Mitten auf einer Kreuzung, die Wien-Währing und Hernals trennt, schauen ein paar Köpfe aus dem aufgebrochenen Asphalt. Die Sonne prallt von oben her­ab, 32 Grad sagt die Wetter-App an diesem Dienstag im Juli. Das hält die fünf Arbeiter nicht davon ab, die Rohre für die Fernwärme weiter zu legen. Einer nimmt seine dunkle Sportbrille ab: "So heiß wie gestern war es lange nicht, da hatten wir erstmals hitzefrei." Und einen Tag später?

Der Bauarbeiter zuckt mit den Schultern: "Mit Projekten in der Fernwärme muss es immer schnell gehen." Es ist wieder die Zeit im Jahr, in der über Hitzepausen und unmögliche Arbeitsbedingungen diskutiert wird. Vor allem sind jene gemeint, die sich an die Außenbedingungen anpassen müssen: Bauarbeitende im Tief- und Hochbau, Straßenarbeitende, Dachdeckende oder auch Postbotinnen und Gärtner.

Bauarbeiter in der Sommerhitze
Bei starker Hitze steigt die Gefahr, dass Unfälle passieren.
APA/Roland Schlager

Laut dem Bauarbeiter in Währing hat seine Firma den Tag zuvor die Hitzefreiregelung angewendet. Für die pausierten Stunden gibt es dann eine Entgeltfortzahlung von 60 Prozent und eine Refundierung an den Arbeitgeber durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und -Abfertigungskasse (BUAK). Ein Arbeitgeber hat gesetzlich die Möglichkeit, seinen Beschäftigten freizugeben, wenn die der Baustelle nächst­gelegene Messstelle der Geosphere Austria 32,5 Grad Celsius im Schatten misst.

Seit letztem Jahr gibt es auch eine Handy-App für Arbeitende, die über die Temperatur informiert. Was es aber noch nicht gibt, ist ein Rechtsanspruch auf hitzefrei. Das heißt: Die Beschäftigten können zwar beantragen, dass die Arbeit bei zu hohen Temperaturen eingestellt wird, sind aber an die Zustimmung des Arbeitgebers gebunden. Wie auch schon in den vergangenen Jahren fordert die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) deshalb einen gesetzlichen Anspruch für Beschäftigte.

Vorverlegung der Arbeitszeit soll helfen

"Der Sommer ist Bauhauptsaison mit engen Bauterminen und vielen Überstunden un­ter schwierigsten Arbeitsbedingungen", erklärt der GBH-Bundesvorsitzende Josef Muchitsch in einer Aussendung. "Gerade auf dem Bau müssen Arbeitgeber ihrer Verpflichtung nachkommen, ihre Beschäftigten zu schützen. Da­zu gehören auch ausreichende Trinkpausen, Sonnenschutz, die Vorverlegung der Arbeitszeit und Berücksichtigung bei Fertigstellungsterminen durch die Auftraggeber, vor allem aber die Nutzung der Hitzefreiregelung." Außerdem fordere die GBH eine Senkung der Hitzegrenze auf 30 Grad.

Auf Nachfrage sagt ein Sprecher der Gewerkschaft Bau-Holz: Wegen der Klimakrise müsse man bei körperlicher Arbeit völlig umdenken. Aufgrund der Veränderung des Klimas sei es jetzt möglich, im Winter mehr zu arbeiten und dafür im Sommer bei glühender Hitze mehr einzusparen. Zudem müssten auch die täglichen Arbeitszeiten neu gedacht werden: Die Kernarbeitszeit sollten in kühlere Zeiten verlegt und mehr klimatisierte Kräne, Container und Baufahrzeuge bereitgestellt werden.

Ein paar Gehminuten von der Fernwärme-Baustelle entfernt arbeiten zwei Mitarbeiter eines Baukonzerns an einer Stelle der neuen U-Bahn-Strecke U5 im 18. Bezirk. Sie bedienen schweres Gerät um 16 Uhr, die Temperaturen liegen immer noch bei mehr als 32 Grad. Hitzefrei gab es für sie dieses Jahr noch nicht. Ob sie das störe, will einer der Bauarbeiter nicht beantworten: "Man tut alles Menschenmögliche, das man kann." Rauchpausen im Schatten und kalte Getränke halten die beiden auf Trab. Die Motivation ist noch da: "Es sind ja meistens nur einige Tage im Sommer, die wirklich arg sind."

Unfallgefahr höher

Trotzdem ist Vorsicht geboten. Die höchsten Unfallraten, vor allem im Bauwesen, werden in den wärmsten Monaten verzeichnet. Im Juli steigt die Zahl der Arbeitsunfälle laut Berechnungen der AUVA um circa zehn Prozent. Ab 30 Grad soll die Reaktions- und Koordinationsfähigkeit um ein Viertel sinken. Ab 32,5 Grad steigt die Unfallgefahr um sechs Prozent. Ab 35 Grad ist mit einer Leistungseinbuße um 50 Prozent zu rechnen.

Ein Sprecher der Geschäftsstelle Bau der Wirtschaftskammer erklärt dem STANDARD, warum er einen Rechtsanspruch trotz allem schwierig findet. Bei einem individuellen Rechtsanspruch könne es zu Chaos auf der Baustelle kommen, wenn nicht alle Mitarbeitenden zum selben Zeitpunkt arbeiten. Bei einem generellen Arbeitsverbot bei Hitze müsste es wiederum unzählige Ausnahmen geben. Damit seien exemplarisch Notfallarbeiten bei Gebrechen von Leitungen gemeint, die sofort behoben werden müssten.

In einer Aussendung nennt die Geschäftsstelle Bau ein individuelles Recht außerdem "verfassungswidrig". Die GBH appelliert hierbei auch an die Auftraggeber der Firmen. Diese sollten bei hitzefrei auf Pönalen wegen Verzögerungen verzichten, was Firmen mehr da­zu bewege, die Hitzefrei-Option für die Beschäftigten zu nutzen. Daran hält auch das Bundesministerium für Arbeit fest. In einer Stellungnahme wird von einem Rechtsanspruch pauschal abgesehen: "Ein genereller Anspruch auf hitzefrei ist aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht zielsicher umzusetzen und würde den unterschiedlichen Anforderungen an unterschiedlichen Arbeitsplätzen nicht gerecht werden." (Melanie Raidl, 14.7.2023)