Nein, bei ihr zu Hause sei eher das Gegenteil von Putzwahn der Fall, ging Autorin Valeria Gordeev jeder voreiligen Schlussfolgerung aus dem Weg, unmittelbar nachdem sie am Sonntag den Bachmannpreis entgegengenommen hatte. Man mag das nämlich kaum glauben, so genau wie sie in ihrem Siegertext Er putzt in den Tagen zuvor einen Putzbesessenen beschrieben hatte. Darin wurden sogar die Gummiringe der Spüle mit selbsthergestelltem Essigreiniger gespült. Geheimzutat des Wundermittels? Japanisches Minzöl! Überall um "ihn", im Fernsehen, mit der Familie, ist derweil Kampf. Die Jury fand all das "kolossal gut auf allen Ebenen".
Ein besonderes Lob eingedenk des Umstandes, dass Gordeevs Liste von Veröffentlichungen bisher nur Romanauszüge und Erzählungen aufweist. Sie hat Mathematik, Illustration und Literarisches Schreiben studiert.
Er putzt ist eine Auskopplung aus dem Debütroman, an dem sie seit fünf Jahren arbeitet. Der Krieg wird darin sehr viel präsenter sein als im Wettbewerbsbeitrag, unter anderem wird es um das heutige Russland gehen, Moskau ein Schauplatz sein.
Russland als Schauplatz
Russland ist Gordeev nämlich biografisch verbunden: Geboren wurde sie 1986 in Tübingen, ihre Eltern waren Ende der 1970er aus der Sowjetunion ausgewandert, ihre Familie lebt teils in Deutschland, der Ukraine, Russland und den USA.
Wird sich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine auf den Roman auswirken? Natürlich, sagt sie. Sie habe ihre Konzeption aber überprüft, sie funktioniere noch. Es sei jetzt abzuwarten, wohin sich das alles entwickle. Ein paar Verlage haben schon vor der Teilnahme in Klagenfurt bei ihr angeklopft, um ihn zu veröffentlichen, es kommen nun sicher noch einige hinzu. Es mag ihr erstes eigenes literarisches Buch werden, Zeichnungen Gordeevs sind indes schon beim Guggolz-Verlag erschienen, wo sie auch immer wieder Cover illustriert. Apropos Illustration: Für ihren Abschluss an der Universität der Künste Berlin erstellte sie einen Reiseführer für das Böhmische Meer – aus dem Gedicht von Ingeborg Bachmann.
So schließt sich ein Kreis, auch wenn Gordeev bekundete, nicht mit dem Sieg gerechnet zu haben. "Für mein Empfinden müsste es noch mehr Preise geben", lobte sie ihre Mitbewerber. Und freute sich sehr: Der Preis sei "riesengroß. Mit dem Titel Bachmannpreisgewinnerin fremdle ich noch. Aber das ist jetzt so. Es ist eine große Ehre." (Michael Wurmitzer, 2.7.2023)