Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer sorgt erneut mit einem Video für Empörung.
Christian Fischer

Nach dem "Brennpunkt Favoriten" und dem Brunnenmarkt in Ottakring hat Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer offenbar ein neues "Problemgebiet" in Wien gefunden, und zwar die Mariahilfer Straße. Einmal mehr produzierte der nicht amtsführende Stadtrat ein Video – und sorgte diesmal schon während der Dreharbeiten für Empörung.

Der grüne Bezirksrat Silvio Heinze veröffentlichte am Donnerstag ein Bild auf Twitter, das Mahrer telefonierend vor einem auf einer Bank schlafenden Mann zeigt, während er von einem Kameramann gefilmt wird; auch ein Fotograf war mit dabei.

Heinze habe "zufällig auf der #MaHü beobachtet, wie die @oevpwien einen 'Skandal' fabriziert". Mahrer habe sich dabei filmen lassen "wie er die Polizei ruft, weil ein Wiener auf einer Bank schläft und er ihn für nicht 'anschaulich' hält. Fragt nicht nach, wie es ihm geht oder ruft die Rettung." Heinze habe dann bei dem Mann nachgefragt, "ihm geht es gut, war nur warm und hat einen kurzen Mittagsschlaf gehalten. Der öffentliche Raum ist für alle da."

Situation "nicht akzeptabel"

Mahrer antwortete daraufhin direkt unter dem Tweet von Heinze. Er sei auf der Mariahilfer Straße unterwegs gewesen, "nachdem uns mehrere Menschen auf eine Verschlechterung der Situation aufmerksam gemacht haben." Dabei sei ihm der schlafende Mann aufgefallen. "Ich bin daraufhin zu ihm gegangen und konnte sehen, dass eine Atmung vorhanden war – also keine Lebensgefahr bestanden hat." Daraufhin habe er "für eine weitere Prüfung des Sachverhalts (...) die Profis", nämlich die Polizei, kontaktiert.

Die Situation auf der Mariahilfer Straße, nämlich dass Menschen "vermehrt auf den Parkbänken oder am Boden unter Flaschenbergen liegen und am Abend auch in Hauseinfahrten schwer betrunken campieren", sei aus Mahrers Sicht "nicht akzeptabel".

Die ÖVP wiederum prüft rechtliche Schritte gegen Heinze, der über den Dreh berichtet hatte. ÖVP-Landesgeschäftsführer Peter Sverak spricht auf Twitter von einem "niederträchtigen politischen Stil" und kündigte an, rechtlich prüfen zu lassen, ob Heinze "mit seinem Tweet und Foto gegen Karl Mahrer hier tatsächlich unterlassene Hilfeleistung unterstellt".

Kritik der Stadtregiergung

Am Freitag hat sich schließlich auch die Wiener Stadtregierung zu Wort gemeldet. Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) empfahl Mahrer, sich noch intensiver mit den Problemen wohnungsloser Menschen zu beschäftigen und sich "gleich nützlich" zu machen. Er lud den Wiener ÖVP-Chef ein, einen Tag lang in einer entsprechenden Betreuungs-Einrichtung ehrenamtlich tätig zu sein. "Das hilft sicher mehr, als die Polizei mit einem Mittagsschlaf zu beschäftigen", vermutete Hacker.

"Danke an das große Engagement von Herrn Mahrer in diesem Zusammenhang. Gerade er muss aber wissen, wie es um die Ressourcen der Polizei in Wien bestellt ist", hielt auch der Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, Ewald Lochner, fest. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialarbeit seien im öffentlichen Raum unterwegs, um hier Hilfestellung zu bieten. Verwiesen wurde auch auf die Tageszentren, in denen sich Betroffene an heißen Tagen etwa von der Hitze erholen können.

Empörung über Videos 

Es war jedenfalls nicht das erste Mal, dass Mahrer mit einem umstrittenen Video für Empörung sorgte. Ob Josefstädter Straße, Brunnenmarkt oder Gumpendorfer Straße: Der einstige Spitzenpolizist geht dorthin, wo er aus seiner Sicht Unsicherheitszonen, Kriminalitätshotspots und das Entstehen von No-Go-Areas festmacht. Begleiten lässt er sich dabei von einer Kamera.

Über den Brunnenmarkt in Ottakring etwa meinte er: "Syrer, Afghanen, Araber haben die Macht übernommen." Über den "Brennpunkt Favoriten" beklagte sich ein Mann, der sich später als Funktionär der ÖVP Favoriten herausstellte, im Gespräch mit dem Wiener ÖVP-Chef: "Du kannst dich da nicht mehr frei bewegen."

Die Videos sorgen für heftige Kritik von vielen Seiten. Die Darstellung teils migrantisch geprägter Viertel als "Brennpunkte" und "No-Go-Areas" hätte rassistische Untertöne, urteilten Kritiker. Auch innerhalb der ÖVP Wien soll nicht jeder mit der Kampagne zufrieden sein. (Sandra Schieder, 14.7.2023)