Die Inflation hat sich gemäß einer Schnellschätzung der Statistik Austria im Juni auf 8,0 Prozent verringert, hält sich damit in Österreich aber weiterhin auf sehr hohem Niveau. Nachlassender Preisdruck bei Energie und Nahrungsmitteln war maßgeblich für den merklichen Rückgang, im Mai lag die Teuerung noch bei genau neun Prozent. "Der Rückgang geht in erster Linie darauf zurück, dass die Preise für Treibstoffe und Heizöl im Vergleich zum Juni des Vorjahres deutlich gesunken sind", sagt Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. "Darüber hinaus haben sich die anhaltend hohen Preissteigerungen in der Gastronomie, bei Haushaltsenergie und bei Nahrungsmitteln im Juni weiter leicht abgeschwächt.“

Ein Wiener Schnitzel mit Pommes frites.
Dreht sich in Österreich schon die Lohn-Preis-Spirale? Personalintensive Branchen wie die Gastronomie geben höhere Lohnkosten meist zeitnah an die Kundschaft weiter.
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Damit bleibt die Inflation in Österreich weiterhin höher als im Durchschnitt der Eurozone. Warum das so ist, damit hat sich die wirtschaftsliberale Agenda Austria auseinandergesetzt und einen Hauptverursacher ausfindig gemacht: die Bundesregierung. Diese hat im Gegensatz zu anderen Ländern der Währungsunion wie Spanien kaum in die Preisgestaltung eingegriffen – was laut den Agenda-Ökonomen Marcell Göttert und Hanno Lorenz zwar den Vorteil hat, dass es schneller zu Anpassungen, etwa Maßnahmen zum Energiesparen, kommt. Allerdings werden Einkommen und Vermögen in Österreich schneller entwertet. Zudem fallen Lohnabschlüsse höher aus, was zulasten der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft geht. Dennoch meinen Göttert und Lorenz: "Diese Zurückhaltung war richtig: Eingriffe in die Preisgestaltung mögen zwar die Inflationsraten drücken, kosten aber sehr viel Geld."

Zu üppige Teuerungshilfen

Was die Verbraucherpreise hierzulande in den vergangenen Monaten auf ein besonders hohes Niveau getrieben habe, seien die großzügigen Hilfen der Regierung für die Bevölkerung, damit diese die höheren Preise auch stemmen kann. "Was an sich richtig klingt, wurde hierzulande leider viel zu beherzt umgesetzt", sagen die Agenda-Ökonomen. Allein im Vorjahr gab der Staat 6,8 Milliarden Euro für Antiteuerungsmaßnahmen aus, bis 2026 sollen die Antiteuerungspakete der Agenda Austria zufolge kumuliert mehr als 20 Milliarden Euro erreichen. Dadurch erhöhten sich die Konsumausgaben der Haushalte im vierten Quartal des Vorjahres auf Jahressicht um mehr als fünf Milliarden Euro, das entspricht einem Zuwachs von fast zehn Prozent.  

"Dass die Hilfen weit über das sozialpolitische Ziel hinausgeschossen sind, sehen wir an den gut gefüllten Restaurants oder ausgebuchten Urlaubsfliegern", ergänzen die beiden Ökonomen. Ohne die Gelder der öffentlichen Hand wäre der Verbrauch preisbereinigt gesunken und hätte dadurch den Nachfragedruck verringert. "Richtig wäre, nur die Einkommen der schwächsten Haushalte zu stützen, damit diese weiterhin ihren Grundbedarf wie Ernährung, Wohnen und Heizen vollumfänglich decken können", betonen Göttert und Lorenz.

"Wenn das Angebot kaum wächst, die Nachfrage aber deutlich zunimmt, sind steigende Preise die logische Konsequenz", folgern die Ökonomen. "Damit ist die hohe Inflation durch teure Fördergießkannen zumindest teilweise hausgemacht." Die Folge: Wegen der hohen Teuerung werde es heuer vermutlich kaum reales Wirtschaftswachstum geben. Dazu kommt eine eher düstere Inflationsprognose: "Die Preise dürften aber weiterhin kräftig anziehen; ein Rückgang der Inflationsrate auf unter acht Prozent scheint sehr unwahrscheinlich."

Ärmere immer stärker betroffen

Das sind speziell für einkommensschwache Haushalte schlechte Nachrichten, denn für sie fällt die Teuerung nach Berechnungen des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts stets höher aus. Der Grund dafür, dass die soziale Schere bei der Inflation aufgeht, sind die Konsumgewohnheiten der Einkommensgruppen. Menschen im ärmsten Fünftel müssen bedeutend mehr ihres verfügbaren Einkommens zur Deckung der Grundbedürfnisse – Essen, Wohnen, Heizen – aufwenden, wo der Preisauftrieb am stärksten ist.  Die gesunkenen Spritpreise helfen dafür Haushalten mit höheren Einkommen mehr, weil diese häufiger ein Auto besitzen. 

Die Folge: Die Inflation im lag ersten Quartal 2023 im einkommensschwächsten Fünftel der Haushalte mit 11,1 Prozent um 1,7 Prozentpunkte höher als im Fünftel der Haushalte mit den höchsten Einkommen mit 9,4 Prozent. "Die Inflationsungleichheit steigt damit an", sagt Alexander Huber, Inflationsexperte beim Momentum-Institut. "Im vierten Quartal 2022 betrug der Abstand der Teuerung zwischen armen und einkommensstärksten Haushalten noch 1,3 Prozentpunkte." Und im Sommer 2022 seien die Inflationsraten der Haushalte mit den höchsten und niedrigsten Einkommen noch gleichauf gelegen.

Positiv sei die Ankündigungen der Energiefirmen, die Preise zu senken. "Um gezielt die ärmsten Haushalte zu entlasten, braucht es bei den Inflationstreibern Wohnen und Lebensmittel aber trotzdem noch Preisbremsen, etwa eine flächendeckende und rückwirkende Mietpreisbrems", sagt Huber. Bei Lebensmitteln könne zudem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel Erleichterung verschaffen. (Alexander Hahn, 30.6.2023)