vielen Problemen des Bodenverbrauchs.
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Es sei tatsächlich eine "intensive Sitzung" gewesen, sagte Totschnig. Man befinde sich zwar "haarscharf" vor einem Abschluss, es brauche aber noch ein paar Wochen bis Monate, sagte der Minister. Es spießt sich konkret an einer schon davor von Umweltorganisationen kritisierten Formulierung im Kapitel "Zielwerte bis 2030". Dort heißt es nämlich in der derzeitigen Fassung der Bodenstrategie noch, das 2,5-Hektar-Ziel solle "einer evidenzbasierten Plausibilisierung unterzogen werden". An anderer Stelle ist nur von einer "substanziellen Reduzierung" des Bodenverbrauchs die Rede, ohne quantitative Konkretisierung. Das war den Grünen eben nicht genug.

Nun wird nochmals eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, bestehend aus Vertretern von Bund und Ländern sowie Städte- und Gemeindebund. Diese soll an einer neuen Formulierung arbeiten. Im September sollte es dann endlich auch die neu berechneten Zahlen vom Umweltbundesamt geben, kündigte Totschnig noch an. Das Umweltbundesamt entwickelt derzeit im Rahmen der Bodenstrategie und im Auftrag der Örok ein neues Datenmodell für den Bodenverbrauch, das alle bundesweit verfügbaren, sektoralen Daten berücksichtigt und künftig auch differenzierte Auswertungen ermöglichen soll.

Kogler: "Es wird weitergearbeitet"

"Ohne verbindliche, klar definierte Ziele bleibt diese Strategie an entscheidender Stelle unvollständig", wurde Vizekanzler Kogler nach der Sitzung in einer Aussendung zitiert. "Und genau deshalb wird hier jetzt weitergearbeitet."

Über Flächenkontingente für Länder und Gemeinden, mit denen die bundesweiten 2,5 Hektar pro Tag dann auf die Gebietskörperschaften sozusagen "aufgeteilt" werden könnten, habe man in all dieser Zeit übrigens nicht gesprochen, sagte TU-Professor Kanonier, der auf fachlicher Ebene an der Strategie federführend beteiligt ist. "So weit waren wir noch nicht." Zuerst bräuchte es aber ohnehin die bundesweite Bodenstrategie, die ohnehin kein verbindliches Regelwerk wäre, wie Kanonier mehrmals betonte. Grundsätzlich spreche man aber in der nun eben nur fast fertigen Strategie alle wichtigen Themen an, vom Monitoring des Flächenverbrauchs und der Bodenversiegelung bis hin zur notwendigen Reduktion von Baulandüberhängen, also von unbebautem, aber schon gewidmetem Bauland, mithilfe von Rückwidmungen.

Kritik von NGOs

Kritik gab es umgehend vom WWF, der einen "glaubwürdigen Neustart bei der Bodenpolitik" forderte und bisher durchgesickerte Entwürfe allesamt als "ambitionslos" bezeichnete. Vor allem die Bundesländer müssten "ihre Blockadehaltung gegenüber echtem Bodenschutz überdenken", heißt es in einer Aussendung.

Der WWF fordert insbesondere die Ökologisierung der Raumordnung und des Steuersystems sowie eine Naturschutzoffensive. "Bis heute lässt die Politik neue Einkaufs- und Gewerbeparks auf der grünen Wiese zu, während die Ortszentren veröden und mit Leerständen kämpfen. Das verstärkt die Zersiedelung des ländlichen Raums und hat hohe Folgekosten für die gesamte Gesellschaft", kritisiert WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories. "Daher braucht es strengere Regeln. Denn solange Gemeinden allein über Flächenwidmungspläne entscheiden, aber dabei primär Steuereinnahmen durch eine Ausdehnung der Siedlungs- und Gewerbegebiete anstreben, wird sich das Problem nicht lösen." Ebenfalls falsche Anreize setzen umweltschädliche Subventionen in Milliardenhöhe. Daher fordert der WWF die sofortige Vorlage eines Reform- und Abbauplans durch den Finanzminister. (Martin Putschögl, 20.6.2023)