Groß und geräumig ist sie, die Eigentumswohnung von Frau F. und ihrem Ehemann. Und sehr gut gelegen ist sie auch: Mondscheingasse im siebenten Bezirk, Wien-Neubau; etwas mehr als 100 Quadratmeter in einem Gründerzeithaus, letztes Regelgeschoß. Zur Mariahilfer Straße ist es nicht weit.

Blick in Innenhöfe
Auf der Südseite des Hauses (links) sind sie nicht "verkehrsüblich", nordseitig (rechts) gibt es schon angebaute Balkone.
Putschögl

Und dennoch ist Frau F. dort nicht mehr so richtig glücklich. Jedenfalls nicht im Sommer. Denn an heißen Tagen wie jetzt bekommt es regelmäßig 31 Grad in den Räumen. "Ich halt's nicht mehr aus!", sagt sie dem STANDARD. Eine Klimaanlage will sie aus Gründen des Klimaschutzes nicht einbauen. Sie hätte gern einen Balkon.

"Nicht verkehrsüblich"

Und dafür kämpft sie auch, und zwar schon lange. Seit mittlerweile eineinhalb Jahrzehnten dauert ihr Kampf schon an. Auf ihrer südseitigen Fassade will sie einen Balkon anbauen lassen, ein befreundeter Architekt hat alles geplant, die Pläne liegen alle schon lange vor. Doch das Vorhaben scheiterte zunächst an einem Miteigentümer im Haus, der partout nicht einwilligen wollte. Und dann auch am österreichischen Wohnrecht.

Denn die fehlende Zustimmung des Nachbarn, dessen Garten für den Anbau wohl auch kurzfristig verwendet hätte werden müssen, wollte sie vom Gericht ersetzen lassen. Doch schon das Erstgericht hat die Sache abschlägig entschieden. Denn an der Seite des Hauses, an der der Balkon errichtet werden sollte, gebe es noch gar keinen Balkon. Nicht einen einzigen. Das Urteil lautete also auf "fehlende Verkehrsüblichkeit".

Einem Balkon zum kleinen Innenhof hinaus, an der Nordseite der Wohnung von Frau F., würde der Miteigentümer übrigens zustimmen, alle anderen müsste sie erneut befragen. Doch dort will sie den Balkon gar nicht, denn einerseits sei das eben die Nordseite, andererseits gebe es dort schon Balkone und daher wäre für einen weiteren kaum Platz - "da hätte gerade mal ein Sessel drauf Platz", sagt F. Würde sie dort einen anbauen, wäre der nur Zentimeter von jenem der Nachbarn entfernt, das wolle sie ihren Nachbarn nicht antun, sagt sie. Auf der Südseite, so ihre Überlegung, würde sie mit ihrem Balkon hingegen niemanden stören.

Balkon ist kein "wichtiges Interesse"

Sie ging in Berufung, doch auch das Landesgericht für Zivilrechtssachen entschied abschlägig. Die Wohnung sei über 100 Quadratmeter groß und könne quergelüftet werden, urteilte das Gericht. Ein "wichtiges Interesse" bestehe also nicht. Und auch die Beurteilung der Verkehrsüblichkeit habe das Erstgericht korrekt entschieden, so das Landesgericht. Doch genau das will F. nicht verstehen. "Ich kann doch nur dort einen Balkon anbauen, wo es noch keinen gibt", sagt sie.

Den Gang zum Obersten Gerichtshof wollte sie dann nicht mehr antreten, die Aussichten wären laut ihrer Anwältin eher gering gewesen, sagt F. Außerdem sieht sie nicht ein, warum sie das auf ihre Kosten – rund 7.000 Euro hatte sie da schon ausgegeben – durchkämpfen muss. Denn die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, auf den sich die Gerichte in ihrem Fall beriefen, stammt aus dem Jahr 1994. Eine gesetzliche Anpassung wäre aus ihrer Sicht dringend nötig.

Justizministerium wiegelt ab

Genau das schrieb sie abschließend dem für das Wohnrecht zuständigen Justizministerium. In dem Schreiben argumentiert sie schlüssig: "Es stellt sich schon die Frage, ob es im Jahre 2022, in Zeiten rasanter Klimaerwärmung, noch vertretbar ist, die Verkehrsüblichkeit eines Balkons im Innenstadtbereich und in einem Hinterhof daran festzumachen, dass auf der betreffenden Fassade noch keine Balkone existieren, obwohl Balkone an anderen Fassaden des Hauses kürzlich eingebaut wurden und sogar an derselben Fassade bereits eine Dachterrasse besteht." Es wäre hoch an der Zeit, die "Verkehrsüblichkeit" neu zu definieren, findet F.

Antwort des Ministeriums: "Ihre Überlegungen werden für zukünftige Änderungen im Wohnungseigentumsrecht in Evidenz genommen." Na dann. (Martin Putschögl, 13.7.2023)