Schulschluss
Stühle rauf, Zeugnisse abholen und ab in die Ferien: Am Freitag ist nun der letzte Schultag für 464.000 Schülerinnen in Österreich.
ROLAND SCHLAGER / APA / pictured

Eine Woche länger mussten die Lehrkräfte und Schulkinder noch ausharren. Nun ist es auch im Westen und Süden des Landes so weit: Mit den Zeugnissen im Gepäck starten rund 464.000 Schülerinnen und Schüler in die neunwöchigen Sommerferien – nach den Frühstartern Wien, Burgenland und Niederösterreich. Wie auch in den vergangenen Jahren heißt es also Durchschnaufen nach einem besonderen Schuljahr.

Heuer hatte dies jedoch weniger mit einer globalen Pandemie – und dem damit verbundenen Auf-und-Zu von Schulen – zu tun, sondern mehr mit der sich immer mehr zuspitzenden Situation in vielen Klassenräumen des Landes. Lehrermangel, Pensionierung, administrativer Mehraufwand: Dieser Mix brachte, vor allem an Österreichs Pflichtschulen, viele Lehrpersonen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Und auch zu Tausenden am Aktionstag Bildung auf die Straßen. 

Das Warten auf die Entlastung

Darüber, wie viel bislang gegen die Personalmisere getan wird, herrschen unterschiedliche Meinungen: Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) redet sich etwa seit Wochen den Mund fusselig, was das Ministerium bereits an Entlastungen auf den Weg gebracht habe. Zuletzt in der Fragestunde des Nationalrats am Donnerstag. Nicht nur hätte seine Ressortstrategie "Klasse Job" bereits hunderte Quereinsteiger hervorgebracht, die im Herbst einsatzbereit seien. Auch gäbe es zur Unterstützung 300 mehr administrative Kräfte und eine Verdoppelung der psychosozialen Kräfte auf 240. 

Damit erfüllt Polaschek punktuell die Forderungen von Lehrkräften und Gewerkschaften. Aber eben nicht in ausreichendem Maß: "Die Maßnahmen, die bisher getroffen wurden, sind großteils ohne Wirkung geblieben", sagt etwa der oberste Vertreter der Pflichtschullehrer, Paul Kimberger, im STANDARD-Gespräch. Was ihn dabei besonders ärgert: Eine drastische Senkung von bürokratischen Aufgaben könnte sofort angeordnet werden. "Man muss Lehrer endlich von Aufgaben befreien, die nicht zu ihren Kernaufgaben gehören."

Bürokratie als "sinnloser Zeitfresser"

Die Lehrkräfte formulieren das folgendermaßen: Massive Bürokratie ist "mit Abstand der größte sinnlose Zeitfresser", sagten 57 Prozent der befragten Lehrkräfte in einer aktuellen Hayek-Befragung, die die Neos in Auftrag gegeben hatten. Mittels eines dringlichen Antrags fordern Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre am Donnerstag Polaschek und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf, ein Reformpaket zu beschließen. "Eine Schule, in die alle gerne gehen – das muss unser gemeinsames Ziel sein. Eine Schule, in der die Chancen im Mittelpunkt stehen – nicht die Bürokratie“, schreibt Künsberg Sarre. 

Erschwerend kommt aber auch hinzu, dass es für die Primarstufe bislang noch keine Strategie für die Lehrernot gibt. Reichlich Gegenwind gab es hier etwa für die Pläne rund um die Umstellung der Freizeitpädagogen, die in ganztägigen Schulen in der Nachmittagsbetreuung tätig sind, zu Assistenzpädagogen. Dass, wie von den Freizeitpädagogen befürchtet, Verschlechterungen damit einhergehen, stellte Polaschek in Abrede. Es gehe ihm darum, den Ausbau der Ganztagsschulen zu forcieren. 

Die Personaloffensive des Bildungsministeriums selbst zielte bislang aber nicht auf Volksschulen und Sonderschulen ab, sondern nur auf die Sekundarstufe. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger wird es dort so schnell nicht geben.

Mangel im Herbst

Dabei verlangt gerade dieser Bereich nach mehr Lehrern, wie auch Zahlen aus einer Anfragebeantwortung an den SPÖ-Abgeordneten Christian Oxonitsch verdeutlichen: Zwar stiegen die Zahlen der Absolventinnen der Pädagogischen Hochschule in den letzten Jahren an. 2021/2022 gab es allerdings wieder einen leichten Rückgang. Diesjährige Zahlen sind noch nicht verfügbar. Was ebenso konstant geblieben ist: die hohe Drop-out-Rate bei den Lehramtsstudien; sie beträgt 36 Prozent.

Wie viele Lehrkräfte allerdings im Herbst fehlen werden, dazu gebe es noch keine Zahlen, heißt es aus dem Bildungsministerium. In den Bildungsdirektionen ist man hingegen auskunftsfreudiger: In Kärnten ist man indes zuversichtlich, dass man im Herbst alle Stellen besetzen könne. Vorarlberg schreibt, dass die Besetzung schon in den vergangenen Jahren schwierig war, "heuer hat sich die Situation leider nochmals verschärft". Es könnten allein an den Bundesschulen 100 Neulehrerinnen in Fächern wie Deutsch, Informatik und Mathematik aufgenommen werden. In Oberösterreich waren Mitte Juni 370 Stellen ausgeschrieben; 52 Prozent davon an Volksschulen.

Unklares Ultimatum

Mit einer Resolution will die Pflichtschullehrergewerkschaft Polaschek und die Bundesländer nun zum raschen Handeln drängen. Was auch in den Forderungskatalog fällt: eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte. Sollte es kein Entgegenkommen geben, so "behalten wir uns gewerkschaftliche Maßnahmen in der gesamten Bandbreite vor!", war in der Aussendung zu lesen. Eine Frist will Kimberger im STANDARD-Gespräch nicht nennen, "wir setzen jetzt auf Verhandlungen".

Bei den Unabhängigen LehrergewerkschafterInnen (ÖLI-UG) klingt das weit drastischer: Man trete für einen geschlossenen, gewerkschaftlichen Arbeitskampf ein; aber einen Streik könnte es auch ohne Freigabe geben, heißt es sinngemäß. Für einen Streik bräuchte man nicht die Zustimmung der Gewerkschaft oder der Personalvertretung, hieß es. Nach der Sommerpause dürfte also ein weiteres besonderes Schuljahr bevorstehen. (Elisa Tomaselli, 7.7.2023)