"Report"-Moderatorin Susanne Schnabl-Wunderlich sucht in ihren ORF-"Sommergesprächen" diesmal die Reduktion auf das Gespräch. Die Interviews werden im Parlament, aber dieses Jahr nicht live geführt.

Kein Gespräch in der schwarzen Box mit Düsterlicht im Parlament, aber eine Weiterentwicklung ihrer 20 Fragen an den Präsidenten vom Jänner: So Schnabl-Wunderlich die ORF-"Sommergespräche" 2023 ab 7. August mit den Parteichefinnen und -chefs.

"Ich treffe im 'Report'-Studio oder in den 'Sommergesprächen' nicht auf Gegner, so lege ich das nicht an": Susanne Schnabl über ihren Interviewstil.
Heribert Corn

"Wir nehmen Tempo raus"

STANDARD: Sie machen nach 2016 Ihre zweiten Sommergespräche, schon ein Routinejob?

Schnabl: Wir machen es anders als sonst, auch aus der Erfahrung von 2016.

STANDARD: Und wie anders wird es heuer?

Schnabl: 2016 haben wir die "Sommergespräche" als großes Liveinterview gemacht. Das Tempo des täglichen Nachrichtenkreislaufs, der Tagesaktualität seither hat zugenommen. Ich möchte einen Schritt zurück machen. Wir nehmen Tempo raus. Es ist ein gesellschaftspolitisches Gespräch mit kritischem Nachfragen.

STANDARD: Entschleunigung also.

Schnabl: Nicht getrieben von der Tagesaktualität, der Politikerinnen und Politiker als auch wir Journalisten unterworfen sind.

STANDARD: Und was wollen Sie dann wissen?

Schnabl: Es geht ums große Ganze, das "big picture". Die Möglichkeiten bieten die "Sommergespräche". Im "Report" laden wir zu einem bestimmten Thema ein. In den "Sommergesprächen" ist der Zugang: Wir haben jetzt drei Jahre Krise erlebt, wir können das Wort alle nicht mehr hören, aber wir spüren, was nicht mehr funktioniert. Wir erleben eine Repolitisierung, es gibt einen neuen Parteichef. Da gibt es ideologisch-politisch ganz unterschiedliche Modelle. Ich will wissen: Wie wollen wir in Zukunft leben, welche Konzepte, Pläne, gar Visionen gibt es, um die aktuellen Herausforderungen zu lösen. Und gibt es eine Gedanken über die Tagesaktualität hinaus?

STANDARD: Erzählen die dann nicht alle nur ihre "großen Visionen", das Blaue vom Himmel?

Schnabl: Dafür gibt es Interviewer und Interviewerinnen, um nachzufragen.

STANDARD: Die sagen: Glaub ich nicht.

Schnabl: Das wäre ein bisschen plump. Es geht darum, das Gesagte nach dem Faktischen abzuklopfen. Das sind für mich ja keine unbekannten Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner. Es gilt, anhand von ganz konkreten Alltagsproblemen ins große Ganze zu gehen und die politische Ideologie dahinter herauszuarbeiten.

STANDARD: Ein weites Feld zwischen Marxismus und Rechtsextremismus.

Schnabl: Wir diskutieren jetzt wieder über Marxismus, Neoliberalismus et cetera. Es geht um Grundsatzfragen wie: Wie viel Staat, was soll er alles regeln, wie soll diese Gesellschaft aussehen, wie bunt darf sie sein?

"Ich möchte am Ende mehr wissen, das klingt vielleicht banal."

STANDARD: Wann war es ein gutes "Sommergespräch" für Sie?

Schnabl: Ich möchte am Ende mehr wissen, das klingt vielleicht banal.

STANDARD: Über die Person …?

Schnabl: … über die Person, das Konzept, auch Atmosphärisches: Warum antwortet jemand mit fünf fast identen Phrasen auf fünf unterschiedliche Fragen.

STANDARD: Wen haben Sie da im Verdacht?

Schnabl: Niemanden (lacht). Es geht darum, herauszufinden, warum jemand nicht antwortet. Mimik, Gestik verraten oft auch viel. Dafür ist das Fernsehen auch gemacht. Vielleicht gibt es auch wirklich Antworten, Substanz in der Sache, etwas Neues, dann weiß ich mehr.

STANDARD: 2024 spätestens wird der Nationalrat gewählt, möglicherweise sind das ja die letzten "Sommergespräche" davor.

Schnabl: Deshalb geht es um die Konzepte und Denkschulen, die hinter einzelnen Vorschlägen stecken. Das rauszuschälen für die Bürgerinnen und Bürger, die bald auch wieder Wählerinnen und Wähler sind und sich fragen: Was kriege ich da eigentlich?

"Ich habe noch keine Enten im Parlament gesehen."

STANDARD: "Sommergespräche" tragen zu den Sommerquoten des ORF bei, hatten aber auch schon die Funktion, Schlagzeilen zu produzieren.

Schnabel: Schön wäre, wenn man danach darüber spricht.

STANDARD: Hoffentlich nicht über Gelsen oder Elefantentröten – oder Enten, wie einst bei Werner Faymann (SPÖ), damals im Freien.

Schnabl: Ich habe noch keine Enten im Parlament gesehen. Die Gefahr ist gering. Es wird um eine Reduktion auf das Gespräch ohne Ablenkung gehen, wie bei den 20 Fragen an Alexander Van der Bellen, die Hanno Settele und ich dem Bundespräsidenten Anfang 2023 gestellt haben. Man glaubt nicht, wie wichtig die Atmosphäre ist.

STANDARD: Mit schwarzer Box und schummriger Lampe im Parlament?

Schnabl: Nein, das wird es nicht werden. Es wird eine Weiterentwicklung dieses Formats. In dem Gespräch ist es eben nicht um die Tagesschlagzeile gegangen. Und es ist wirklich Interessantes dabei herausgekommen.

STANDARD: Wer gibt diesmal den Hanno Settele?

Schnabl: Das ist die Weiterentwicklung (lacht).

STANDARD: Also sind die "Sommergespräche  diesmal aufgezeichnet – wie lange vor der Ausstrahlung? Und auch inhaltlich geschnitten?

Schnabl: Es wird kein Livegespräch wie 2016. Ohne jetzt schon zu viel zu verraten: Die Zeitspanne zwischen dem Gespräch und dem Sendetermin ist größer als in den vergangenen Jahren. Und das wird man auch an der Dramaturgie dieser "Sommergespräche" merken.

"Soll sein, dass die Frage erkenntnisreicher ist als die Antwort."

STANDARD: Gibt es einen Angstgegner?

Schnabl: Nein, es gibt auch keinen Gegner. Ich treffe im "Report"-Studio oder in den "Sommergesprächen" nicht auf Gegner, so lege ich das nicht an.

STANDARD: Gesprächspartner wollen vielleicht nicht antworten auf Ihre Fragen.

Schnabl: Ich glaube an die Kraft der Frage. Soll sein, dass die Frage erkenntnisreicher ist als die Antwort. Und es geht um das Fingerspitzengefühl als Interviewer, als Interviewerin, wie man doch zu Antworten kommt. Die Einladung, konkret zu antworten, steht meinerseits jedenfalls. Vor allem aber: Es ist immer lohnend, auf Fragen auch zu antworten. Die Einladung steht hiermit.

STANDARD: Ich stelle mir für ein "Sommergespräch" zum Beispiel FPÖ-Chef Herbert Kickl recht schwierig vor. Da kann man mit einem Angriff auf den ORF, seine Journalistinnen und Journalisten, auf den ORF-Beitrag von allen ab 2024 rechnen.

Schnabl: 2016 kam die Frage zu Heinz-Christian Strache. Es ist die Entscheidung des Gegenübers, ob man das "Sommergespräch" so anlegen will. Dahinter wird ja hoffentlich ein Gedanke stecken. Mir geht es darum, den zu dechiffrieren. Man könnte plakativ auch sagen: Die größte Herausforderung ist ein langweiliger Gesprächspartner. Denn ich hoffe ja schon, dass die "Sommergespräche" spannend werden. Es gibt nichts Schlimmeres als ein langweiliges Interview.

STANDARD: Wirf es fixe Formate, Rubriken in diesen "Sommergesprächen" geben, Wordrap nannte man einmal eine solche Möglichkeit.

Schnabl: Wordrap wird es nicht geben. Ich möchte jetzt nicht so viel verraten. Es geht um ein Gespräch.

STANDARD: Besorgt Sie die politische Perspektive für 2024?

Schnabl: Inwiefern? Es kommt, wie es kommt. Besorgt bin ich vielleicht privat über viele Dinge, das hat aber keine Auswirkung auf meine Arbeit.

"Was wann wie sein wird … Jetzt machen wir mal die 'Sommergespräche'."

STANDARD: Sie haben sich 2018 um die Leitung des "Report" beworben, sind jetzt Stellvertreterin. In den nächsten Wochen wird voraussichtlich eine Menge redaktioneller Führungspositionen ausgeschrieben, insbesondere die Chefredaktion im Newsroom, voraussichtlich ein Dreierteam mit drei Vizes. Darf man mit einer Bewerbung rechnen?

Schnabl: Jetzt machen wir einmal die "Sommergespräche".

STANDARD: Das war kein Nein.

Schnabl: Was wann wie sein wird … Jetzt machen wir mal die "Sommergespräche", dann treffen wir uns wieder (lacht). (Harald Fidler, 30.6.2023)