Sie fehlen an vielen Ecken und Enden: Ärztinnen und Ärzte. Ein quantitativer Ärztemangel herrscht in Österreich trotzdem nicht. Vielmehr leidet das Land unter einem Verteilungsproblem. Dennoch bleibt in der Debatte eine Forderung – die nach mehr. Diese Lösung für den Mangel an Kassenärztinnen, Landärztinnen, bestimmten Fachmedizinern oder Allgemeinmedizinerinnen klingt simpel: Es müssten einfach mehr Studierende an den medizinischen Unis zugelassen werden.

Krankenhaus
Einfach mehr Medizinstudierende mit österreichischer Matura gegen den Mangel an Ärztinnen und Ärzten zu fordern ist zu wenig.
Heribert Corn

Aber ganz so einfach ist es nicht. Bei einer Mindeststudienzeit von sechs Jahren und einer jahrelangen Facharztausbildung würden zusätzliche Studienplätze den Mangel erst nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, beheben. Das Problem ist aber akut. Durch die Kosten von bis zu über 60.000 Euro pro Semester und Studienplatz ist dieser Ausweg zudem teuer.

Trotzdem: Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sieht die Lösung in der Aufnahme zum Studium. Auch sie will mehr: mehr Plätze für Studierende mit österreichischem Maturazeugnis, weniger Studierende aus dem Ausland. Sie erhofft sich dadurch, dass mehr Absolventen im Land bleiben und in den Spitälern arbeiten. An Mikl-Leitners Überlegung ist etwas dran: Ein Großteil der teuer ausgebildeten Absolventinnen aus der EU wandert nach dem Studium aus. Was in der Debatte jedoch verlorengeht: Auch Jungärztinnen mit österreichischem Maturazeugnis verlassen das Land häufiger als Absolventen anderer Studienfächer – denn in anderen Ländern wie beispielsweise in der Schweiz oder in Großbritannien werden Medizinerinnen und Ärzte schlicht besser bezahlt.

Work-Life-Balance und Teilzeit

Geld ist aber nicht die einzige Motivation. Die Arbeitsbedingungen lassen hierzulande zu wünschen übrig. Österreichs Gesundheitssystem fehlt das Personal. Was andernorts Aufgabe der Pflege oder der Verwaltung ist, muss hierzulande die Ärzteschaft erledigen. Da die Medizinerinnen den Mangel an Pflegekräften ausgleichen, müssen sie mehr arbeiten. Doch die Arbeitsbedingungen der in Pension gehenden Babyboomer-Generation wollen viele Jungärzte nicht mehr hinnehmen. Sie fordern einen spannenden Job und das Recht auf Freizeit ein – notfalls im Ausland.

Der Fokus auf die Anfangszeit der Ausbildung verdrängt in der Debatte auch die Fallgruben, die auf die Universität folgen. Für ihre Basisausbildung müssen junge Medizinerinnen oft monatelang auf eine Stelle warten.

Bessere Arbeitsbedingungen verspricht aber nicht nur die Auswanderung: Auch bestimmte Fachrichtungen sind angenehmer als andere. Die Bezahlung reicht für Allgemeinmedizinerinnen oft nicht aus, um in ihrem Praxen Mitarbeiter zu beschäftigen. Wer keine Hilfe einstellt, hat kaum Zeit für Patientinnen. Gerade Kassenärztinnen und Kassenärzte klagen darüber. Stellen sind vor allem auf dem Land oder in bestimmten Fachrichtungen unterbesetzt. Da wenige Menschen die Posten befüllen wollen, werden die Bedingungen noch schlechter.

Statt über zusätzliche Medizinstudienplätze zu debattieren, braucht es vielmehr eine Attraktivierung der Arbeitsbedingungen: Teilzeitangebote, eine bessere Work-Life-Balance und mehr Pflege- und Administrationskräfte, um den Ärztinnen den Job zu erleichtern – damit es weniger Absolventinnen ins Ausland zieht. Und es braucht eine bessere Verteilung jener, die in Österreich bleiben. Alles andere ist teure Symptombekämpfung. (Isadora Wallnöfer, 7.7.2023)