Mutter, wann stirbst du endlich? heißt ein Buch der deutschen Autorin Martina Rosenberg. Ein schrecklicher Titel, der gleichwohl ein Problem auf den Punkt bringt, über das man nicht gern spricht. Es gibt unzählige Menschen, todkrank oder einfach lebensmüde, die lieber heute als morgen sterben würden, es aber nicht dürfen. Jetzt muss der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zum zweiten Mal über einen Antrag zur Erleichterung der Sterbehilfe entscheiden, weil der erste diesbezügliche Entscheid aus dem Jahr 2020 ungenügend war.

Schon zuvor war das Thema "assistierter Suizid" in einer parlamentarischen Enquete in Österreich diskutiert worden. Dabei spielten die Erfahrungen in anderen Ländern, insbesondere in der Schweiz, eine Rolle, wo diese Praxis seit längerer Zeit erlaubt ist und in verantwortungsvoller Weise ausgeübt wird. Auf Initiative der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende landete die Frage dann beim Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof muss sich erneut mit dem Thema Sterbehilfe auseinandersetzen.
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Seit damals ist "selbstbestimmtes Sterben in Würde" unter Mithilfe eines Dritten ("Beihilfe zum Selbstmord") zwar prinzipiell erlaubt, aber die Hürden dafür sind so hoch, dass der Suizid für die meisten Sterbewilligen praktisch unmöglich ist. Zwei Ärzte oder Ärztinnen, einer davon mit Palliativausbildung, müssen "unerträgliches Leid" des Patienten bestätigen. Aber Palliativärzte sind dazu schon aus beruflichen Gründen kaum bereit. Dann erst darf vor einem Notar eine Sterbeverfügung errichtet werden. Informationen, welche Ärzte und Apotheker zur Verfügung stehen, bekommt der Interessierte auch nicht, denn solche Informationen fallen unter das Werbeverbot. Und schließlich dürfen die Mediziner beim assistierten Selbstmord auch nicht dabei sein. Der Sterbewillige wird im entscheidenden Moment alleingelassen.

All das hat dazu geführt, dass im Jahre 2022 nur 111 Sterbeverfügungen registriert wurden, obwohl der Bedarf nach Expertenschätzungen mindestens viermal höher war. Die Österreichische Gesellschaft für ein Humanes Lebensende, die schon die erste VfGH-Entscheidung erwirkte, hat daher erneut den Verfassungsgerichtshof angerufen, um das entsprechende Gesetz zu korrigieren.

Der deutsche Schriftsteller Ferdinand von Schirach hat in seinem vieldiskutierten Theaterstück Gott eine fiktive Sitzung des Deutschen Ethikrats dargestellt, in der es um den Sterbewunsch eines Mannes geht, der nicht krank ist, aber nach dem Tod seiner Frau einfach genug vom Leben hat und in Einklang mit seinen Kindern diesem ein Ende machen will. Pro- und Kontra-Argumente werden ausgetauscht, ein Bischof fragt: Wo ist die Grenze zur Nazithese vom "lebensunwerten Leben"? Am Schluss der Vorstellung in den Wiener Kammerspielen durfte das Publikum abstimmen. 70 Prozent der Theaterbesucher stimmten dafür, dass der Wunsch des Protagonisten erfüllt werde.

Es wird interessant sein, wie das Höchstgericht demnächst diese Frage beantworten wird. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 6.7.2023)