In pastelligem Violett und mit gerundeten Kanten startete am Samstag "Wiener Zeitung" als "WZ" digital neu. Als älteste Tageszeitung der Welt wurde sie von der Regierung mit Freitag eingestellt. Die "WZ", weiter im Besitz der Republik und dem Kanzleramt unterstellt, ging mit einer ausführlichen Selbsterklärung online.

Nach dem Ende der "Wiener Zeitung" Neustart in Violett als "WZ".
Wienerzeitung.at Screenshot

Qualitätsjournalismus funktioniere auch digital, man sei "definitiv nicht die Pressestelle des Bundeskanzleramts", werde ein neues Redaktionsstatut aushandeln und mit Daten etwa der Statistik Austria Zusammenhänge erklären, heißt es auf Wienerzeitung.at von der "WZ". In Text und Grafik, in Podcasts und in Videos, mit Präsenz auf Insta, Tiktok, Youtube, Linkedin.

Die "WZ" arbeitet wie berichtet mit Hashtag Media und Missing Link für Bild und Ton zusammen. Geschäftsführer Martin Fleischhacker erklärt die Auftragsvergabe auf Anfrage so: "Je nach vergebener Leistung und Auftragsvolumen lässt das Vergaberecht unterschiedliche Vergabearten zu. Es wurde an Missing Link per Direktvergabe, der Auftrag an Hashtag Media wurde aber über ein Offenes Vergabeverfahren vergeben. In dem Sinne war die Vergabe an Hashtag das Ergebnis einer Ausschreibung."

Die Verträge darüber liefen vorerst bis Jahresende, sagte Vize-Chefredakteurin Katharina Schmidt. Es gehe hier auch um Knowhow-Transfer zur neuen Redaktion der "WZ".

Die erste Story in der Rubrik "Lesen": "Zeitungspapier lohnt sich nicht", dazu in der Auswahl "Die Möglichkeit einer Wiese" und "Bablers Basis". Der Twitter-Account der "Wiener Zeitung" wird eingestellt, stattdessen will man sich nun mehr auf Tiktok und Instagram konzentrieren. 

"Klar, dass das für Irritationen sorgt"

Die Titelseite der letzten Printausgabe der "Wiener Zeitung" mit einer grafischen Bilanz über 320 Jahre, zehn Kaiser, zwölf Präsidenten und anderen Daten aus der Geschichte der ältesten bis Freitag noch erscheinenden Tageszeitung verdeckte eine rosafarbene Schleife mit Eigenwerbung für das Onlinemedium: "Ohne Adieu. Mit Auf geht's". Die Schleife sorgte für einige Diskussionen und Kritik auf Social Media. 

Die Wiener Zeitung GmbH könne als Wirtschaftsunternehmen "keine Werbeform auslassen", sagte dazu Geschäftsführer Fleischhacker. Man habe sich für eine "relativ leicht entfernbare" Banderole entschieden, "falls sich jemand gestört fühlt". Aber: "Dass das für Irritationen sorgt, war klar."

Letzte Print-Titelseite der "Wiener Zeitung" ummantelt mit Werbung für "WZ".
fid

Die stellvertretende Chefredakteurin Katharina Schmidt erklärt, man habe sich gegen tagesaktuelle Berichterstattung entschieden, "weil wir anderen Medien keine Konkurrenz machen wollen". Der Zeitungsverband erwog eine Beschwerde bei der EU über die staatliche Finanzierung des Onlinemediums mit 7,5 Millionen Euro pro Jahr. 

Auf den Hinweis von Journalistinnen, dass die "WZ" als höchstgefördertes Onlinemedium in diesem Bereich anderen Onlinemedien wie "Tag eins" oder "Period" sehr unmittelbare Konkurrenz mache, sagte Geschäftsführer Martin Fleischhacker, man wolle zu einer "Stärkung des Medienangebots" in Österreich beitragen und "in Bereiche vorstoßen, in die andere Medienhäuser schwerer vorstoßen können".

Die Position des Chefredakteurs oder der Chefredakteurin werde ausgeschrieben, wenn ein neuer Redaktionsbeirat konstituiert und ein neues Redaktionstatut ausverhandelt sei, erklärte Fleischhacker. Bewerbungen aus der bestehenden Redaktion seien "jedem freigestellt" (jeder vermutlich auch). Die Redaktion werde rund 20 Journalistinnen und Journalisten umfassen. 

Print im Jänner 2024

Die stellvertretende Chefredakteurin Schmidt leitet die Redaktion vorerst mit dem neu von "Profil" dazugestoßenen Vize Sebastian Pumberger. Schmidt betonte auf Fragen nach der Unabhängigkeit der Redaktion: "Das ist eine normale Redaktion, eine unabhängige Redaktion mit Journalistinnen und Journalisten."

Samstag ist ein "Basisangebot" online gegangen, erklärte Geschäftsführer Fleischhacker Samstag in einer Online-Präsentation desselben. Die erste von laut Gesetz zehn Printausgaben pro Jahr der "WZ" werde im Jänner erscheinen, erklärte Schmidt. 

Dass an Abonnentinnen und Abonnenten am Freitag ein automatisiertes Mail mit der Einladung versendet wurde, ihr "abgelaufenes" Abo zu verlängern, war laut Fleischhacker ein technisches Gebrechen. "Wir haben uns dafür entschuldigt." (fid, 1.7.2023)