Drei Viertel aller Paare in Österreich wollen für immer zusammenbleiben. Das ergab eine neue, repräsentative Umfrage der Datingplattform Parship. Doch wie schafft man das? Wie erhält man sich selbst nach Jahren oder Jahrzehnten mit der gleichen Person das Kribbeln, das Feuer, die Schmetterlinge? Wie überwindet man Krisen? Wie verzeiht man? Psychologin und Paarberaterin Caroline Erb erklärt, wie Liebe auf Dauer funktionieren kann.

Altes Paar steht in der Küche. Der Mann küsst die Frau auf die Wange, sie lacht herzlich.
Ein großer Wunsch vieler Menschen: die große Liebe finden, heiraten und für den Rest des Lebens zusammenbleiben.
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STANDARD: Frau Erb, der aktuelle Summer Love Report von Parship hat ergeben, was wohl wenige überrascht: Die meisten Menschen wollen mit ihrem Partner den Rest ihres Lebens verbringen. Nun wissen wir aber, dass sich mehr als ein Drittel der verheirateten Paare wieder scheiden lässt. Wie schwierig ist es, über viele Jahre mit einer Person zusammen zu sein?

Erb: Nun, ich finde das Ergebnis schon sehr überraschend. In der Studie war ein Drittel der Paare seit mindestens zehn Jahren miteinander liiert. Da ist der Wunsch, für immer mit dem Partner oder der Partnerin zusammenzubleiben, nicht selbstverständlich. Nach zehn Jahren ist die erste Verliebtheit weg, viele sind durch Krisen gegangen, der Alltag ist herausfordernd. Also ja, es ist oft ganz schön schwierig auch nach Jahren als Paar noch glücklich zu sein.

STANDARD: Warum ist eine Beziehung immer nur in der Anfangszeit so leicht? Dann, wenn man verliebt ist?

Erb: Es gibt auch Beziehungen, die von Anfang an schwierig sind, da gibt es Konflikte oder andere Herausforderungen. Aber wenn Sie vom Zustand der Verliebtheit sprechen: Da befindet man sich in einer Art Rauschzustand. Das Herz klopft schneller, man kann nicht schlafen, ist freudig und aufgeregt. Deswegen fühlt sich ja alles so leicht und schön an. Auf Dauer würden wir diesen Zustand aber nicht aushalten. Da wären wir gar nicht alltags- und arbeitsfähig.

STANDARD: Für die Befragten hat partnerschaftliche Liebe vor allem mit Respekt und Wertschätzung (77 %) zu tun. Frischverliebt sagt man sich ständig, wie sehr man sich liebt, was man toll findet am anderen. Irgendwann rücken die positiven Eigenschaften des anderen in den Hintergrund, oder sie werden selbstverständlich. Was macht das mit einem Paar?

Erb: Kleine Aufmerksamkeiten sind im Beziehungsalltag sehr wichtig. Wenn einem etwas Positives am anderen auffällt, dann muss man es laut sagen, nicht nur denken. Leider neigen die meisten Menschen dazu, eher die negativen Dinge anzusprechen. Am Ende bleibt der Eindruck, man kritisiert den anderen nur, das ist frustrierend.

STANDARD: Wie können Paare ihre Wertschätzung auch nach Jahren oder Jahrzehnten ausdrücken?

Erb: Meist sind es die kleinen Gesten, die zählen. Etwa, dass man den Partner zum Brunch einlädt oder dass man sein Lieblingsjoghurt kauft. Auch Rituale sind wichtig. Für manche reichen etwa fünf Minuten am Morgen, um gemeinsam am Tisch zu sitzen und Kaffee zu trinken. Andere Paare haben Rituale vorm Schlafengehen: Ein Gutenachtkuss oder eine herzliche Umarmung bedeuten mehr, als man meinen möchte.

STANDARD: Welchen Stellenwert hat Sex in einer langjährigen Beziehung?

Erb: Das ist sehr individuell: Die einen sind glücklich mit ein paar Mal Sex pro Jahr, die anderen brauchen es mehrmals die Woche. Dabei ist auch nicht die Quantität ausschlaggebend, sondern die Qualität. Man kann also nicht sagen: "Ui, die haben oft Sex, bei denen läuft die Beziehung gut!"

Die Umfrage von Parship zeigt, dass den Paaren Sexualität weniger wichtig ist als ein Wir-Gefühl. Das heißt, dass der Partner oder die Partnerin einen so akzeptiert, wie man ist, mit all den Eigenheiten und Schwächen, die man hat.

STANDARD: In der Umfrage von Parship haben 41 Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich in den Partner verliebt haben, weil sie dieselben Werte und Einstellungen haben. Warum ist das so wichtig?

Erb: Hier geht es um Grundsatzthemen: Wie wollen wir leben? Wo wollen wir leben? Wollen wir Kinder? Wie wollen wir sie erziehen? Welche politische und moralische Einstellung vertritt man? Das heißt nicht, dass man völlig ident sein muss, aber es erleichtert später den Alltag. Ganz einfach, weil es weniger Konfliktpotenzial gibt.

STANDARD: Trotzdem hört man bei Trennungen dann immer wieder die Standard-Phrase "Wir haben uns auseinandergelebt". Was ist da passiert?

Erb: Selbst wenn man gemeinsame Werte und Einstellungen vertritt, passiert es im Alltag oft, dass man sich als Paar verliert. Kinder brauchen Zeit und Aufmerksamkeit, der Job ist stressig, selbst hat man auch noch eigene Hobbies. Deswegen muss man aktiv den Alltag so gestalten, dass man sich eben nicht auseinanderlebt oder verliert. Sich für den anderen und seine Interessen interessieren ist wichtig. Aktiv auf Dates einladen ist wichtig. Auch wenn man müde ist. Sonst wird’s beliebig.

STANDARD: Kinder sind für viele Beziehungen auch eine Herausforderung. Die Scheidungsstatistik zeigt, dass sich die meisten Ehepaare in den ersten sechs Lebensjahren der Kinder trennen. Was können Eltern tun, damit die Beziehung stabil bleibt?

Erb: So simple es klingt: sich Auszeit von den Kindern nehmen, von Beginn an. Ich weiß, dazu hat nicht jeder die zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Aber wenn man Großeltern oder Freunde hat, die hin und wieder Babysitten können, dann bitte machen. Oft schaffen es Eltern nicht einmal, ein längeres Gespräch zu führen, ohne dauernd von den Kindern gerufen oder angesprochen zu werden. Eltern müssen regelmäßig raus und sich Zeit als Paar nehmen. Mein Tipp ist auch, dass man dafür auf jeden Fall die Wohnung verlässt. Zu Hause ist man wieder nur abgelenkt und macht am Ende die Wäsche, statt zu reden.

STANDARD: Aber immer nur reden ist doch auch fad, oder?

Erb: Viele Langzeitpaare reden aber kaum mehr miteinander. Über gemeinsame Erlebnisse kommt man wieder ins Reden. Wenn man den anderen immer nur in Jogginghosen sieht und zum Fernsehen am Sofa trifft, ist das wirklich nicht spannend. Es macht auch einen Unterschied, wenn man sich für ein Date fesch herrichtet. Damit signalisiert man schließlich: "Du bist mir wichtig, ich habe mich für dich schön gemacht." Probieren Sie als Paar immer wieder neue Dinge aus: Ein Restaurant, ein Kinobesuch, eine Sportart. Das sorgt dann für Gesprächsstoff und verbindet.

STANDARD: Also besser streiten als gar nicht reden?

Erb: Das würde ich nicht behaupten. Aber da wären wir wieder bei dem wichtigen Punkt der Wertschätzung. Konflikte sind ja per se nichts Schlechtes. Ständig streiten ist natürlich auch belastend für die Beziehung. Deswegen sollte man während eines Konflikts überlegen, welches Ziel man eigentlich verfolgt. Streitet man vielleicht nur, weil man gerade Dampf ablassen möchte? Worum geht es gerade wirklich? Wichtig ist auch, dass man beim Streiten wertschätzend bleibt.

Psychologin und Paarberaterin Caroline Erb
Psychologin und Paarberaterin Caroline Erb.
Parship.at

STANDARD: Wie kann Streit wertschätzend bleiben?

Erb: Da empfehle ich die klassischen Ich-Botschaften. Ein Beispiel: "Immer muss ich mich um alles im Haushalt kümmern, du machst nie was!" Das wäre ein Vorwurf, ein Angriff mit einigen Superlativen, die nur zu einem Gegenangriff führen können. Besser wäre: "Ich habe das Gefühl, dass ich mehr im Haushalt mache als du. Das ärgert und enttäuscht mich. Was denkst du?"

Wichtig ist auch, dass man während eines Streits nicht die ganze Person infrage stellt, sondern einzelne Verhaltensweisen. Immer gleich die Beziehung anzuzweifeln kann auch vieles kaputt machen.

STANDARD: Spielt in einer langen, glücklichen Beziehung Versöhnung eine große Rolle?

Erb: Absolut! Es ist ganz normal, dass es zu Konflikten im Beziehungsalltag kommt. Danach ist es wichtig, über seinen Schatten zu springen, sich zu entschuldigen. Und da spreche ich nicht von irgendwelchen Standardfloskeln. Es muss wirklich von Herzen kommen. Damit man das schafft, ist es oft nötig, sich kurz räumlich zu trennen, eine Runde spazieren zu gehen, um den Kopf ausrauchen zu lassen. Wenn der eine sich dann entschuldigt, sollte der andere auch verzeihen können. Vielleicht ist ein Anschlussgespräch nötig, ganz in Ruhe und nicht mehr so emotionsgeladen.

STANDARD: Wann ist es besser, sich wirklich zu trennen?

Erb: Wenn der Leidensdruck zu groß ist. Wache ich morgens auf und bin traurig? Verliere ich mich selbst? Werde ich schlecht behandelt oder gedemütigt? Das muss niemand aushalten. Manchmal gab es auch Grenzüberschreitungen, die man nicht mehr bewältigen kann. Es ist wichtig, dass das positive Gefühl in der Beziehung überwiegt, auch der Glaube daran. (Nadja Kupsa, 8.7.2023)